Bad Oldesloe. Verwaltung arbeitet an Katastrophenschutzplan. Polizei prüft, warum Digitalfunk bei Stromausfall in Lübeck nicht mehr funktionierte.

Von einem Moment auf den nächsten ist es zappenduster und nichts funktioniert mehr. Dass bei einem Stromausfall eine ganze Region betroffen ist, gilt zwar als äußerst unwahrscheinlich. Doch genau dies ist in Lübeck und Umgebung vor wenigen Wochen passiert. Für rund vier Stunden fiel der Strom aus. Geschäfte mussten schließen, weil die Kassensysteme nicht funktionierten. An Tankstellen gab es keinen Sprit mehr, weil Zapfsäulen mit Strom betrieben werden. Den brauchen auch Mobilfunkmasten. Somit konnten die Menschen nicht mehr mit dem Handy telefonieren.

Besonders prekär: In der Polizeileitstelle, die auch sämtliche Einsätze in Stormarn koordiniert, herrschte ebenfalls Funkstille. Für 23 Minuten fiel der Digitalfunk aus. Die Beamten in der 110-Notrufzentrale konnten nicht mehr mit ihren Kollegen in den Streifenwagen kommunizieren.

Stromspeicher im Keller sichert den Betrieb

„Das ist aus polizeilicher Sicht eine verdammt lange Zeit“, sagt Thomas Nommensen von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Wir können uns glücklich schätzen, dass in diesen Minuten nichts Schlimmeres passiert ist“, sagt er. Nommensen denkt an Überfälle oder andere Verbrechen, die ein schnelles und koordiniertes Handeln erfordern.

Doch wie kann es dazu kommen, dass beim Digitalfunk der Polizei alle Sicherheitsmechanismen versagten? Und wie gut ist Stormarn mit seiner 112-Notrufzentrale in Bad Oldesloe aufgestellt, wenn es zu einem Blackout kommt? Das Abendblatt hat nachgehakt.

Carsten Horn, als Fachdienstleiter zuständig für den Zivil- und Katastrophenschutz sowie für die Rettungsleitstelle, erklärt, dass beim Ausfall die Einsatzzentrale zunächst auf einen Stromspeicher im Keller der Kreisverwaltung zurückgreifen kann. „Sechs bis acht Stunden können wir damit überbrücken“, sagt Horn. Danach wird die Leitstelle an ein Notstromaggregat angeschlossen. „Und das produziert so lange Strom, so lange genug Diesel da ist.“

Wenn das Mobilfunknetz ausfällt, wird es kritisch

Damit ist zwar während eines flächendeckenden Blackouts die Rettungsleitstelle mit Strom versorgt, allerdings nicht der Rest des Kreises. „Sobald der Mobilfunk auch nicht mehr funktioniert, wird es kritisch“, sagt Horn. Menschen in Not könnten nämlich nicht mehr Hilfe rufen. Auch während des vierstündigen Stromausfalls hatten zahlreiche Lübecker keinen Handy-Empfang mehr. Wie die Menschen während eines mehrstündigen Stromausfalls geschützt werden können, erarbeitet der Kreis Stormarn bereits seit mehreren Monaten in einem Katastrophenschutzplan.

Zum einen werden Daten über Krankenhäuser und Pflegeheime gesammelt. Geklärt werden soll zum Beispiel, wie Patienten bei einem Stromausfall beatmet werden können. Oder wie lange die Einrichtungen Ausfälle mit Notstrom überbrücken können. „Zudem sind wir dabei, Verträge mit Treibstoffhändlern zu schließen“, sagt Horn. Aggregate müssen am Laufen gehalten werden. Auch werde Diesel für Rettungsfahrzeuge gebraucht. Wie der Stromausfall in Lübeck zeigte, war ein Auftanken an Zapfsäulen nicht möglich.

Carsten Horn rechnet damit, dass der Katastrophenschutzplan für den Kreis Stormarn Ende dieses Jahres fertig ist.

Polizeigewerkschaft fordert lückenlose Aufklärung

Der Wirtschaftsrat der CDU fordert die Kreise in Schleswig-Holstein seit Jahren auf, ihre Katastrophenschutzpläne zu überarbeiten. Der Landesvorsitzende Christian von Boetticher sagt: „Seitdem ist mit Ausnahme des Kreises Pinneberg wenig bis gar nichts passiert.“ Der Blackout in Lübeck solle als Warnschuss gelten. „Dieser darf in Zeiten wachsenden Blackout- und Cyberwar-Risiken nicht ungehört verhallen.“

Ein Disponent der Polizeileitstelle in Lübeck, die auch Einsätze in Stormarn koordiniert
Ein Disponent der Polizeileitstelle in Lübeck, die auch Einsätze in Stormarn koordiniert © Dorothea Benedikt

Auch die Gewerkschaft der Polizei prangert seit zwei Jahren die mangelhafte und störungsanfällige Technik in der Lübecker Polizeileitstelle an. Obwohl das Innenministerium schon Verbesserungen versprochen habe, sei in weiten Teilen bis heute wenig geschehen. „Deswegen fordern wir jetzt eine lückenlose Aufklärung“, sagt Thomas Nommensen. Zu klären sei auch, warum keine Sicherheitsmechanismen griffen, um den Polizeifunk aufrechtzuerhalten.

Kritische Situationen konnten vermieden werden

Aus dem Innenministerium heißt es dazu, dass dies derzeit mit hoher Priorität geprüft werde. „Klar ist, dass die Ursache eindeutig nicht in der Regionalleitstelle lag“, sagt Ministeriumssprecher Tim Radtke. Dort hätten die Telefonleitungen für Notrufe funktioniert. „Der Ausfall des Digitalfunks resultierte aus einem technischen Defekt in einem Knotenpunkt des Netzes außerhalb der Leitstelle.“ Dafür sei die Bundesanstalt für den Digitalfunk verantwortlich. Auch diese prüfe jetzt, warum die Notstromversorgung nicht sofort funktioniert hat.

Während des Ausfalls des Digitalfunks riefen die Disponenten der Leitstelle in den Wachen an und gaben die Einsätze so weiter. Die Beamten in den Dienststellen hatten direkten Kontakt zu ihren Kollegen in den Streifenwagen. Ein Polizeisprecher aus Lübeck: „Nach bisherigem Sachstand sind alle anfallenden Einsätze an die Streifenwagen weitergegeben worden. Kritische Situationen gab es nicht.“