Glinde. Die Sportanglervereine im Kreis holen nicht nur Fische raus, sondern bringen Artenreichtum in Bille, Mühlenteiche und Co. zurück.
Ein gezielter Schlag hinter die Augen, dann folgt der Stich ins Herz. So hat Jonas es gelernt. Weil der 15-Jährige gerade aber noch mit seiner Angelrute zu tun hat, übernimmt Jugendwart Harry Wobser (68) die artgerechte Tötung des soeben gefangenen Schuppenkarpfens. Vor einer knappen Minute schwamm der Fisch noch am Grund des Glinder Mühlenteichs. Jetzt liegt er im Gras und blutet aus.
Es sind Bilder wie diese, die vielen Tierfreunden Sorgen bereiten mögen. Sie sehen, wie Menschen Jagd auf Fische machen, sie danach wie eine Trophäe in die Kamera halten, um sie dann zu töten – später landen sie im Kochtopf oder auf dem Grill. „Sie sehen nur die eine Seite des Angelsports“, sagt Mathias König vom Angelsportverein (ASV) Glinde, zu dem auch Harry Wobser und Jonas gehören. Für diese Seite findet der 52 Jahre alte Angler klare Worte: „Verantwortung“ zum Beispiel. Oder „Demut“ – vor den Lebewesen und vor der Natur.
Sitzen. Schweigen. Angeln
Als Gewässerwart hat Matthias König vor allem Wasserqualität, Fischbestand sowie Schutz und Pflege der Uferzonen der drei Vereinsgewässer im Blick. Neben dem Glinder Mühlenteich haben die Hobbyfischer noch zwei kleiner Weiher im Umland gepachtet.
Die Gewässer überlässt die Stadt ihnen kostenlos. Im Gegenzug kümmern sich die etwa 50 Vereinsangler um Ordnung, beschneiden Schilf und mähen Rasen. Pro Mitglied sind jährlich acht Arbeitsstunden verordnet. Etwa 400 Stunden kommen so zusammen. Ein fairer Deal für beide Seiten.
Jonas und seine Freunde Tobias (15) und Erik (14) sind seit knapp einer Stunde am Mühlenteich. Sitzen. Schweigen. Angeln. Nach der kurzen Aufregung um den Fang ist wieder meditative Ruhe eingekehrt. Warum der Karpfen gebissen habe? „Glück gehabt“, sagt Jonas. Das war’s. Der Fisch liegt mittlerweile in einer Plastiktüte unter der Parkbank.
In den 1950er-Jahren war die Karausche im Kreis heimisch
Seinen Fang hat der junge Angler ordnungsgemäß im Fangbuch vermerkt. So wird der Bestand im See ermittelt. Um ihn zu halten, setzt Gewässerwart König einmal im Jahr Jungfische in die Gewässer: Aale zum Beispiel oder Barsche, Karpfen und Schleie, kleine Gründlinge sowie Weißfische wie Rotfedern und Rotaugen. Sie alle sind hier heimisch. Auch Arten wie die Karausche, die heute selten geworden sind, bringt der Verein wieder zurück in Stormarns Gewässer. „Früher in den 1950er-Jahren gab es viele Karauschen in den kleinen Seen auf den Feldern“, sagt Jugendwart Wobser. Mit der Entwicklung der Landwirtschaft sind solche kleinen Seen mittlerweile rar – ebenso wie die Karausche.
Etwa zwanzig Kilometer östlich von Glinde liegt das Revier des Sportangelvereins Trittau. Auch dessen Mitgliedern liegen seltene Arten am Herzen. „In der Bille schwimmen Bachschmerlen und Haseln“, sagt der zweite Vorsitzende Fridjof Wenzel. Zudem hoffe der Verein, dass auch die Bachforelle wieder heimisch wird. „Damit sie laichen kann, fehlt noch das richtige Kiesbett“, sagt Wenzel. Die Bille wurde in den 1930er-Jahren ausgebaggert und begradigt. Der 200 Mitglieder starke Verein würde das gern Rückgängig machen. So ein Vorhaben koste aber viel Geld und Zeit. Erschwerend hinzu komme, dass eine Entscheidung über eine mögliche Fischtreppe am Reinbek Mühlenwehr das Vorhaben bremst.
Jeder Fisch muss vernünftig verwertet werden
Trotz ihrer Arbeit für die Qualität der Seen sehen sich die Sportangler immer wieder Kritik ausgesetzt, sagt Matthias König vom ASV Glinde. Dabei sei ihnen besonders an Natur und Lebewesen gelegen. „Uns ist wichtig, Maß zu halten.“ So muss etwa seine Ausrüstung wieder einpacken, wer zwei Karpfen an einem Tag gefangen hat – das hat der Verein so festgeschrieben. Auch die monatliche Fangrate ist begrenzt: vier Karpfen und 20 Schleie. „Damit Fische nicht unnötig leiden, werden sie nicht wieder schwimmen gelassen“, sagt Matthias König. Wer einen Fisch fängt, muss ihn einer „vernünftigen Verwertung“ zuführen – so fordere es das Landesfischerei- und das Tierschutzgesetz. Eine Ausnahme gilt nur für sehr junge Fische, die noch nicht das sogenannt Schonmaß erreicht haben und sehr alte Fische, die nicht mehr schmecken – und deshalb geschont werden.
Jonas, Tobias und Erik schonen vor allem ihre Stimmbänder. Er genieße es, einfach mal zu angeln, sagt Jonas. Außerdem sei er gerne mit seinen Kumpels zusammen. Und was wird aus dem Karpfen? „Der wird morgen Zuhause geräuchert und dann mit der ganzen Familie gegessen.“