Ahrensburg. Hospizverein will durch den Workshop den Umgang mit dem Thema Sterben auflockern. Teilnehmer erzählen, warum sie mitmachen.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Eine ganz neue und vielleicht auch gewöhnungsbedürftige Variante bietet der Hospizverein Ahrensburg jetzt an. „Baue Dein letztes Haus – ein Sargbauprojekt“.

Die Initatioren Katja Balkenhol (l.) und Marian van der Maten vom Hsopiz Ahrensburg e.V.
Die Initatioren Katja Balkenhol (l.) und Marian van der Maten vom Hsopiz Ahrensburg e.V. © HA

Vier Teilnehmer – zwei Frauen und zwei Männer – sind in die Holzhandlung Wulf nach Ahrensburg gekommen, um an Stormarns erstem Sargworkshop mitzuwirken. Es ist bereits das zweite von vier geplanten Treffen und beginnt mit einer Reflexion. „Wie ist es Euch nach dem ersten Abend ergangen“, will Marian van der Maten, Begleiterin und Vorstandsmitglied vom Hospizverein Ahrensburg, von den Teilnehmern wissen. Ihr ist es wichtig, beim Bauen und Gestalten des eigenen Sarges über das Tabu-Thema Tod ins Gespräch zu kommen.

Cornelius Lohff will den Sarg als Barschrank nutzen

Die Beweggründe der Teilnehmer sind ganz unterschiedlich. Einige haben in der Vergangenheit Freunde oder Familienangehörige verloren, andere setzen sich aufgrund einer medizinischen Diagnose mit der eigenen Sterblichkeit auseinander. „Ich bin sterblich, das zu akzeptieren ist für mich kein Problem“, sagt Cornelius Lohff (58). Seine Frau hat den Trittauer auf das besondere Projekt aufmerksam gemacht. „Ich hatte schon immer ein morbides Interesse an originellen Ausstellungsstücken“, sagt Lohff und lacht. Als Pastorensohn sei er früh mit dem Thema Tod konfrontiert worden. Berührungsängste habe er keine. Bis zu seiner endgültigen Nutzung plant Lohff das ungewöhnliche Möbelstück als Barschrank umzufunktionieren und ins Wohnzimmer zu stellen.

In der großen Werkhalle der Holzhandlung Wulf duftet es nach frischem Holz. Dort, wo sonst Gabelstapler emsig hin und her fahren, liegen auf vier Ständern akkurat zurechtgesägte Holzplatten. Nichts lässt vermuten, dass in diesem Umfeld Särge gebaut werden. „Anfangs war ich von der Anfrage des Hospizvereins überrascht“, sagt Uwe Wulff, Geschäftsführer der Holzhandlung. „Ich fand die Vorstellung, hier seinen eigenen Sarg zu bauen, ziemlich skurril.“ Nach dem ersten Abend ist aber auch er von dem Projekt begeistert. Der Unternehmer stellt Werkzeug, Material und die Räume für den Workshop zur Verfügung.

Stimmung ist überraschend fröhlich und ausgelassen

Marian van der Maten sagt: „Wir suchen den unkonventionellen Kontakt zu den Menschen. Gleichzeitig wollen wir gemeinsam Spaß haben an der Arbeit mit Holz.“ Je nach Holzart und Farbe zahlen die Teilnehmer bis zu 250 Euro für ihren Sarg.

Die Stimmung während des Workshops ist fröhlich und ausgelassen. Alle sind per „Du“, reden offen über ihre Vorstellungen und persönlichen Hintergründe. Auch Renate Ostermeier. Die 75-Jährige hat in diesem Jahr die Diagnose Lungenkrebs bekommen. Sie ist sterbenskrank und hat sich intensiv mit ihrem „nahenden Ende“ auseinandergesetzt. „Ich halte das Projekt für eine sehr gute Idee“, sagt sie mit fester Stimme, ohne Dramatik. Wie alle anderen Teilnehmer hat auch sie keine Angst vor dem Tod. „Warum machen wir uns die Gedanken an ein Ende, das uns alle einmal ereilt, so schwer? Weil wir es hartnäckig ignorieren.“ Renate Ostermeier will die Zeit, die ihr vom Leben noch bleibt, nutzen und genießen. Mit Leim und Akkuschrauber bewaffnet werkelt sie an ihrer Kiste. Hin und wieder flucht sie leise, wenn ihr eine dritte Hand zum Festhalten der Holzbretter fehlt. Ostermeier hofft, dass ihr Sarg als Truhenbank in ihrem Flur noch lange seine Aufgabe erfüllen wird.

„Gerade Kiste“ oder „klassischer Westernsarg“?

„Alle Särge sind aus massiver Fichte“, erklärt Uwe Wulff den Teilnehmern. Das Material ist stabil und trotzdem leicht. Welche Kriterien ein Sarg der Marke Eigenbau erfüllen muss, haben Marian van der Maten und Katja Balkenhol vom Hospizverein Ahrensburg vorab bei den Bestattern recherchiert. So müssen zum Beispiel Füße unter einen Sarg, wenn der Tote im Krematorium verbrannt werden möchte. Eine Bemalung mit Lackfarbe, wie Cornelius Lohff es sich anfangs vorgestellt hatte, ist aus Gründen des Umweltschutzes nicht erlaubt.

Um für jeden das passende Modell zu bauen, haben die vier Sargbauer bei ihrem ersten Treffen an sich Maß genommen. Der breiteste Punkt beim liegenden Körper ist auf Höhe der Ellenbogen. Standardmaße für einen Sarg sind 65 bis 70 Zentimeter Breite und zwei Meter Länge. Während drei Teilnehmer sich für das Modell „gerade Kiste“ entschieden haben, baut Cornelius Lohff einen „klassischen Westernsarg“ mit abgeschrägten Ecken. Eine Herausforderung für Tischler Karl Martin, der das Projekt handwerklich begleitet.

Fortsetzung des Workshops möglich

Petra und Ralf Fink zimmern gemeinsam an ihren Särgen
Petra und Ralf Fink zimmern gemeinsam an ihren Särgen © HA

Ob bunt bemalt oder nur gebeizt – wie sie ihre Särge am Ende dekorieren, darüber sind sich Petra (59) und Ralf (58) Fink noch nicht einig. Das Ehepaar aus Siek baut zusammen sein letztes Haus. Beide schätzen das Gespräch mit den anderen Teilnehmern und die lockere Atmosphäre. Beim Blick auf den Westernsarg von Cornelius Lohff ist Petra Fink froh, sich für die Kisten-Form entschieden zu haben. Sie sagt: „Die abstrakte Form ist etwas unauffälliger.“ Ihr Sarg soll anfangs als Sitzbank im Partykeller dienen. Ihr Mann könnte sich vorstellen, seinen Sarg noch als Regal für die Musikanlage zu nutzen.

Die Reaktionen, die die Sargbauer ernten sind unterschiedlich: Von Ablehnung bis Begeisterung ist alles dabei. Marian van der Maten und Katja Balkenhol freuen sich jedenfalls, dass ihre Pionieridee so gut angenommen wurde – und denken über eine Fortsetzung des Workshops nach.