Oststeinbek. Vier Tage nach dem Unwetter beklagen Anwohner des Ortsteils Havighorst Defizite bei der Verwaltung. Der Bürgermeister kontert.
Schlammverschmierte und zersplitterte Möbelstücke stapeln sich zwischen blauen, prallgefüllten Müllsäcken, dreckigen Textilbergen und kaputten Waschmaschinen am Straßenrand. Ein harter Kontrast zu den akkurat gemähten Rasenflächen und den sauber angelegten Blumenbeeten der aufgeräumten Vorgärten. Die offenen Garagentore lassen einen Blick auf das Ausmaß der Zerstörung zu, welches das Unwetter am Himmelfahrtstagin der Straße Am Turnierplatz im Ortsteil Havighorst hinterlassen hat. Kaum eine Einfahrt, vor der sich der Müll nicht stapelt. Müll, der vor einer Woche noch keiner war, sondern als Einrichtung in den Kellern der Anwohner stand.
„Wir fühlen uns allein gelassen“, sagt Melike Cetin, die mit ihrer Familie Am Turnierplatz wohnt und deren Keller – wie fast alle Keller hier – bis zur Decke vollgelaufen war. „Die Wassermassen waren so stark, dass Fenster und Türen zerbrochen sind.“ Allein gelassen fühlen sich die Anwohner mit dem Müll. „Wir haben alles selbst weggebracht“, sagt Cetin. Jeden Tag sei sie seit dem Unwetter mit 15 Personen, bestehend aus Familie, Freunden und Bekannten, zwölf Stunden im Einsatz gewesen. Ein paar Häuser weiter sind emsige Helfer noch damit beschäftigt, Schutt aus den Kellern zu tragen und die Verwüstungen des Unwetters zumindest im Ansatz zu beseitigen.
Familie mietete Lieferwagen und entsorgt Müll privat
„Meine ganze Existenz ist weg“, sagt Hosai Jamil, die zusammen mit ihrem Mann und ihren vier Kindern die Kellerräume im Haus der Schwiegereltern bewohnte. „Schlafzimmer, Küche, Büro, alles hinüber“, sagt sie und lässt den Blick über ihre in der Einfahrt aufgetürmten, schrottreifen Möbelstücke schweifen. „Wir haben gar keinen Platz mehr, den Müll vor dem Haus zu lagern.“ Auch ihre Familie hat sich einen Lieferwagen gemietet, um den Müll privat zu entsorgen. „Es sind ja nicht nur Wasser und Schlamm in die Keller gelaufen, sondern auch Fäkalien“, sagt Jamil, die befürchtet, dass der Gestank Ratten anziehen könnte.
Zwar ist für heute eine Sperrmüllabholung der AWSH sowie eine Entsorgung von Elektromüll durch den Bauhof der Kommune geplant, doch die Anwohner sind sauer. „Uns wurde gesagt, wir sollen den Müll trennen“, sagt Jamils Nachbarin Ute Conrad. Aber: „Wie soll ich denn den Müll trennen, wenn das Wasser bis zur Decke steht?“ Da durch die Überschwemmungen vieles zu Bruch gegangen und alles durcheinandergespült wurde, haben die Betroffenen kleinere Abfälle in Säcke gefüllt. „Sollen wir die jetzt etwa wieder aufmachen?“, fragt Conrad empört.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lädt Joachim Meyer mit seiner Frau und einem befreundeten Nachbarn zerstörtes Kellerinventar auf einen Anhänger. „In so einem Notfall kann es doch nicht sein, dass der Müll getrennt werden muss“, sagt Meyer. Er habe bei den Aufräumarbeiten zwar bereits vorsorglich mit der Mülltrennung begonnen, bei den zusammengewürfelten Müllbergen, die das Unwetter in den Kellern hinterlassen hat, sei es jedoch nicht leicht, den Müll zu sortieren.
Bürgermeister: „Mülltrennung nicht außer Acht lassen“
„Wir werden das großzügig handhaben, aber wir können keinen Restmüll abholen“, sagt Oststeinbeks Bürgermeister Jürgen Hettwer auf Abendblatt-Anfrage zu den Vorwürfen der Anwohner. Es bestünde die Gefahr, dass sonst auch andere Abfälle wie Farben, Lacke oder Bauschutt am Straßenrand entsorgt werden. „Mit der Sperrmüll- und Elektroabholung bieten wir ein zusätzliches Angebot, aber wir können die Mülltrennung nicht außer Acht lassen“, so Hettwer weiter. Ziel der Abhol-Aktion sei es, „erst einmal das Gröbste zu entfernen“. Alles könne die Gemeinde jedoch nicht übernehmen.
Neben dem nicht abgeholten Müll sind die Anwohner sauer, dass die Reaktion aus dem Rathaus zu spät erfolgt sei. „Vor der Wahl rennen die Politiker einem die Türen ein – aber erst vier Tage nach dem Unwetter lässt sich hier jemand blicken“, sagt Hans Hermann Peters, der ebenfalls Am Turnierplatz wohnt und seinen gesamten Besitz, der im Keller lagerte, verloren hat. Blicken lassen hat sich der Bürgermeister persönlich, doch Peters findet, es hätte bereits einen Tag nach der Katastrophe jemand vorbeikommen und den Anwohnern Mut zusprechen sollen. Hettwer dazu: „Ich habe meinen Urlaub abgebrochen und bin bereits in der Nacht des Unwetters in der Gemeinde unterwegs gewesen und das bis heute. Bei mehr als 400 Einsatzorten kann ich aber nicht überall gleichzeitig sein.“