Ahrensburg/Schleswig. Die Verwaltung lässt das Projekt nach neun Drehtagen platzen. Der Filmemacher verklagt die Stadt. Justiz drängt auf einen Vergleich.
Wann ist ein Vertrag ein Vertrag? Mit dieser kniffligen Frage muss sich zurzeit das Oberlandesgericht in Schleswig bei einem Berufsprozess beschäftigen. Ein Filmemacher aus Hamburg klagt dort gegen die Stadt Ahrensburg und die Stadtwerke – gestritten wird um rund 12.000 Euro.
Worum geht es? Christof Rupprecht wollte im Jahr 2014 einen Imagefilm über Ahrensburg drehen. Er filmte unter anderem Bürgermeister Michael Sarach bei seiner Rede zur Eröffnung der 700-Jahr-Feier, war auf den U-Bahnhöfen und auf dem Golfplatz am Bredenbeker Teich unterwegs – teilweise mit mehreren Mitarbeitern. Er machte Aufnahmen bei der Musiknacht und beim Stadtfest, besuchte den Hofladen sowie das Wohnprojekt in Wulfsdorf. Auch das Abendblatt berichtete damals über das Filmprojekt, war bei einem Dreh auf dem Ahrensburger Wochenmarkt dabei. Elf DVDs mit gut 15 Stunden Rohmaterial entstanden laut Rupprecht an neun Drehtagen.
Bürgermeister bestreitet, dass Vertrag abgeschlossen wurde
Was dann passierte, kann Christof Rupprecht bis heute nicht nachvollziehen. Stadt und Stadtwerke, die sich die Kosten für den Imagefilm teilen wollten, schickten ihm jeweils einen Brief. Darin fordern sie den Mann auf, seine Videoaufnahmen einzustellen mit der Begründung, dass ihm nie ein Auftrag erteilt worden sei. „Wir sind der Auffassung, dass es zu keinem Vertragsabschluss kam“, sagt Bürgermeister Michael Sarach. „Deswegen wollen wir auch nicht dafür zahlen.“
Ein schriftlicher Vertragsentwurf lag der Verwaltung zwar vor, wurde aber nie unterschrieben. Laut Christof Rupprecht gab es allerdings eine mündliche Zusage vom damaligen Rathaussprecher. Zuvor seien ausführliche Gespräche mit Kämmerer und Stadtwerke-Geschäftsführer Horst Kienel geführt worden. „Es gab Gespräche darüber, den Stadtfilm neu aufzulegen“, bestätigt Kienel. „Aber ich habe gleich gesagt, dass die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stehen.“ Daran sei das Projekt letztlich auch gescheitert.
Filmemacher habe „auf eigenes Risiko“ gehandelt
Rupprecht widerspricht. Im Dezember 2013 habe der Rathaussprecher ihm gesagt, das Budget stehe. In den Folgemonaten habe er ihm Ansprechpartner für Drehtermine vermittelt und ihn beim Neujahrsempfang der Stadt als denjenigen vorgestellt, der den Imagefilm über Ahrensburg drehe. „Das mag alles sein“, sagt Sarach auf Abendblatt-Anfrage. Das ändere aber nichts daran, dass der Filmemacher „auf eigenes Risiko“ gehandelt habe. Das sieht Rupprecht anders. Auch ein mündlicher Vertrag sei bindend, meint der 57-Jährige. Bei Aufträgen in anderen Städte habe er nie Probleme gehabt. In Wedel beispielsweise habe er zuvor einen Imagefilm gedreht – „das lief auch komplett ohne Unterschrift“.
Von der Ahrensburger Verwaltung fühle er sich „hinters Licht geführt“, so Rupprecht. „Das war ein unfairer Umgang“, sagt auch Holger Thieß, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er vertritt den Filmemacher im Auftrag von Verdi. Die Gewerkschaft unterstützt den Selbstständigen bei seiner Klage.
Unterkühlte Stimmung im Gerichtssaal
In erster Instanz gab das Landgericht Lübeck der Stadt Ahrensburg im Oktober 2017 Recht. Sie wies die Klage des Hamburgers zurück mit dem Hinweis, dass es sich lediglich um „nicht vergütungspflichtige Akquisemaßnahmen ohne rechtliche Wirkung“ gehandelt habe. Das Oberlandesgericht in Schleswig sieht das anders.
Ortstermin in dieser Woche: Während es draußen zur Mittagszeit immer wärmer wird, ist die Stimmung in Saal 33 merklich unterkühlt. Auf der einen Seite des langen, halbkreisförmigen Holztisches sitzt Christoph Germer aus Berlin, den die Verwaltung für das Verfahren als Rechtsanwalt beauftragt hat. Am anderen Ende hat Christof Rupprecht mit Holger Thieß Platz genommen. Dazwischen: eine Menge leerer Stühle. Denn aus Ahrensburg ist niemand nach Schleswig gereist, um an der Anhörung vor dem Elften Zivilsenat teilzunehmen.
Anwalt argumentiert mit „kommunaler Trägheit“
Die Vorsitzende Richterin Martina Görschen-Weller macht schnell deutlich, dass die Lage nicht so eindeutig ist, wie vom Landgericht geurteilt. Die aufwendigen Filmaufnahmen nur zur Akquise? „Das scheint uns doch deutlich darüber hinauszugehen“, sagt sie. Es spreche einiges dafür, dass sich der Rathaussprecher pflichtwidrig verhalten habe. „Er hat trotz nicht ausreichender interner Beschlusslage beim Kläger Vertrauen auf einen wirksamen Vertragsabschluss geweckt“, so die Richterin. Denn er habe die Dreharbeiten geduldet und sogar organisatorisch unterstützt. Anwalt Christoph Germer widerspricht. Der Rathaussprecher habe sich vielleicht „etwas unglücklich verhalten“. Es bleibe aber die Freiheit eines Empfängers, ein Angebot abzulehnen. Germer: „Hier sind kommunale Trägheit und ein erwerbwirtschaftliches Interesse unglücklich zusammengetroffen.“
Die Stadt habe sich aber nicht passiv verhalten, widerspricht die Richterin. Es seien Mails geschrieben und Telefonate geführt worden. Es müsse keinen konkreten Zeitpunkt geben, auch durch ein schleichendes Verhalten könne es zu einem sogenannten konkludenten Vertragsabschluss kommen.
Zivilsenat rät beiden Parteien zu einem Vergleich
Ob das in diesem Fall passiert ist, daran hat auch das Oberlandesgericht Zweifel. So hat Rupprecht bis zum Abbruch der Dreharbeiten nie mit dem Bürgermeister, dem gesetzlichen Vertreter der Stadt, gesprochen. Letztlich schätzt sie die Chancen Rupprechts, mit seiner Klage durchzukommen, auf etwa 33 Prozent. Dafür sei die Wahrscheinlichkeit, dass er Anspruch auf Schadenersatz habe, hoch. „Es gibt verschiedene Baustellen, die schwierig sind für beide Seiten“, sagt Görschen-Weller. Der Zivilsenat rät deshalb den beiden Parteien, einen Vergleich zu schließen.
Die Stadt verpflichtet sich darin, dem Filmemacher 3600 Euro zu zahlen. Rupprecht zieht dafür die Berufung gegen die Stadtwerke zurück und räumt der Stadt die Rechte für die getätigten Drehaufnahmen ein. Christof Rupprecht ist mit dem Vergleich nicht glücklich, sagt: „Das ist ganz dicht an meiner Schmerzgrenze.“
Ob Ahrensburg den Vorschlag annehmen wird, ist noch unklar. „Wir werden ihn jetzt prüfen und mit unserem Anwalt besprechen“, sagt Michael Sarach. Er hat bis zum 1. Juni Zeit, den Vergleich zu widerrufen. Passiert das, wird das Oberlandesgericht den Fall verhandeln. Dann muss sich der Bürgermeister zu den internen Vorgängen in der Verwaltung äußern, die es damals rund um den Imagefilm gab. Bisher schweigt die Behörde dazu vor Gericht.