Ahrensburg. Reinhold von Sengbusch hat die Sorte Senga Sengana in Wulfsdorf gezüchtet. Eine Erinnerung zum Beginn der Erdbeersaison.
Sie zählte jahrzehntelang zu den beliebtesten Erdbeersorten und wird auch heute noch in vielen Gärten angepflanzt: die „Senga Sengana“. Was aber kaum jemand weiß: Erfunden hat die Sorte der Pflanzenzüchter Reinhold von Sengbusch – und zwar in Ahrensburg. 1952 züchtete der Professor die nach ihm benannte Erdbeere in Wulfsdorf. Seine Forschungsstelle befand sich am Bornkampsweg.
In der kommenden Woche startet auf den ersten Höfen in Stormarn die Erdbeersaison – zum Beispiel bei Glantz in Delingsdorf. Dann kommen die in Tunneln gereiften Frühsorten „Florentina“ und „Flair“ in den Verkauf. Reinhold von Sengbusch ging es bei seiner Züchtung um etwas anderes. Sein Ziel war es, eine Erdbeere zu entwickeln, die sich problemlos einfrieren lässt. Die damals bekannten Sorten eigneten sich dafür nicht. So hatte die „Markee“ zwar ein festes Fruchtfleisch, war aber nicht besonders lecker. Bei anderen stimmte der Geschmack, doch sie wurden beim Auftauen matschig. Von Sengbusch gelang es durch eine Kreuzung der Sorten „Markee“ und „Sieger“, die Anforderungen der Gefrier-Industrie zu erfüllen.
Die Kühltruhe war damals eine Holzkiste mit Trockeneis
Dafür waren viele Experimente nötig. Zu Beginn der 1950er-Jahre habe die Kühltruhe in seinem Haus „aus einer mit alten Federbetten ausgestopften größeren Holzkiste bestanden, die einmal pro Woche mit Trockeneis und Vorräten aus dem Unionskühlhaus in Hamburg-Altona befüllt wurde“, heißt es auf einer Internetseite der Familie von Sengbusch.
Mit der Erfindung der „Senga Sengana“ war es erstmals möglich, Erdbeeren ökonomisch auf großen Feldern anzubauen. Die „Zeit“ bezeichnete von Sengbusch deshalb mal als „Papst der deutschen Erdbeerzucht“. Der Professor nutzte seine Erfindung auch selbst: Er gründete 1954 den Sengana-Erdbeerhof an der B 75/Hamburger Straße und baute die Früchte auf den umliegenden Feldern für den allgemeinen Verkauf an.
Der Professor hatte auch viele skurrile Einfälle
Die Erdbeere war nicht das einzige Forschungsinteresse des 1898 in Riga geborenen Mannes. Von Sengbusch war äußerst vielseitig und gilt als einer der bedeutendsten Pflanzenzüchter des 20. Jahrhunderts. Er hat 49 Sorten von elf verschiedenen Kulturpflanzenarten gezüchtet, darunter Riesenchampignons, nikotinarme Tabakpflanzen und weißköpfigen Spargel. Er machte Hanf faserreicher, veränderte den Spinat und forschte darüber, ob sich Nierensteine auflösen lassen. Doch nicht alles davon setzte sich durch. Eine seiner größten Leistungen war Experten zufolge die Umwandlung der bitteren Wildlupine in eine süße, eiweißhaltige Futterpflanze für Nutztiere und den Menschen.
Trotz der vielen Erfolge wurde von Sengbusch spöttisch der „Erfinder der grätenfreien Erdbeere“ genannt. Denn der Professor hatte viele Ideen, darunter auch sehr skurrile. So wollte er einen Karpfen ohne Gräten – genauer: ohne die beim Essen lästigen Zwischenmuskelgräten – züchten. In mehreren hundert Wasserbecken zog er auf dem Institutsgelände in Ahrensburg Fische groß und untersuchte sie auf die Anzahl ihrer Gräten. Dabei stellte er fest, dass es Unterschiede gab. Sein Plan, grätenarme Tiere zu kreuzen, führte letztlich aber nicht zum gewünschten Erfolg.
Seinen Erdbeerhof an der B 75 gibt es auch heute noch
Seiner Karriere schadeten auch solche Einfälle nicht – im Gegenteil. Der Wissenschaftler wurde Leiter des 1959 in Ahrensburg gegründeten Max-Planck-Instituts für Kulturpflanzenzüchtung. Mit 70 Jahren wurde zwangsweise er in den Ruhestand geschickt. Seine Zuchtexperimente setzte er aber fort – an seiner neuen privaten Forschungsstelle auf dem Erdbeerhof an der B 75. Erst mit 80 Jahren trat er aus gesundheitlichen Gründen kürzer. Am 13. Juni 1985 starb Reinhold von Sengbusch im Alter von 87 Jahren.
Der Erdbeerhof an der Landesgrenze zu Hamburg existiert immer noch. Horst Unger, ein ehemaliger Mitarbeiter des Wissenschaftlers, übernahm den Betrieb 1987. Inzwischen führt seine Tochter Doris Unger die Geschäfte. „Die Marke ,Senga Sengana’ gehört den Kindern des Professors“, sagt Doris Unger. „Aber wir sind die Generallizenznehmer und vermarkten sie nach außen.“ Allerdings bietet der Erdbeerhof die Sorte nicht mehr zum Verkauf an. „Die Früchte lassen sich heutzutage nicht mehr verkaufen, weil sie nach einem Tag matschig werden“, sagt Unger. „Wir machen deshalb nur noch eine Erhaltungszüchtung.“ Einige Tausend Pflanzen der „Senga Sengana“ wachsen auf ihren Feldern, sie werden „als Originale“ an andere Betriebe verkauft.
Im Stadtarchiv gibt es nur wenige Unterlagen über ihn
Im Ahrensburger Stadtarchiv gibt es nur wenige Unterlagen über von Sengbusch: ein paar alte Zeitungsartikel aus dem Hamburger Abendblatt, einige Fotos sowie Texte zu seinem 80. Geburtstag und seinem Tod. Ehrenamtliche Mitarbeiter haben die Informationen zusammengetragen. „Reinhold von Sengbusch ist leider gestorben, bevor es das Stadtarchiv gab, sonst hätten wir sicherlich mehr aufbewahrt“, sagt Stadtarchivarin Angela Behrens.
Bisher sei der Pflanzenzüchter in der Stadt nicht so bedacht worden, wie es vielleicht angemessen wäre. Allerdings sei immer mal wieder darüber nachgedacht worden, eine Straße in Ahrensburg nach ihm zu benennen. Bisher ist es dazu nicht gekommen. „Eine Zeit lang herrschte die Vorgabe, keine Personennamen mehr zu verwenden“, sagt Behrens. „Jetzt hat sich das zwar geändert, aber die Konkurrenz ist jedes Mal groß.“ Ausgeschlossen ist es aber nicht, dass der Erdbeer-Erfinder irgendwann seine eigene Straße bekommt.