Oststeinbek. Oststeinbekerin engagiert sich seit 34 Jahren für Bildung in Afghanistan – und fand in Marga Flader eine Mitstreiterin.

61 Schulen mit Klassenräumen für 66.700 Schüler – das ist die Bilanz aus 34 Jahren Einsatz in einem krisengeschüttelten und von zahlreichen Kriegen zerstörten Land. 1984 gründete die heute 93-jährige Ursula Nölle den Verein „Afghanistan-Schulen“. Heute ist sie Ehrenvorsitzende – ihre Liebe zu dem Land und ihr Engagement sind ungebrochen. Vor drei Jahren, im Alter von 90 Jahren, reiste sie zuletzt nach Afghanistan. Wie oft sie insgesamt dort war? „Am Anfang bin ich einmal im Jahr gefahren, irgendwann dann zweimal. Ich habe es nicht gezählt“, sagt sie.

Tochter weckte bei Frau Nölle die Begeisterung für das Land

Die Begeisterung für das Land am Hindukusch habe sie von ihrer Tochter, der Orientalistin Christine Nöelle-Karimi, die unter anderem Farsi spricht, mit einem Afghanen verheiratet ist und heute am Institut für Iranistik in Wien lehrt. Begonnen hat dann alles in Pakistan. Christine, die 1983 in Lahore studierte, habe zu ihrer Mutter gesagt: „Nicht auf der Landkarte angucken, sondern kommen.“ Gesagt, getan.

Ursula Nölle beim Besuch einer Schule in Afghanistan
Ursula Nölle beim Besuch einer Schule in Afghanistan © Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan

Auf ihrer Reise besuchte sie mit ihrer Tochter ein Flüchtlingslager im pakistanischen Peschawar nahe der afghanischen Grenze. „Das hat mich derart berührt, dass ich beschlossen habe zu helfen“, sagt Nölle und begann, den Aufbau einer Mädchenschule im Lager zu unterstützen. Der Grundstein für den Verein war gelegt.

Mit dem Abzug der sowjetischen Truppen im Jahr 1988 fing die Vereinsarbeit dann in Afghanistan an. „Der Anfang war schwer“, sagt sie. Geldgeber mussten gefunden, das Auswärtige Amt überzeugt werden. In den 90er-Jahren habe sie überall in Deutschland Vorträge gehalten, um Unterstützer zu gewinnen. Eine Person konnte sie mit ihrem Einsatz besonders überzeugen: Marga Flader, die seit 2003 den Vereinsvorsitz innehat. „Ich habe sie infiziert“, sagt Ursula Nölle und lacht dabei. Und auch Marga Flader spricht vom „Afghanistan-Virus“: „Wenn man den einmal hat, wird man ihn nicht mehr los.“ Die beiden Frauen, die in Oststeinbek wohnen, sind Nachbarinnen. Auch Marga Flader reist seit nunmehr 20 Jahren mindestens einmal im Jahr nach Afghanistan, gerade erst ist sie von ihrer letzten Reise zurückgekehrt. „Morgens habe ich dort noch gefroren und abends in Deutschland geschwitzt. Normalerweise ist es andersherum“, sagt die 63-Jährige.

1998 begleitete sie Ursula Nölle das erste Mal. „Das war für mich sehr wichtig. Ich hatte schon seit 1990 für den Verein gearbeitet und dachte mir, jetzt muss ich sehen, für wen ich arbeite“, sagt sie. Ob sie keine Angst gehabt habe? „Angst hatte ich nie. Ich habe nur einmal gedacht, dass wir verrückt sind, als wir in der Wüste waren und nicht wussten, wie wir weiterkommen“, sagt Flader und fügt hinzu: „Das Schicksal hat es immer gut mit uns gemeint.“ Das sieht auch Nölle so, die sagt: „Ich habe immer großes Glück gehabt.“ Dennoch seien sie immer vorsichtig, betont Flader. „Es gibt Organisationen, die einen in Sicherheitsfragen beraten. Die kennen die Situation vor Ort.“

Auf die Bildung von Mädchen legt der Verein großen Wert

Ein besonderes Augenmerk hat der Verein auf die Schulbildung von Mädchen gelegt. Die Taliban hatten bei ihrer Machtübernahme alle Mädchenschulen geschlossen. Vor allem auf dem Land, rund um den Bezirk Andkhoi, wo der Verein neben der Stadt Mazar-i-Sharif hauptsächlich tätig ist, sei es besonders schwer gewesen, Schulen für Mädchen durchzusetzen, sagt Nölle. „Frauen galten da nichts. Das waren große Kämpfe mit den Vätern.“ Dadurch, dass ihre Tochter die Sprache spricht, sei ihr jedoch großes Zutrauen entgegengekommen. „Das war ein großer Vorteil“, sagt sie. Das Resultat: „Fast alle Schulen in Andkhoi haben wir gebaut“, so Marga Flader, und: „Der Anteil an Mädchen- und Jungenschulen ist dort fast gleich.“

Die Hoffnung für die Zukunft des Landes lautet Frieden

Auch ein Frauen- sowie ein Ausbildungszentrum sind in Andkhoi entstanden, denn der Verein legt zudem großen Wert auf Weiterbildung. „Die Geschichte geht einfach immer weiter. Wir können in Afghanistan etwas bewirken, was wir hier nicht können“, sagt Flader. Die Liste ist lang. Bewirkt haben Ursula Nölle und Marga Flader mit ihrem Verein in den vergangenen 34 Jahren bereits einiges. Und dass, obwohl beide Frauen nebenbei jahrelang berufstätig waren. Ihre Hoffnung für die Zukunft? „Frieden“, sagt Ursula Nölle. „Und die junge Generation.“ Dem stimmt auch Marga Flader zu. Dennoch hoffen die beiden Frauen nicht nur, sie machen auch. Nölle: „Wir haben eine ganze Generation geschaffen, die lesen, schreiben und denken kann. Ich wünsche mir, dass die mal an die Macht kommen.“

Wer den Verein aktiv oder mit Geld unterstützen will, kann sich per E-Mail unter info@afghanistan-schulen.de melden. Weitere Infos im Internet: www.afghanistan-schulen.de