BAd Oldesloe/Reinbek. Notaufnahmen in Reinbek und Bad Oldesloe stoßen an Grenzen. Patienten werden in entfernte Kliniken gefahren. Welche Lösungen gibt es?
Plötzliche Atemnot, ein schwerer Verkehrsunfall oder ein Herzinfarkt – in diesen und vielen anderen Notfällen zählt oft jede Minute, um das Leben eines Menschen zu retten. Doch immer häufiger sind die Notaufnahmen und Intensivstationen der Krankenhäuser überfüllt. Die Folge: Die Krankenhäuser melden der 112-Notrufzentrale einen Aufnahmestopp.
So hat die Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe in den ersten drei Monaten dieses Jahres 16 Mal die Notaufnahme vorübergehend schließen müssen. Und 31 Mal meldete die Klinik sogar, dass die Intensivstation keine Patienten mehr aufnehmen kann. In Reinbek war die Situation sogar noch deutlich dramatischer: 44 Mal meldete sich das St. Adolf-Stift in den ersten drei Monaten bei den Disponenten der Rettungsleitstelle und kündigte einen Aufnahmestopp an. 58 Mal wurde sogar die Intensivstation für neue Patienten gesperrt.
In besonders dramatischen Fällen wird der Stopp ignoriert
Andreas Rehberg, Leiter des Fachbereichs Sicherheit und Gefahrenabwehr beim Kreis Stormarn, erklärt: „Die Notaufnahmen sind oft nur für wenige Stunden gesperrt. Länger dauert hingegen ein Aufnahmestopp für Intensivstationen.“ Die Folge: Wird in einer solchen Situation der Notrufzentrale in Bad Oldesloe ein Notfall gemeldet, müssen die Mitarbeiter Plätze in Krankenhäusern außerhalb von Stormarn finden. „So kann es vorkommen, dass ein Patient aus Bargteheide nicht in die Klinik in Bad Oldesloe kommt, sondern der Rettungswagen bis nach Lübeck fahren muss“, erklärt Rehberg.
In besonders dramatischen Fällen, wie bei einem Herzinfarkt, werde trotz eines Aufnahmestopps die nächste Klinik angefahren. „Dies entscheidet der Notarzt“, sagt Rehberg. Zwar seien dort keine Betten frei, der Patient werde aber in der Klinik stabilisiert und dann in ein anderes Krankenhaus gebracht. In bestimmten Notlagen könnten die Patienten auch per Rettungshubschrauber in ein weiter entferntes Krankenhaus geflogen werden.
Kreis Stormarn sieht dringenden Handlungsbedarf
Auch wenn es bislang noch nicht zu schwerwiegenden Folgen für die Patienten wegen eines Aufnahmestopps gekommen sei, sieht Rehberg einen dringenden Handlungsbedarf. „Vor Kurzem haben wir mit der Klinik in Bad Oldesloe Gespräche geführt, wie wir die Situation verbessern und die Zahl der Aufnahmestopps reduzieren können.“ Dabei seien Vereinbarungen getroffen worden, damit die Abstimmung bei Krankentransporten verlässlicher werden sollen.
Das Problem: „Zum Beispiel bestellt die Klinik einen Krankenwagen, um einen Patienten nach Hause oder in ein anderes Krankenhaus zu verlegen. Sind alle Autos im Einsatz, kann es passieren, dass der Patient drei Stunden in der Klinik warten muss“, sagt Rehberg. Dabei könnte er ein Bett blockieren, das gebraucht werde, um einen Platz in der Intensivstation freizumachen. Auch mit dem Krankenhaus in Reinbek seien solche Vereinbarungen geplant.
Krankenhäuser begrüßen den Vorstoß des Kreises
Die Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe begrüßt die Initiative des Kreises. Denn eine Erweiterung von Notaufnahme oder Intensivstation können die Krankenhäusern nicht selbst veranlassen. Wie viele Betten ein Krankenhaus hat und wie groß die Intensivstation ist, wird vom Gesundheitsministerium in Kiel bestimmt. So sind im Krankenhausplan für die Asklepios-Klinik in der Kreisstadt 163 Betten vorgesehen, davon acht für die Intensivstation. Für das Krankenhaus Reinbek sind 351 Planbetten festgelegt worden, 15 davon in der Intensivstation.
Doch immer häufiger stößt dieses System an seine Grenzen. „In einigen Phasen fehlen Reserven“, sagt Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz. Auch das Reinbeker Krankenhaus bestätigt, dass die Auslastung der Intensivstation sowie weiterer spezieller Stationen, in denen Patienten überwacht werden, in der Regel bei hundert Prozent liege.
Gesundheitsministerium spricht von einem „Ausreißer“
Das Gesundheitsministerium in Kiel spricht bei der hohen Zahl von Aufnahmestopps in den beiden Stormarnern Kliniken von einem „Ausreißer“. Sprecher Frank Strutz-Pindor: „Diese sind maßgeblich auf die inzwischen abklingende Grippewelle zurückzuführen.“ Im ersten Quartal 2018 seien davon deutlich mehr Menschen betroffen gewesen als im Vorjahresquartal. „Für die Krankenhäuser schlug sich dies mit einem deutlich erhöhten Patientenaufkommen bei gleichzeitig ebenfalls deutlich erhöhtem Krankenstand des Personals nieder“, sagt Strutz-Pindor.
Doch allein mit der Grippewelle lassen sich die Aufnahmestopps offenbar nicht erklären. So hat die Rettungsleitstelle in Bad Oldesloe 2017 mit 68.735 Notfällen, rund 4400 Einsätze mehr als im Vorjahr koordiniert. In der Oldesloer Asklepios-Klinik sind im ersten Quartal dieses Jahres zehn Prozent mehr Notfallpatienten registriert worden, als im gleichen Vorjahreszeitraum. „Besonders auffällig ist der Anstieg der Patienten mit besonders schweren Erkrankungen“, sagt Mathias Eberenz und fügt hinzu: „Die Zahl der Patienten mit einem Schlaganfall stieg um 20 Prozent, und bei den Herzinfarktpatienten betrug die Steigerung sogar 60 Prozent.“
Bettenzahl soll erhöht werden, wann genau, ist unklar
Ähnlich sieht es in Reinbek aus: Dort sind in den ersten drei Monaten dieses Jahres 156 Herzinfarktpatienten eingeliefert worden. Im ersten Quartal 2017 waren es 124. Die Zahl der Schlaganfallpatienten stieg von 29 auf 39.
Diesbezüglich hat offenbar auch das Ministerium in Kiel einen Handlungsbedarf erkannt. „Vor dem Hintergrund der demografiebedingten Entwicklung ist eine Erhöhung der Bettenzahl in den Intensivstationen Bestandteil der Landes-Krankenhausplanung“, sagt Frank Strutz-Pindor. Wann genau dieser Plan umgesetzt wird und ob auch im Kreis Stormarn die Intensivstationen vergrößert werden, ist allerdings unklar.
Portalpraxen sollen Notaufnahmen entlasten
Klar ist hingegen, dass auch in anderen Kreisen und Städten Aufnahmestopps in Kliniken den Rettungsdienst vor Probleme stellen. So wurden im Februar und März überdurchschnittlich viele Influenza-Patienten per Rettungswagen nach Reinbek gebracht. „Stormarn und Reinbek waren zwar nicht so stark betroffen, aber in Hamburg und im Herzogtum Lauenburg waren die Notaufnahmen gesperrt, sodass die Patenten zu uns kamen“, sagt Andrea Schulz-Colberg, Sprecherin des St. Adolf-Stifts. Dieser Zustand zieht ein weiteres Problem nach sich: „Wegen weiterer Wege sind Rettungswagen viel länger an einen Einsatz gebunden“, sagt Fachdienstleiter Andreas Rehberg.
Damit sich die Situation allgemein in den Notaufnahmen entspannt, fordert Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) vom Bund die gesetzliche Grundlage für die Einrichtung sogenannter Portalpraxen, bei denen ein niedergelassener Arzt an die Notaufnahme angeschlossen ist. Am Empfangstresen der Notaufnahme wird entschieden, ob der Patient in die Notaufnahme oder in die Arztpraxis kommt. „Dies würde zu einer erheblichen Entlastung der Notaufnahmen beitragen“, so der Minister. Denn in den Krankenhäusern würden Patienten registriert, die nach ihren Symptomen keiner Krankenhausbehandlung bedürfen. In Reinbek ist eine Portalpraxis bereits in Planung und könnte 2020 zusammen mit der neuen im Bau befindlichen Notaufnahme eröffnen.