Ahrensburg. Geburtshelferinnen warnen vor Mangelversorgung, weil der Nachwuchs für den Beruf fehlt. Grund seien die schlechten Bedingungen.
Hebammen im Kreis Stormarn sehen ihren Berufsstand gefährdet und warnen vor einer erheblichen Mangelversorgung. Wer sich nicht bereits mit einem positiven Schwangerschaftstest bei einer Hebamme anmelde, habe kaum mehr eine Chance auf die individuelle Betreuung im Wochenbett, heißt es aus Stormarner Hebammenpraxen. Bereits jetzt müsse in Städten wie Ahrensburg oder Bad Oldesloe die Hälfte der werdenden Mütter abgewiesen werden. Aber auch in Bargteheide oder Reinfeld sei die Situation alarmierend. Schuld seien die gestiegenen Versicherungsprämien sowie schlechte Bezahlung der Betreuungsleistungen, was den Beruf immer unattraktiver werden lasse. Weil zusätzlich immer mehr Hebammen in den Ruhestand gingen, könne die Versorgung der geburtenreichen Gebiete im Hamburger Speckgürtel nicht mehr gewährleistet werden.
„Ich habe meiner Tochter ganz klar von meinem Beruf abgeraten – obwohl es wunderschön ist, Frauen bei der Bildung einer Familie zu unterstützen“, sagt Petra Falkenberg. „Nur wer keine Ansprüche hat und von seinem Mann abhängig sein möchte, kann heute als Hebamme arbeiten.“
30 Minuten pro Besuch können abgerechnet werden
Vor 18 Jahren startete sie zusammen mit zwei weiteren Hebammen die Praxis in Ahrensburg. Mittlerweile arbeiten sie zu fünft – Kurse und der Terminkalender seien stets voll ausgebucht. Was am Ende des Monats unter dem Strich übrig bleibe, sei jedoch nicht zufriedenstellend.
„Es liegt am System“, sagt ihre Kollegin Sigrid Jungmann-Buchholz. „Wir betreuen die Frauen nach der Geburt zu Hause und müssen lange Fahrtzeiten in Kauf nehmen. Zusätzlich können wir aber nur bis zu 30 Minuten pro Besuch abrechnen – der Rest ist Freizeit.“ Diese Taktung sei jedoch unrealistisch, da jede Frau ihre individuellen Probleme und Fragen rund um das Baby mitbringe.
Kosten für Versicherung sind erheblich gestiegen
Ein weiteres Manko sei der gestiegene Satz für die Haftpflichtversicherung. Während sich eine Hebamme 1981 noch für 30,68 Euro versichern konnte, registrierte die Initiative „Hebammen für Deutschland“ 2010 einen Anstieg der Prämie um 55,6 Prozent – ohne eine angepasste Steigerung der Hebammenvergütung. Seit 2017 liegt der Satz nach der letzten Erhöhung bei 7639 Euro pro Jahr. Es gebe zwar die Möglichkeit, Zuschüsse zu beantragen. Doch diese reichten nach Ansicht der Hebammenverbände bei weitem nicht aus, um die steigenden Kosten zu decken. Ebenso wenig wie die neueste Honorarerhöhung von 17 Prozent im vergangenen Jahr.
Wie groß der Mangel an Hebammen genau ist, lässt sich nur schwer beziffern. Auf der so genannten Landkarte der Unterversorgung des Deutschen Hebammenverbandes DHV (https://www.unsere-hebammen.de/mitmachen/unterversorgung-melden/) haben sich bisher 18.430 Suchende eingetragen – davon mehr als 70 allein im Kreis Stormarn.
Bald als Studium?
„Eine offizielle Erhebung gibt es nicht“, sagt Maike Pagel, zweite Vorsitzende des Hebammenverbands Schleswig-Holstein e.V. 685 Mitglieder zählt der Verein, davon 43 im Kreis Stormarn. „Allerdings sind nicht alle Hebammen bei uns gemeldet“, so Pagel. „Und selbst von denen wissen wir nicht, ob sie in Kliniken, freiberuflich oder nur nebenbei arbeiten.“ Laut Maike Pagel sei der Mangel nicht in der Zahl der Hebammen, sondern deren Kapazitäten begründet. Denn während vor 20 Jahren noch viele neben ihrer Arbeit in einer Klinik Hausbesuche gemacht hätten, nehme diese außerklinische Betreuung immer mehr ab. „Wir suchen nach einem Konzept, um junge Kolleginnen zu aktivieren“, sagt Maike Pagel. „Aber durch die gestiegene Arbeitsbelastung an den Krankenhäusern und dem Wunsch nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance haben wir kaum eine Chance.“
Immer weniger Frauen wollen Hebamme werden
Auch Petra Falkenberg sagt: „Junge Hebammen, die rechnen können, gehen lieber ins Krankenhaus.“ Die freiberufliche Ausübung ihres Berufes lohne sich schon lange nicht mehr. „Hinzu kommt der gestiegene Aufwand für die Dokumentation, welche neuerdings von den Krankenkassen gefordert wird.“ Dies habe zur Folge, dass immer weniger Frauen den Beruf erlernen wollten. „Damals gab es 1000 Bewerber auf 20 Plätze“, so Jungmann-Buchholz. „Heute sind es lediglich 50 bis 100.“
Die Auswirkungen seien bereits heute spürbar. Einige Frauen fänden auch nach zahlreichen Telefonaten keinen freien Platz und müssten bei Problemen den Frauen- oder Kinderarzt aufsuchen. Während eine Hebamme bei einem Milchstau oder einer beginnenden Wochenbettdepression schnell helfen könne, kämen Frauen so vermehrt in die Klinik. „Gerade im Wochenbett ist die Ruhe zu Hause besonders wichtig“, sagt Sigrid Jungmann-Buchholz. „Zusätzlich trifft die Unterversorgung vor allem die Frauen, die durch das soziale Netz fallen und Hilfe besonders dringend nötig haben.“