Bad Oldesloe. Viele Kunden sind verunsichert, Autohänder verzeichnen einen Absatzrückgang. Doch der ADAC warnt vor einer „Panikmache“.
Das Urteil steht fest: Diesel-Fahrverbote sind zulässig. Doch was bedeutet die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes für Autofahrer und -händler in Stormarn? „Die Verunsicherung bei den Kunden ist deutlich zu spüren“, sagt Lorenz Schröder, Inhaber des gleichnamigen Autohauses in Bad Oldesloe. „Das hat sich nach dem Urteil nochmal verstärkt.“ Die Folge: Kaufinteressenten haben einen erhöhten Informationsbedarf.
„Der Beratungsaufwand ist höher. Vor allem bei Neufahrzeugen“, sagt Christian Born, Geschäftsführer des Autohauses Wilken in Reinbek. Das sieht auch Lorenz Schröder so, zu dem viele Kunden kämen, die ihren Diesel loswerden und Eintauschprämien erhalten wollen – selbst dann, wenn „die von den Fahrverboten gar nicht betroffen sind“. So gäbe es auf Stormarns Straßen bereits viele Dieselfahrzeuge mit der zulässigen Abgasnorm Euro 6. Viele Kunden wüssten das aber nicht. Schröder sei „genervt davon, dass alle fragen“.
Zahl der Dieselfahrzeuge steigt in Stormarn seit 2016 an
Neben der Verunsicherung mache sich die Debatte um drohende Fahrverbote auch beim Absatz bemerkbar. „Die Nachfrage hat nachgelassen. Ich verkaufe weniger Diesel-Fahrzeuge als vor dem Skandal“, so Schröder. Und auch Christian Born sagt: „Die Diesel-Diskussion nagt am Geschäft.“
In der Kfz-Zulassungsstelle in Bad Oldesloe ist von der Verunsicherung der Dieselfahrer und dem schwindenden Absatz nichts zu spüren. „Wir registrieren bisher keinen Rückgang“, sagt Dirk Willhoeft, Fachdienstleister der Behörde. Im Gegenteil. In Stormarn sind laut Zulassungsstelle 199.253 Fahrzeuge registriert, von denen 71.000 einen Dieselantrieb haben. Damit sei ein Anstieg von 1000 registrierten Dieselfahrzeugen im Vergleich zum Ende des Jahres 2016 zu verzeichnen. Willhoeft hat dafür eine Erklärung: „Im ländlichen Bereich machen sich die Autofahrer keine Sorgen.“ Das liege vor allem daran, dass die Grenzwerte in Stormarn nicht überschritten werden. „Wir können überall hinfahren“, sagt er und lacht.
In Stormarn werden Schadstoffbelastungen seit 2013 jedoch nur an einer Strecke gemessen: An der Möllner Landstraße in Glinde im Bereich der Sandweg-Kreuzungen. Dennoch schade die Debatte um Fahrverbote dem Diesel, sagt Werner Blohm, Sprecher der Kfz-Innung Stormarn. „Der Diesel hat einen Wertverlust erfahren.“ Davon seien vor allem die Kunden betroffen. „Wenn jemand sein Auto in Zahlung geben möchte, bekommt er weniger Geld“, sagt Blohm, der auch Inhaber des Autohauses Karl Blohm in Bad Oldesloe ist. In seiner Firma liege der Schwerpunkt zwar nicht beim Verkauf von Dieselfahrzeugen, dennoch habe er den Bestand seit Beginn der Debatte verringert. „Der Fokus liegt auf Verbrennern.“
Ankauf von Diesel-Gebrauchtwagen stellt für Händler Risiko dar
Eine Entscheidung, mit der er nicht allein ist. Vor allem Gebrauchtwagen stellten ein Risiko für Autohändler dar. Christian Born sagt: „Ich kaufe keine gebrauchten Diesel mehr dazu.“ Auch den Lagerbestand dieselbetriebener Neuwagen habe er seit Beginn des Skandals im Jahr 2016 um 70 Prozent reduziert. Er kritisiert, dass bei Kaufentscheidungen häufig nicht mehr nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt werde, „sondern aus Angst und Unsicherheit“.
Auf weiten Strecken sei der Diesel jedoch „immer noch besser“, so Born. Das bestätigt auch Werner Blohm von der Kfz-Innung, der sagt, dass Diesel-Autos für Vielfahrer nach wie vor interessant seien. „Über lange Strecken ist der Diesel von den Kosten und vom CO2-Ausstoß besser als jeder Benziner.“ Der ADAC weiß von der Verunsicherung vieler Autofahrer, die sich mit ihren Fragen häufig an den Automobilclub wendeten. „Was mache ich mit meinem alten Diesel? Kann ich überhaupt noch einen neuen kaufen? Das sind Dauerbrenner bei uns“, sagt Hans Pieper vom ADAC Hansa auf Anfrage des Abendblattes. Seine Prognose: „Es ist davon auszugehen, dass die Preise weiter fallen.“ Vor allem Diesel-Autos mit einer Euro-5-Norm oder schlechter erleideten einen „Wertverlust“. Dennoch rät der ADAC: „Nicht in Panik verfallen und fluchtartig verkaufen.“ Diesel-Fahrer sollten ihre Wagen zunächst behalten und weiterfahren.
Nachrüsten statt Verbote aussprechen, rät der ADAC
„Wir setzen uns für Hardware-Nachrüstungen ein“, sagt Pieper. Mögliche Lösungen für solche Nachrüstungen habe der ADAC bereits erfolgreich getestet. „Die Gesundheit steht an erster Stelle“, so Pieper. Dennoch: „Fahrverbote sollten das letzte Mittel sein.“ Es könne seiner Meinung nach nicht sein, dass die Verbraucher die Leidtragenden sind. „Die Autofahrer zahlen die Zeche für die Versäumnisse der Politik und der Autohersteller.“ Das kritisiert auch Christian Born vom Autohaus Wilken: „Die Hersteller sollten Strafe zahlen, doch durch das Urteil zahlt am Ende der Kunde.“
Ob durch die Diesel-Diskussion weniger Rabatte auf Benziner gegeben werden? „Nein. Das stimmt nicht. Die Rabatte sind gleich“, sagt Autohändler Lorenz Schröder. Und auch Blohm gibt Entwarnung: „Wir müssen Rabatte geben. Das ist unser Geschäft.“ Christian Born vom Autohaus Wilken glaubt, dass sich die Debatte künftig auf den Verkauf von Benzinern auswirken könnte, bislang sei das jedoch nicht der Fall.
Werner Blohm von der Stormarner Kfz-Innung plädiert für eine „Versachlichung der Diskussion“, um die Unsicherheiten bei Händlern und Kunden zu beseitigen. Sein Appell: Wir brauchen klare Ansagen aus Berlin.“
Aktuelle Messwerte: Sie interessieren sich für die Stickoxidwerte in ihrer Kommune? Infos unter www.luft.schleswig-holstein.de.
Infos zu Fahrverboten und die Empfehlung des ADAC für Dieselfahrer finden Sie unter www.adac.de/der-adac/rechtsberatung/fahrzeugkauf-und-verkauf/abgasskandal-dieselthematik/dieselfahrverbot-faq/