Lütjensee/Siek/Steinburg. Land hat Sondergenehmigungen für drei Teststrecken im Kreis nicht verlängert. Gutachter hofft nun auf die Große Koalition in Berlin.

Die Fahrradschutzstreifen auf drei Stormarner Kreisstraßen sollen wieder verschwinden. „Wir haben den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr angewiesen, einen Auftrag für die Demarkierung auszuschreiben“, sagt eine Sprecherin der Stormarner Straßenverkehrsbehörde. Grund ist, dass die Sondergenehmigung für die sogenannten Schutzstreifen von der obersten Verkehrsbehörde, dem Ministerium in Kiel, nicht verlängert wurde. Somit sind die Fahrradstreifen rechts und links auf den Fahrbahnen seit Anfang des Jahres rechtswidrig. Die Straßenverkehrsordnung sieht sie nämlich außerorts nicht vor.

Wie berichtet, war die neue Verkehrsführung ein Pilotprojekt. Es wurde 2013 gestartet. Auf der Kreisstraße 98 zwischen Lütjensee und Oetjendorf, auf der K 97 von Siek bis Hoisdorf und auf der K 79 zwischen Eichede und Barkhorst wurden am Rande der Fahrbahnen beidseitig 1,30 bis 1,50 Meter breite Fahrradstreifen mit einer gestrichelten weißen Linie markiert. Die Kosten, etwa 5000 Euro pro Kilometer, hat damals der Kreis übernommen. Die längste Strecke (K 98) ist 3,1 Kilometer lang.

Lübecker Planungsbüro betreute Teststrecken

Zwischen den Schutzstreifen befindet sich die etwa drei Meter breite Kernfahrbahn für Autofahrer. Weil diese jedoch für zwei aneinander vorbeifahrende Wagen zu schmal ist, müssen Autofahrer bei Gegenverkehr auf den Schutzstreifen ausweichen – was natürlich nur möglich ist, wenn dort kein Radfahrer unterwegs ist. Dieser soll von der Verkehrsführung profitieren.

Ob die Schutzstreifen tatsächlich für mehr Sicherheit sorgen, haben Gutachter im Auftrag des Bundes 2014 untersucht. In Deutschland wurden 15 Teststrecken von drei Gutachterbüros ausgewertet. Ziel war es, die Schutzstreifen, die außerorts in den Niederladen und Dänemark schon etabliert sind, auch in Deutschland einzuführen.

Die drei Stormarner Teststrecken wurden vom Planungsbüro Urbanus in Lübeck betreut. „Wir haben festgestellt, dass die Interaktion zwischen Auto- und Radfahrern viel bewusster ist“, sagt Gutachter Peter Krausse, der das Projekt betreut und freiberuflich für das Planungsbüro arbeitet. Sein Fazit: „Die Schutzstreifen sorgen für mehr Sicherheit.“ Dafür haben die Experten Interviews mit Radfahrern geführt. „Diese fühlen sich wieder gleichberechtigt“, sagt Krausse. Zudem trauten sich viele Radfahrer erst auf die Kreisstraßen, seit es dort diese Schutzstreifen gibt. Hinzu komme, dass sich aufgrund der Schutzstreifen bisher kein einziger Unfall ereignet habe.

Lütjensees Bürgermeisterin bezeichnet Schutzstreifen als „Segen“

Ulrike Stentzler ist Bürgermeisterin in Lütjensee
Ulrike Stentzler ist Bürgermeisterin in Lütjensee © HA | Henrik Bagdassarian

Auch Ulrike Stentzler, Bürgermeisterin in Lütjensee, zog schon Ende 2016 ein positives Fazit und bezeichnete die Schutzstreifen als einen „Segen für Radfahrer“. Sie hoffe, dass „die Streifen bleiben“. Genauso wie Peter Krausse. Er sagt: „Überall dort, wo es keine Möglichkeit gibt, einen Fahrradweg zu bauen, sind die Schutzstreifen sinnvoll.“

Bereits im Frühjahr 2016 legten die Gutachter ihren Bericht dem Bundesverkehrsministerium vor. „Doch offenbar passte den Verantwortlichen das Ergebnis nicht“, mutmaßt Krausse. Diese hätten Änderungswünsche gehabt, die das Ergebnis verfälscht hätten. „Das war schon nicht mehr vertretbar“, so der Gutachter. Letztendlich ist der Bericht vom Ministerium nicht veröffentlicht worden. Warum? Darauf gab das Bundesministerium trotz mehrfacher Abendblatt-Anfrage keine Antwort. Aus dem Verkehrsministerium in Kiel hieß es zur Begründung, weshalb die Sondergenehmigung nicht verlängert wurde: „Aus einem Verkehrsversuch darf kein Dauerzustand werden.“ Sprecherin Birte Pusback fügt noch hinzu: „Da sich die Auswertung der Ergebnisse dieses bundesweiten Versuchs hinausgezögert hat, wurde die Sondergenehmigung in den vergangenen Jahren erst einmal verlängert. Das geht jedoch nicht auf Dauer so weiter.“

Koalitionsvertrag befürwortet Schutzstreifen für Radfahrer

Gutachter Peter Krausse am Fahrradschutzstreifen außerorts auf der K98 zwischen Oetjendorf  und Lütjensee
Gutachter Peter Krausse am Fahrradschutzstreifen außerorts auf der K98 zwischen Oetjendorf und Lütjensee © HA | Dorothea Benedikt

Laut der Stormarner Verkehrsbehörde und Gutachter Peter Krausse ist Schleswig-Holstein damit das einzige Bundesland, das die Sondergenehmigung für Fahrradstreifen außerorts nicht erneut verlängert hat. Dennoch hat Krausse jetzt Hoffnung, dass die Streifen bleiben und bezieht sich auf den Entwurf des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD. Darin ist unter anderem zu lesen: „Die Umsetzung von verkehrssicherheitserhöhenden Projekten, wie zum Beispiel Schutzstreifen für Radfahrer außerorts, wollen wir unterstützen.“

Bilden CDU, CSU und SPD auch weiterhin die Bundesregierung, könnte die Straßenverkehrsordnung entsprechend geändert werden. Laut Stormarner Verkehrsbehörde kann ein solcher Beschluss auch die Schutzstreifen in Stormarn retten: „Im Winter wird nicht demarkiert, und die Ausschreibung dürfte noch Zeit in Anspruch nehmen.“

Wie viel die Demarkierung und das anschließende Auftragen des Mittelstreifens kostet, kann Jens Sommerburg, LBV-Chef in Lübeck, noch nicht sagen, da die Ausschreibung noch nicht auf dem Markt sei.