Bargteheide. Im Kleinen Theater stellten Bewerber ab 65 Jahre ihre Bühnentauglichkeit unter Beweis. Zum Casting hatte das Oldie Kabarett geladen.
Hinter der schweren Eisentür, die den Weg zur Bühne des Kleinen Theaters in Bargteheide versperrt, ist leises Stimmengewirr zu vernehmen. Hin und wieder auch ein Lachen. Nach und nach füllt sich der Vorraum mit Besuchern. Unter ihnen ist auch Astrid Janßen-Schadwill. So wie die Frau aus Bad Oldesloe sind alle anderen gekommen, um sich für einen Platz im Bargteheider Oldie Kabarett zu bewerben. Es ist Casting-Zeit.
Auf der noch im Halbdunkel gelegenen Bühne steht ein Flügel, dahinter stehen sechs Stühle im Halbkreis. Larissa Pintora, seit vier Wochen neue musikalische Leiterin des Bargteheider Oldie-Kabaretts, öffnet die Tür. „Hereinspaziert. Ich bin Larissa. Wir duzen uns hier alle“, ruft sie wie selbstverständlich den Wartenden entgegen. Mit ihr empfangen die neun alten Oldies die Neuankömmlinge.
Unter den 13 Anwärtern fürs Kabarett ist nur ein Mann
Die Atmosphäre ist gelöst. Kaffee und Wasser stehen bereit, schließlich müssen die Stimmbänder geschmeidig gehalten werden. Von Lampenfieber und Konkurrenzgehabe keine Spur. „Mit dem Alter und der Lebenserfahrung kommt auch die Gelassenheit“, sagt Lutz Bartels. Der 76-Jährige ist der einzige Mann unter den Casting-Teilnehmern, doch das kümmert ihn wenig. „Los geht’s Mädels“, ruft er, als er als Erster die Bühne betritt.
Mittlerweile sind 13 Bewerber im Kleinen Theater angekommen. Eifrig werden immer mehr Stühle auf die Bühne gestellt. „Ich bin überrascht, wie viele unserem Aufruf gefolgt sind“, sagt Gunda Herrmann (71). Sie gehört seit sieben Jahren zum festen Ensemble des Oldie-Kabaretts und kümmert sich um den reibungslosen Ablauf des Castings. „Am Anfang ist man noch aufgeregt, mittlerweile genieße ich jeden Moment auf der Bühne“, sagt Herrmann, die selbst über ein Casting den Weg ins Team gefunden hat.
Bartels singt Kreislers Telefonbuchpolka
Angst vor ihrem Auftritt scheinen die zwölf Frauen und der eine Mann nicht zu haben. Sie sitzen im Kreis, unterhalten sich und scherzen miteinander. Mutig, ohne Zögern, stellt sich Lutz Bartels als Erster auf die Bühne. Er hat die Telefonbuchpolka von Georg Kreisler für seinen Auftritt gewählt. Eine schwierige Performance. Doch mit jedem Wort wird sein Eifer größer, bis er kaum noch zu stoppen ist.
„Danke, das reicht. Es warten noch viele Bewerber“, ertönt es irgendwann aus dem Publikum. Dort haben die Ensemble-Mitglieder Platz genommen, verfolgen interessiert und mit geschultem Auge jeden Auftritt. Rolf Petersen hält alle Beiträge auf Video fest. „So fällt die Entscheidung am Ende leichter“, sagt der 77-Jährige. Auch er ist schon seit 13 Jahren dabei. „Stets der jugendliche Liebhaber auf der Bühne“, sagt er. Das ist, wie er findet, nicht die schlechteste Rolle.
Die neuen Oldies sind vielseitig
Als nächstes ist Astrid Janßen-Schadwill an der Reihe. Vorsichtig wird sie von Larissa Pintora nach ihrem Alter gefragt. Schließlich richtet sich das Casting an Bewerber ab 65 Jahre. „Ich bin 75 Jahre“, sagt die rüstige Rentnerin und lacht. Zum Beweis zückt sie flink ihren Personalausweis und erntet ungläubiges Staunen. Keiner hätte vermutet, dass sie überhaupt schon 65 Jahre alt ist. Humorvoll und ein wenig schlüpfrig erzählt sie über die Herkunft und das Leben zweier Putzlappen. Ihr Lohn: Viele Lacher und reichlich Applaus von ihren Mitstreitern. Immer wieder bittet Pintora die Casting-Teilnehmer für eine Gesangseinlage an das Klavier. Und auch da ist die Souveränität der Oldies bewundernswert. Trotz des einen oder anderen schiefen Tons oder eines dünnen Stimmchens – der Nachwuchs lässt sich in seinen Darbietungen nicht erschüttern.
Es können schließlich nicht alle so professionell singen wie Bärbel Schweinsberger. Die 76-Jährige aus Nahe ist festes Mitglied im Hamburger „Heaven can wait“-Chor und hat schon reichlich Bühnenerfahrung gesammelt. Lutz Bartels sagt selbstbewusst: „Es wäre doch gelacht, wenn wir uns in unserem Alter noch verunsichern lassen würden.“ Dass auch die neuen Oldies auf Zack sind, beweist ihre Musikauswahl. Von Stücken der „Fanta 4“ bis zu französischen Chansons ist alles vertreten. Bei bekannten Liedern wie „Que sera“ stimmen alle gleich lautstark mit ein. Lustig und skurril, aber auch leise, sensibel und nachdenklich – die neuen Oldies sind vielseitig. „Das Alter spiegelt alle Facetten des Lebens wider“, sagt Jutta Niehaus (68). Die Trittauerin gibt einen Poetry-Slam-Text über den Ruhestand zum Besten.
Für den Gala-Auftritt im Juni gibt es jetzt schon Karten
In gut eineinhalb Stunden zeigten die Teilnehmer ihr Können. Sie begeisterten mit Humor, Schauspiel- und Gesangstalent und haben alle bewiesen, dass sie dem Motto des Kabaretts „Wir lachen nur über uns selbst und machen keine Witze auf Kosten anderer“ treu bleiben. Für wen sich die Jury – allesamt Mitglieder des Oldie-Kabaretts – schlussendlich entscheidet, wird sich in der nächsten Woche entscheiden. Bei den vielen Meinungen besteht sicherlich noch Diskussionsbedarf. Auch darüber, wie viele neue Mitglieder das Oldie-Kabarett verträgt.
Gute Chancen auf einen Platz hat sicherlich Sigrid Grund (72). Die Ammersbeker Frohnatur hatte quasi einen fast bühnenreifen Sketch im Repertoire. Dabei geht es um die Vielseitigkeit des sagenumwobenen „Schiesser-Feinripp-Schlüpfers“ – sie hatte alle Lacher auf ihrer Seite. Ob als Schürze gebunden, die während des Bratens vor Fettspritzern schützt, oder als modisches Jäckchen – der Liebestöter ist universell einsetzbar und sollte in keinem Haushalt fehlen. Auf jeden Fall nicht bei der Auswahl der Stücke der Bargteheider.
Nach dem Casting ist vor der Show: Wer in das Kabarett aufgenommen wird, dem bleibt wenig Zeit zum Proben. Bereits am 15. Juni ist das Oldie-Kabarett mit seiner großen Gala im Kleinen Theater Bargteheide zu sehen. Karten sind voraussichtlich ab Mai unter www.kleines-theater-bargteheide.de buchbar.