Bad Oldesloe. Der Fluss schlägt bei Bad Oldesloe künftig einen Bogen, um die Lebensbedingungen für Fische und andere Tiere zu verbessern.
Gleichmäßig und mit relativ hoher Geschwindigkeit fließt die Trave an Bad Oldesloe vorbei Richtung Lübeck. Noch. Schon bald muss sie am Ortsteil Kneeden einen rund 180 Meter langen Bogen schlagen. Bauarbeiter sind zurzeit dabei, einen Altarm an den Fluss anzubinden. Mit einem Bagger tragen sie mehrere Erdschichten ab. Die Trave soll dadurch ihren ursprünglichen Verlauf wiederbekommen – also durch ihr altes Flussbett fließen.
In den 1950er- und 1960er-Jahren war die Trave begradigt worden, damit das Wasser schneller Richtung Ostsee abfließen konnte. Bis zu jenem Zeitpunkt hatte sie in ihrem Verlauf viele Verschwenkungen, die den Fluss bremsten und bei Hochwasser zu Problemen führten. Dann standen regelmäßig die umliegenden Felder unter Wasser.
Eine Vorgabe der EU zwingt das Land zum Handeln
Warum jetzt die Rückkehr? „Wir setzen mit dem Projekt die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union um“, sagt Uwe Leiner vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN). Sie wurde im Jahr 2000 verabschiedet und schreibt den Mitgliedstaaten unter anderem vor, ihre Flüsse in einen naturnahen Zustand und ihre alten Strukturen zurückzuführen. „Das hilft der Tierwelt und verbessert die Selbstreinigungskraft der Gewässer“, sagt Sabine Reichle, Vorsitzende der Nabu-Ortsgruppe Reinfeld-Nordstormarn. Denn mit der Umleitung wird die Trave auch entschleunigt. Zum einen bremsen die Kurven das Wasser, außerdem sollen Kies, Geröll und Totholz in den Altarm geschüttet werden. „Je langsamer die Trave fließt, desto mehr Nährstoffe können sich absetzen“, sagt sie. „Bisher fließen sie meist bis in die Ostsee und führen dort zur Algenblüte.“
Döbel und Flussbarsche leben in der Trave
Für die Tiere in der Trave seien die Algen dagegen gut – genauso wie Kies, Geröll und Totholz. „Kleine Lebewesen sind darauf angewiesen, weil sie sich daran festhalten können“, sagt Reichle. „Sonst werden sie von der Strömung mitgerissen.“ Profitieren könnten zum Beispiel die Larven von Eintags- und Köcherfliegen, Libellen, Wasserkäfer, Wasserschnecken sowie Bach- und Malermuscheln. Diese Tiere seien wiederum für die Fische als Nahrung enorm wichtig. In der Trave leben nach Angaben des Naturschutzbundes unter anderem Döbel, Flussbarsche, Steinbeißer und Schlammpeitzger.
„Die Trave ist bisher sehr gleichförmig strukturiert“, sagt Leiner. „Durch die verschiedenen Elemente gestalten wir sie jetzt lebhafter.“ Künftig gebe es unterschiedlich tiefe Stellen, Aufwirbelungen und Kiesbänke, auf denen die Fische laichen könnten. „Wir schaffen damit ein breites Angebot für die Lebewesen“, sagt der Diplom-Ingenieur. „Das sind alles Dinge, die sonst kaum noch in der Trave vorhanden sind.“
Insel soll als Rückzugsort für Tiere und Pflanzen dienen
Auch abseits des Flusses sollen die Lebensbedingungen für die Tiere verbessert werden. Der Nabu hat dafür die rund 6000 Quadratmeter große Insel erworben, die durch die Verlegung der Trave entstehen wird. „Sie soll ein ungestörter Rückzugsort für Tiere und Pflanzen werden“, sagt Reichle. „Im Laufe der Jahre werden sich dort von allein Bäume und Sträucher ansiedeln.“ An der Insel soll es künftig durch die Trave auch zu Abbrüchen kommen, die zum Beispiel Eisvögel nutzen könnten. „Vielleicht bringen wir auch den Fischotter dazu, sich dort anzusiedeln.“
Das begradigte Flussstück soll nicht zugeschüttet werden, sondern erhalten bleiben. Ein Querbauwerk soll künftig bei Mittel- und Niedrigwasser dafür sorgen, dass der Fluss ausschließlich den neuen Bogen nimmt. „Bei Hochwasser wird das Querbauwerk überflutet“, sagt Leiner. Dadurch soll verhindert werden, dass es – wie vor der Begradigung der Trave – zu Überschwemmungen der umliegenden Felder kommt. „Die Menge an Wasser, die hier durch die Trave läuft, muss auch in Zukunft ohne Schäden bewältigt werden können.“
Unklar ist, was mit den anderen Altarmen passiert
Rund 600.000 Euro soll das Projekt kosten. Das Geld kommt vom Land Schleswig-Holstein. Ab April oder Mai wird die Trave dann wieder in ihrem alten Flussbett unterwegs sein. Damit die Bauarbeiter mit ihren Baggern überhaupt in die Niederung gelangen können, wurde bereits im Dezember eine Zufahrtsstraße von der B 75 errichtet.
Es gebe noch sehr viele weitere Altarme an der Trave, sagt Gustav Stoffers, Vorsteher des Gewässerunterhaltungsverbandes Trave. Allerdings könnten die meisten nicht so leicht wieder an den Fluss angeschlossen werden. „Einige sind komplett abgetrennt oder zugewachsen“, sagt er. In Bad Oldesloe muss dagegen nur auf einer Seite ein Durchbruch vorgenommen werden.
Zudem seien solche Projekte sehr zeitaufwendig, sagt Reichle. Diesmal dauerten die Planungen mehr als sieben Jahre. „Voraussetzung ist auch, dass wir – wie in diesem Fall – die umliegende Fläche vom jeweiligen Eigentümer verkauft bekommen.“