Ahrensburg. Das Land setzt Ziffern statt Kompetenzraster als Standard. Die Entscheidung hierfür liegt weiter bei Lehrern und Eltern.

Auf die 35 Grundschulen in Stormarn kommen erneut Veränderungen zu. Landesbildungsministerin Karin Prien (CDU) hat die Rektoren bereits per Brief über die wichtigsten Neuerungen informiert, die größtenteils schon ab dem Jahr 2018/2019 gelten. Unter anderem bekommen die ersten Klassen eine Stunde mehr Unterricht und ab 2019/20 auch die zweiten Klassen. Das Erlernen der verbundenen Schreibschrift ist Pflicht, ebenso ein Grundwortschatz von rund 800 Wörtern.

Ab der dritten Klasse sollen standardisierte Notenzeugnisse mit einem Kompetenzraster die Regel sein. Außerdem bekommen Eltern vor dem Übergang in eine weiterführende Schule wieder eine schriftliche Schulartempfehlung. Damit setzt das Ministerium Vorgaben um, auf die sich die CDU/Grüne/FDP-Regierung geeinigt hatte.

Kreuze in fünf Kategorien von „sicher“ bis „unsicher“

Die „Jamaika“-Koalition macht einige Neuerungen ihres Vorgängers rückgängig. So hatten SPD, Grüne und SSW zum Schuljahr 2014/2015 die notenfreie Grundschule landesweit zum Standard gemacht. Allerdings konnten die einzelnen Schulkonferenzen – je zur Hälfte mit Lehrern und Eltern besetzt – schon damals entscheiden, bei Zensuren von „Eins“ bis „Sechs“ zu bleiben. Das taten auch 417 von landesweit 482 Grundschulen.

Die restlichen knapp 13 Prozent stiegen auf Berichte und ausführlichere Kompetenzraster mit den fünf Kategorien „sicher“, „überwiegend sicher“, „teilweise sicher“, „überwiegend unsicher“ und „unsicher“ zum Ankreuzen um. Für jedes Fach gibt es mehrere Unterkategorien, bei Deutsch zum Beispiel Sprechen, Zuhören, Schreiben, Rechtschreibung, Lesen sowie Sprache und Sprachgebrauch.

Trotz neuer Vorgaben bleibt Wahlfreiheit erhalten

„In allen Grundschulen werden ab der dritten Klasse wieder standardisierte Notenzeugnisse mit einem Kompetenzraster eingeführt“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Schulkonferenzen können aber wie bisher entscheiden, ob sie statt oder ergänzend zu den Noten erweiterte Kompetenzraster und/oder Entwicklungsberichte erteilen wollen.

Gegen den Trend mehr Schüler in Stormarn

Mehr als 9000 Kinder besuchen die 35 Grundschulen im Kreis Stormarn. Im vergangenen Sommer wurden 2363 Erstklässler eingeschult. Das sind fast genauso viele wie im Vorjahr (2372) und deutlich mehr als 2015 (2308 Kinder) und 2014 (2320 Kinder).

Die Schülerzahl steigt – und zwar entgegen der Prognose. Vor drei Jahren war ein Rückgang bis 2020 auf gut 7000 Grundschüler vorhergesagt worden. Doch im Unterschied zu anderen Landesteilen ziehen mehr Einwohner nach Stormarn, darunter viele Familien.

Hohe Anmeldezahlen hatten zuletzt die Johannes-Gutenberg-Schule Bargteheide (175 Erstklässler), die Matthias-Claudius-Schule Reinfeld (130), Am Reesenbüttel Ahrensburg (115), die Stadtschule Bad Oldesloe und die Grundschule Trittau (je 100).

1/3

„Im Prinzip bleibt die Wahlfreiheit also erhalten“, sagt die Oldesloer Landtagsabgeordnete Anita Klahn (FDP), die auch stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist. Per Ministeriumserlass werden allerdings die Vorgaben umgedreht: Bisher musste sich die Konferenz explizit für Zensuren aussprechen, künftig dann dagegen.

In Stormarn setzten vor drei Jahren acht von 35 Grundschulen die Idee der Notenfreiheit um. Sie wollen offenbar auch nach der politischen Kehrtwende in Kiel bei Kompetenzraster und Berichten bleiben.

Positive Erfahrungen mit Kompetenzraster

Dazu dürften die beiden Grundschulen in Ammersbek zählen. „Unsere Erfahrungen mit dem Notenverzicht sind quer durch alle Gruppen gut“, sagt Astrid Röckendorf, Leiterin der Grundschule Hoisbüttel. Sowohl der Elternbeirat als auch das 14-köpfige Lehrerkollegium wollen an der jetzigen Regelung für die rund 180 Schüler festhalten.

Birgit Graumann-Delling leitet die Grundschule in Bünningstedt
Birgit Graumann-Delling leitet die Grundschule in Bünningstedt © HA | Henrik Bagdassarian

Ähnlich ist die Lage im Ortsteil Bünningstedt. „Für das Lernen an einer Grundschule ist das die richtige Entscheidung“, sagt Leiterin Birgit Graumann-Delling nach drei Jahren ohne Zensuren. Darin sei sich das zwölfköpfige Kollegium einig. Von den Eltern der 160 Schüler habe sie ebenfalls durchweg positive Rückmeldungen bekommen. Wenn der entsprechende Erlass aus dem Bildungsministerium vorliege, werde sich die Schulkonferenz mit dem Thema befassen.

Warten auf den Erlass aus dem Bildungsministerium

Überzeugt von der Notenfreiheit ist auch die Grundschule Mollhagen. „Es ist eine faire Lösung, dass die letzte Entscheidung bei uns Schulen bleibt“, sagt Sabine Gerdes, Leiterin der Einrichtung mit zwölf Lehrkräften und rund 200 Kindern. Es wäre nicht zu verstehen, das vor drei Jahren eingeführte System so schnell wieder umzuwerfen. In dem Steinburger Ortsteil habe man sehr gute Erfahrungen ohne Zensurendruck gemacht.

Genauso ist die Lage an der Stadtschule in Bad Oldesloe, an der 40 Lehrer knapp 420 Kinder unterrichten. „Das Kompetenzraster ermöglicht eine viel differenziertere Beurteilung von Stärken und Schwächen“, sagt Leiterin Sabine Prinz. Bis zur dritten Klasse ist es Standard, in den vierten Klassen bekommen Eltern im Berichtsteil auf Wunsch eine Zensur als Zusammenfassung. „Wir übersetzen das in eine sogenannte Bleistiftnote“, sagt Bück. „Manche Eltern fühlen sich aus ihrer Erfahrung sicherer mit einer Zahl.“

Schulen wollen Druck beim Lernen vermindern

Ganz ohne „Eins“ bis „Sechs“ kommen die 37 Lehrer an der Johannes-Gutenberg-Schule in Bargteheide aus – und zwar „ausgesprochen gut“, so Schulleiter Jörg Peters. Die rund 600 Kinder könnten mit deutlich weniger Druck gezielter lernen. Einer Entscheidung für die Zukunft will er nicht vorgreifen: „Wenn wir die genauen Formulierungen aus dem Ministerium kennen, gehen wir mit den Eltern in die Meinungsbildung.“ Die Emil-Nolde-Schule Bargteheide wartet ebenfalls die Entwicklung ab. „Wir haben positive Erfahrungen mit der Beurteilung durch Kompetenzraster statt Noten gemacht“, sagt aber auch Schulleiterin Gisela Blankenburg.

Außerdem verzichten in Stormarn die Grundschulen Alte Alster in Bargfeld-Stegen (zwölf Lehrerinnern, rund 180 Kinder) und in Hoisdorf (neun Lehrerinnen, gut 110 Kinder) auf Zensuren. Die Hoisdorfer Leiterin Angelika Heller sagt: „Wir haben noch keine Entscheidung getroffen, wie es im nächsten Schuljahr bezüglich der Zeugnisse weitergehen wird.“