Ahrensburg/Reinbek. Verbrecher wollen Seniorin aus Ammersbek um ihr Erspartes bringen. Die 88-Jährige alarmiert die echten Beamten. Täter sitzen in Haft.

Der Trick der Verbrecher ist ebenso perfide wie professionell durchorganisiert: Sie geben sich als Polizeibeamte aus, rufen ahnungslose Menschen an und geben vor, diese vor einem Betrug bewahren zu wollen. Ihre Opfer: meist ältere Menschen, deren Leichtgläubigkeit oder Vertrauen in die Ordnungsmacht sie ausnutzen wollen. Ihre Erfolgsquote ist hoch, das Risiko, geschnappt zu werden, tendiert gegen null. Von Hunderten Betrugsversuchen wissen die Ermittlungsbehörden allein in Stormarn in diesem Jahr. Nun hat die Kripo vier solcher Ganoven gefasst. Einen Mann und drei Frauen konnten Zivilfahnder in Ahrensburg dingfest machen. Drei der Täter sitzen jetzt in Untersuchungshaft.

Es ist Dienstag, einen Tag vor Nikolaus, als eine 88 Jahre alte Ammersbekerin eine böse Überraschung erlebt. Das Telefon klingelt, es meldet sich ein Mann. Er sagt, er sei Polizeibeamter. Er und seine Kollegen hätten einen Mann festgenommen und bei ihm ihre Kontodaten entdeckt. Dann tischt der dreiste Betrüger der Seniorin folgende Geschichte auf: Der festgenommene Straftäter mache angeblich mit einem Mitarbeiter ihrer Bank gemeinsame Sache. Bei ihrem Kreditinstitut sei ihr Geld also nicht mehr sicher. Ein Auszubildender der Bank tausche echte Geldscheine gegen Blüten aus.

Polizei reagiert und fädelt späteren Zugriff ein

Um ihr Erspartes zu retten, soll die alte Dame schnell zur Bank gehen und ihr gesamtes Vermögen abheben. Der falsche Polizist am Telefon bietet der Frau aus Ammersbek an, vorbeizukommen und das Geld auf seine Echtheit hin zu überprüfen. Die 88-Jährige wird zunächst nicht stutzig, da im Display ihres Telefons die Festnetznummer der Ahrensburger Polizeiwache angezeigt wird. Doch schlussendlich besinnt sie sich eines Besseren und informiert die echte Polizei.

Die reagiert schnell und fädelt einen späteren Zugriff ein. Die Ammersbekerin hebt tatsächlich einen Betrag von weit mehr als 20.000 Euro von ihrer Bank ab. Kripobeamte in Zivil behalten das Geschehen im Auge und harren am Zuhause der Seniorin des weiteren Geschehens. Um welche Bank es sich handelt, wo genau die Polizisten wenig später zugreifen, darüber geben die Ermittler „aus taktischen Gründen“ keine Auskunft.

Vier Personen konnten festgenommen werden

Es dauert nicht lang, bis die Zivilfahnder auf „zwei auffällig erscheinende Personen“ aufmerksam werden. Als sie in ein Auto steigen wollen, werden sie von den Beamten gestellt. Im Fahrzeug finden sie in einer Tüte das Geld der Ammersbekerin. Die Übergabe ist offenbar in der Zwischenzeit in einem unbeobachteten Moment geschehen.

Am Donnerstag gibt die Polizei bekannt, dass ein 36 Jahre alter Mann aus Osteuropa und drei Frauen im Alter von 38, 38 und 39 Jahren, von denen zwei eine Wohnanschrift in Hamburg haben und eine ohne festen Wohnsitz ist, festgenommen wurden. Die Staatsanwaltschaft beantragt Haftbefehle gegen den 36-Jährigen sowie gegen zwei der Frauen. Ein Richter am Amtsgericht Ahrensburg schickt sie daraufhin in Untersuchungshaft. Die dritte Frau kommt auf freien Fuß, Haftgründe gebe es nicht.

Die Betrüger erbeuteten 1,3 Millionen Euro in zwei Jahren

Über das erschreckende Ausmaß solcher Verbrechen geben aktuelle Zahlen des Landeskriminalamtes Aufschluss. Demnach haben Kriminelle, die mit Callcentern im Ausland zusammenarbeiten, innerhalb von zwei Jahren landesweit rund 1,3 Millionen Euro erbeutet. 160 Taten registrierte die Polizei in 2016, seit Jahresbeginn 2017 sind es mehr als 160. Wahrscheinlich sind es aber noch viel mehr. Es gibt ein großes Dunkelfeld, weil viele ältere Opfer die Taten aus Schamgefühl nicht anzeigen.

Ahrensburgs Kripochef Ralf Lorenzen
Ahrensburgs Kripochef Ralf Lorenzen © Birgit Schücking

Um so mehr freut sich Ahrensburgs Kripochef Ralf Lorenzen über den Erfolg seiner Beamten. Auch wenn er eine absolute Ausnahme darstellt. „Das ist die erste Festnahme überhaupt in Stormarn bei solchen Delikten“, sagt der Beamte. „Solche Täter sind schwer zu fassen.“ Ihm seien Hunderte Tatversuche allein in diesem Jahr in Stormarn bekannt. Das bestätigt auch seine Kollegin Kathrin Schulz für den Südkreis. Die Reinbeker Kriminaloberkommissarin sagt: „Die Zahl solcher Taten steigt deutlich an.“

Die Polizei warnt Stormarner im Zusammenhang mit dem Fahndungserfolg noch einmal ausdrücklich davor, „am Telefon über Vermögenswerte Auskunft zu geben oder auf Drängen von Anrufern Bargeld von der Bank abzuheben. Übergeben Sie niemals Geld an Unbekannte. Halten Sie Rücksprache mit vertrauenswürdigen Personen, wenn Sie solch einen Anruf erhalten.“ Im Zweifel soll möglichst schnell bei der örtlichen Wache oder über den Notruf 110 die echte Polizei informiert werden. „Denn der Faktor Zeit“, sagt Ahrensburgs Kripochef Ralf Lorenzen, „spielt bei der Fahndung nach solchen Betrügern eine große Rolle.“