Ahrensburg. Ahrensburger Bildungseinrichtung hatte Eva Szepesi eingeladen. Runder Tisch organisiert Gang des Erinnerns durch die Stadt.
„Ich hatte eine schöne Kindheit“, sagt Eva Szepesi (85), als sie sich am Dienstag in der Stormarnschule in Ahrensburg dem Publikum vorstellt. Platz genommen haben Schüler der elften und zwölften Jahrgänge der Bildungseinrichtung.
Die „schöne Kindheit“ endete mit dem sechsten Lebensjahr von Eva Szepesi. Dann nämlich, Ende der 1930er- Jahre, erfuhr die junge Ungarin in Budapest am eigenen Leib, was es bedeutete, zu dieser Zeit Jüdin zu sein. Sie erlebte Ausgrenzung durch Mitbürger und Freunde. Mit dem Anschluss Ungarns an das nationalsozialistische Deutschland 1940 verschlechterte sich die Situation für Juden in Ungarn. Mit der deutschen Besatzung Anfang 1944 wurde jüdisches Leben dort quasi unmöglich.
Eine Schülerin weint am Ende des Vortrags
Szepesi, die damals noch Eva Diamant hieß, wurde von ihrer Mutter zu dieser Zeit auf die Flucht geschickt. Im Spätsommer wurde sie in Slowenien von deutschen Soldaten aufgegriffen und nach Auschwitz deportiert. Dort überlebte sie nur knapp. Seither ist eine Nummer auf ihrem Unterarm eintätowiert: A26877.
Es ist still im Eduard-Söring-Saal, als Szepesi spricht. Eine Schülerin weint am Ende des Vortrags. Eine Mitschülerin sagt beim Hinausgehen, auch ihr sei der Vortrag sehr nahe gegangen. Szepesis Offenheit habe sie erstaunt.
Ihre Mutter und ihren Bruder sah Szepesi nie wieder
Zeitgleich zu Eva Szepesi sprach die Holocaustüberlebende Juliane Zarchi in der Denkmalturnhalle der Schule. Dass Eva Szepesi öffentlich über ihre Vergangenheit redet, ist keine Selbstverständlichkeit. Seit mehr als zehn Jahren erzählt sie zwar ihre Geschichte vor Publikum, hat sie mittlerweile aber auch als Buch veröffentlicht. Zuvor habe sie 50 Jahre geschwiegen, auch vor ihrer Familie. Die wiederum ist Teil eines Films, den einer ihrer Enkel gedreht hat und den Szepesi auch in Ahrensburg zeigt. Der Film erzählt ihre Lebensgeschichte, lässt aber auch die beiden nachgeborenen Generationen zu Wort kommen.
Eva Szepesi überlebte, weil eine KZ-Aufseherin der damals Zwölfjährigen den Rat gab, sich als 16-Jährige auszugeben. So sei sie zum Arbeiten eingeteilt und nicht gleich getötet worden. Ihre Mutter und ihren Bruder sah sie nie wieder. Dass auch sie nach Auschwitz gebracht wurden und dort starben, erfuhr sie erst 2016. „Ich wollte es nie wahr haben. Ich hatte immer die Hoffnung, dass ich sie irgendwo finde“, sagt Szepesi heute. „Erst jetzt kann ich trauern.“ Sie versuche mit ihrer Geschichte zu vermitteln, mahnt Eva Szepesi vor den Ahrensburger Schülern, „dass so etwas nie wieder passieren soll.“
Reichspogromnacht: 9. November 1938
Das ist auch Ziel des Runden Tisches für Zivilcourage und Menschenrechte in Ahrensburg, der für Donnerstag zu einem „Gang des Erinnerns“ aufruft, der zugleich ein „Gang der Ermutigung für mehr Mitmenschlichkeit und Akzeptanz sein soll. Anlass ist das Erinnern an die Reichspogromnacht am 9. November 1938, in der die Nazis Synagogen und andere jüdische Einrichtungen zerstörten.
Gang des Erinnerns Do 9.11., 16.00 Uhr, Treffpunkt ist der Stolperstein für Anneliese Oelte, Hagener Allee/Ecke Ernst-Ziese-Straße, Stationen: Waldstraße 8 (16.30 Uhr), Rondeel (17.15 Uhr), Rathausvorplatz (17.45 Uhr), Abschluss im Rathaus-Foyer um 18.30 Uhr