Bad Oldesloe/Nienwohld. Süßmosterei in Nienwohld verzeichnet 90 Prozent weniger Anlieferungen. Preise für frisches Obst liegen um die Hälfte über dem Vorjahr.

Regen und Hagel, später Frost und Insektensterben: Die Natur hat in diesem Jahr mit voller Wucht zugeschlagen und die Obstbauern getroffen. Einige von ihnen haben bis zu 90 Prozent ihrer Apfel- und Birnenernte verloren. Das hat Auswirkungen auf die Obst- und Apfelsaftpreise – auch im Kreis Stormarn.

„Einige Obstbauern sprechen schon von einer Naturkatastrophe“, sagt Matthias Such. Der Obsthof-Inhaber aus Lütjensee steht jeden Mittwoch und Sonnabend auf dem Ahrensburger Wochenmarkt und verkauft dort Äpfel, Birnen und andere Früchte. Sein Zulieferer habe 50 Prozent seiner Ernte verloren, erzählt der Lütjenseer. „Meine Apfelkisten leeren sich in diesem Jahr besonders schnell“, sagt Such.

Oldesloer Marktmeister hat nur 30 Prozent Ausfall

Im ganzen Bundesgebiet hat die schlechte Ernte Auswirkungen auf die Preise. Wer Äpfel will, muss tiefer in die Tasche greifen: Der Kilogrammpreis liegt im Schnitt derzeit bei drei statt üblicherweise zwei Euro.

Das größte und wichtigste Anbaugebiet Norddeutschlands für Äpfel und Birnen liegt südlich der Elbe. Rund 230.000 Tonnen wurden im Alten Land in diesem Jahr geerntet – ein Drittel weniger als im Vorjahr.

Hans-Wilhelm Nagel wendete besondere Methode an

Auch „Apfel-Willi“ vom Oldesloer Wochenmarkt baut dort seine Früchte an. „Wir haben sehr viel Glück gehabt“, sagt Hans-Wilhelm Nagel. Der Obstbauer bewirtschaftet im Alten Land in Niedersachsen eine 40 Hektar große Fläche und kam in diesem Jahr auf etwa 70 Prozent seines üblichen Ertrags. Viele seiner Kollegen waren schlimmer dran.

Nagel wendet eine Methode an, die Apfelblüten bei Frost vor dem Erfrieren schützen kann oder zumindest die Auswirkungen eindämmt. Dabei werden die Pflanzen bei Nachtfrost mit Wasser besprüht. Die beim Gefriervorgang freigesetzte Wärme schützt dann die Blüte.

Seit 1991 sei kein Jahr so schlecht gewesen wie dieses

„Das hat geholfen“, sagt Apfel-Willi, „nützt aber nichts gegen das Wegbleiben der Bienen.“ Durch die feuchte Witterung im Frühjahr und den späten Frost im April seien die Bienen nicht rechtzeitig aktiv geworden. Die Tiere werden wie bei allen anderen Pflanzen auch für die Bestäubung der Blüten benötigt. „Manche sprechen schon von einem regelrechten Insektensterben. Wenn das zutreffen sollte, dann haben wir bald ein Problem“, sagt der Obstbauer.

Er habe in diesem Jahr eher auf Hummeln gesetzt. Diese sind weniger empfindlich als ihre nahen Verwandten und schwirren bereits ab sechs Grad Celsius von Blüte zu Blüte. Auf seiner Anbaufläche experimentiert Hans-Wilhelm Nagel auch mit weniger bekannten Apfelsorten: „Einige vertragen feuchtes Klima besser, andere nicht so gut.“

Martin Schmidt spürt die Auswirkungen in seiner Süßmosterei in Nienwohld: „Wir bekommen 90 Prozent weniger Äpfel geliefert.“ Pelle Kohrs HA Ganz Deutschland sei von schlechter Ernte betroffen

Auch bei der Süßmosterei Paul Schmidt in Nienwohld sind die Auswirkungen der miserablen Ernte zu spüren. Dort liefern Gartenbesitzer üblicherweise Tonnen an Äpfeln und Birnen ab, um dafür frisch gepressten Saft zu erhalten. „In einem Jahr werden wir mit Äpfeln totgeschlagen und im nächsten verhungern wir“, sagt Inhaber Martin Schmidt. 2017 falle in die zweite Kategorie. In guten Jahren kommen pro Baum einige Hundert Kilogramm zusammen. Diesmal reiche die Menge häufig nur für den Eigenbedarf.

„Wir bekommen 90 Prozent weniger Äpfel von Kunden geliefert“, sagt Schmidt. So ein schlechtes Apfeljahr habe er seit 1991 nicht mehr erlebt. „Damals war die schlechte Ernte regional auf den Norden begrenzt, jetzt ist ganz Deutschland betroffen.“

Wichtig für Schmidt: Mehr Menschen sollen Obst anbauen

Martin Schmidt hat sein Geschäftsmodell angepasst und kann auch mal ein Jahr ohne gute Apfelernte überleben. „Wir geben unseren Kunden Gutscheine für ihre Obstmengen, und die können auch noch im folgenden Jahr bei der Mosterei eingetauscht werden“, sagt Schmidt. Wenn mal nicht in Apfelsaft, dann eben in andere Fruchtsäfte, Obstweine oder weitere Fruchterzeugnisse.

„Auch wenn wir die schlechte Apfelernte diesmal gut auffangen können, will ich so ein Jahr lieber nicht noch einmal erleben“, sagt der Mosterei-Inhaber. Ein bisschen Sorgen mache er sich aber schon: „Es ist keine Konstante mehr im Wetter, und es fehlen die Insekten.“ Umso wichtiger sei es, dass wieder mehr Menschen Obst anbauten. Martin Schmidt: „Das macht ja auch Spaß und ist obendrein nützlich.“

Nur 476 Hektar in Schleswig-Holstein

Das größte Obstanbaugebiet im Norden ist das Alte Land. Dort bewirtschaften 541 Betriebe gut 9000 Hektar. Viele Äpfel und Birnen, die im Kreis Stormarn auf Wochenmärkten und in Hofläden verkauft werden, stammen aus der Region südlich der Elbe.Sie erstreckt sich von der Hamburger Stadtgrenze über Stade bis in den Landkreis Cuxhaven.

Die Anbaufläche wird immer größer, während die Zahl der Betriebe sinkt. Der Obstanbau hat im Alten Land eine 700-jährige Tradition.

In Schleswig-Holstein beschränkt sich der Apfelanbau auf vereinzelte Obsthöfe. Die Gesamtfläche beträgt 476 Hektar. hinzu kommen einige Streuobstwiesen. fif

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