Aumühle/München. Ex-Geschäftsführer des Augustinums soll Betreiber von Seniorenresidenz betrogen haben. Es geht um Millionenbeträge.

Es ist ein Wirtschaftskrimi mit allem, was dazugehört: Es geht um den Verdacht der Korruption, um Macht, Gier und das Ausnutzen von Vertrauen – so der Vorwurf, dem sich vier Männer vor dem Landgericht München I stellen müssen. Die dort ansässige Staatsanwaltschaft hat jetzt Anklage wegen Untreue und gewerbsmäßigen Bandenbetrugs erhoben. Den Angeklagten wird vorgeworfen, die gemeinnützige Augustinum GmbH um mehrere Millionen Euro betrogen zu haben.

Ein Skandal, der von München, dem Sitz des Unternehmens, bis nach Norddeutschland reicht. Denn auch das Augustinum in Aumühle ist von dem Fall betroffen. Die Immobilie am Mühlenweg ist derzeit von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Dieser Umstand sowie der Betrugsverdacht haben laut Matthias Steiner, Sprecher des Augustinum-Konzerns, aber keine Auswirkung auf die rund 170 Bewohner und 100 Mitarbeiter der Seniorenresidenz. „Der Betrieb läuft ohne jede Beeinträchtigung weiter“, sagt Steiner, der damit rechnet, dass die Immobilie nach dem Strafprozess wieder in den Besitz des gemeinnützigen Unternehmens fällt.

Monatelange Ermittlung der Staatsanwaltschaft

Dessen früherer Geschäftsführer Kurt W. ist einer der Angeklagten. Er soll Teil eines Korruptions- und Betrugskonstruktes sein. Artur M., mutmaßlicher Strippenzieher und ehemalige Aufsichtsratchef des Unternehmens, kann nicht mehr zur Rechenschaf gezogen werden. Der Rechtsanwalt war im Alter von 66 Jahren im Januar 2014 gestorben. Vermutlich kam dadurch der Millionenbetrug ans Licht. Denn nur einen Monat nach dem Tod erhielt der Aufsichtsrat einen anonymen Hinweis auf die betrügerischen Geschäfte in den Jahren 2010 bis 2013.

Nach monatelangen Ermittlungen rekonstruiert die Staatsanwaltsschaft das Geschäftsmodell der Betrüger so: Artur M. soll dem Unternehmenschef sogenannte Sale-and-rent-back-Geschäfte vorgeschlagen haben, um die Bilanz des Unternehmens zu verbessern. Das Unternehmen verkauft seine Immobilien und mietet sie anschließend. Markus Rückert, der damals das von der evangelischen Pfarrerfamilie Rückert gegründete Unternehmen in zweiter Generation leitete, stimmt zu. Auch sein Mitgeschäftsführer Kurt W. sprach sich dafür aus.

Es geht um Euro-Summen im dreistelligen Millionenbereich

Elf der 23 Seniorenstifte, darunter auch Aumühle, wurden an die Immobilienfirma Nordic Kontor (NK) mit Sitz in Heide (Kreis Dithmarschen) verkauft. Weil die kleine Firma nur über ein Eigenkapital von 25.000 Euro verfügte, gewährte der Augustinum-Konzern NK einen Kredit von 728 Millionen Euro.

Geschäfte, die Artur M. und Kurt W. einfädelten. Sie sollen Rückert getäuscht, wesentliche Details des Deals verschleiert oder verschwiegen haben. Ein von der Staatsanwaltschaft eingeholtes Sachverständigengutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Verträge für die unerfahrene NK-Gruppe hochprofitabel und zugleich risikofrei gewesen seien. Für das Augustinum seien diese hingegen derart nachteilig und wirtschaftlich unschlüssig gewesen, dass die Zustimmung zu den Vertragswerken nur durch Täuschung der Entscheidungsgremien zustande gekommen sein könne, heißt es in dem Gutachten, das bereits Bestandteil eines Arrestverfahrens war.

Augustinum-Sprecher Matthias Steiner spricht von Bestechungsgeld

„Ferner gewährte das Augustinum, unter anderem zur Begleichung der Erwerbsnebenkosten den Käufergesellschaften darlehensweise sogenannte Investitionskostenvorschüsse im Gesamtumfang von 71,75 Millionen Euro“, sagt Anne Leiding, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Der Aufsichtratsvorsitzende und der Mitgeschäftsführer kassierten bei diesem Deal kräftig mit. Denn laut Anklage wurde die Hälfte, rund 30 Millionen Euro, für Scheinprovisionen an eine Treuhandfirma in der Schweiz gezahlt. Der vermeintliche Vermittler der Immobilien-Deals hat wiederum mehrere Millionen Euro an Artur M. und Kurt W. gezahlt.

Augustinum-Sprecher Matthias Steiner spricht von Bestechungsgeld. Neben dem noch 2014 entlassenen Geschäftsführer W. sind auch die beiden Geschäftsführer der NK (hat 2014 Insolvenz angemeldet) angeklagt sowie der Direktor der Schweizer Treuhandgesellschaft. Als der Skandal aufgedeckt wurde, war es für die Mitarbeiter und Bewohner der Seniorenstifte eine schwierige Situation. Steiner: „Es gab durchaus Kritik und Fragen.“