Glinde/Ahrensburg. Wenn das Fehlen des Arbeitsalltags plötzlich Löcher in das Leben reißt: Seminare in Ahrensburg und Glinde helfen. Anmeldung ab sofort.
Mit dem Ruhestand ist es ein bisschen so wie mit Weihnachten: Obwohl vorhersehbar, kommt er doch oft plötzlich und unerwartet – und das betrifft immer mehr Menschen. „Wir hatten noch nie so viele Ältere wie heute“, sagt die Sozialpädagogin Kirsten Sonnenburg. Unter ihrer Leitung startet in Stormarn jetzt eine Reihe von Seminaren, die sich mit dem Leben nach dem Berufsleben befasst. Sie sagt: „Es geht um ein Bewusstsein für die eigenen Möglichkeiten und Grenzen.“
Es bedarf etwas Vorbereitung, wenn das Älterwerden ein neuer Anfang werden soll. Denn die Hoffnung vieler, die sich ihre größten Wünsche für diese Zeit aufsparen, erfülle sich sonst oft nicht. „Die meisten Menschen leben nach dem Ruhestand weiter so wie bisher und fangen nicht etwas ganz Neues an“, sagt Sonnenburg.
Frauen stricken schon vor dem Ruhestand ein Netzwerk
Mangele es an Aufgaben, drohe ein Problem. Denn viele Menschen werden heute bei guter Gesundheit älter, mit unbeschränktem Zugang zu Bildung und Information. Sie wollen über ihr Arbeitsleben hinaus aktiv sein und mitgestalten. Kirsten Sonnenburg sagt: „Jeder Mensch braucht jeden Tag die Erfahrung, für sich und andere wichtig zu sein.“ Gerade Männer unterschätzten häufig, dass ihre Freunde oft „nur“ Kollegen sind und der Kontakt im Ruhestand meist wegfällt. Frauen strickten dagegen schon vorher an Netzwerken.
Es gebe ein „Bedürfnis nach Bedeutung für andere“, sagt auch Prof. Klaus Dörner, einer der profiliertesten Vertreter der deutschen Sozialpsychiatrie. Seine eigenen Erfahrungen beim Eintritt in das Rentnerdasein schildert der heute 84-Jährige so: „Das war ein schwieriges Erwachen am Montag nach der Verabschiedung, weil ich auf der einen Seite genießen konnte, dass ich im Reich der Freiheit angekommen war, wo ich tun und lassen konnte, was ich wollte. Auf der anderen Seite habe ich gemerkt: Es gibt jetzt niemanden mehr, der etwas von mir will – von der eigenen Familie abgesehen.“
Kristen Sonneburg leitet den Bereich „Leben im Alter“
Kirsten Sonnenburg, die beim evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Hamburg-Ost den Bereich „Leben im Alter“ leitet, sagt: „Es kann aber auch sehr befreiend sein, einfach nicht mehr machen zu müssen und für sich selbst neue Prioritäten zu setzen.“ Die 54-Jährige ist Ansprechpartnerin für Seminare und Veranstaltungen in Hamburg und Stormarn. Auch Aumühle und Wentorf gehören zum Gebiet des Kirchenkreises, der 440.000 Mitglieder hat. Die Glinder Seniorenbeiratsvorsitzende Petra Palfi sagt beispielsweise: „Ich habe 46 Jahre gearbeitet, jetzt nehme ich mir die Freiheit, dass der Wecker erst um halb neun klingelt.“ Und Beiratskollege Rainer Pfarr sagt: „Wir gehen gerne zu unseren politischen Ausschüssen, aber wir haben auch ein Leben danach.“
Die Jahre im Ruhestand nur mit Freizeitgestaltung zu verbringen, ist für viele Ältere indes keine Lösung. Denn bei den Menschen in der dritten Lebensphase schlummern enorme zivilgesellschaftliche Potenziale. Das habe gerade der Boom an Flüchtlingshelfern gezeigt, sagt Kirsten Sonnenburg.
Orientierungstage in der Schlossstadt
In Ahrensburg bietet sie jetzt am 18. Oktober, 2. November und 13. November Orientierungstage zum Thema „Wie möchte ich im Alter wohnen“ an. Kernthemen sind: Kann ich in meinem derzeitigen Lebensumfeld alt werden oder was müsste ich ändern, damit es klappt. Denn je älter die Menschen würden, desto wichtiger werde auch das soziale Netz und die Infrastruktur vor Ort. „Ich will alt werden und sterben, wo ich gelebt habe“, hatte Klaus Dörner schon vor gut 20 Jahren gefordert. Sein eingängiger Satz stand für einen neuen Umgang mit Alter, Pflegebedürftigkeit und Sterben. Betreutes Wohnen, ambulante Pflege und hauswirtschaftlichen Hilfen, aber auch vielfältige Kooperationen vor Ort, wie beispielsweise die Glinder Nachbarschaftshilfe, wollen Menschen heute ermöglichen, in ihrer vertrauten Umgebung älter zu werden.
Und auch Stadtplanung, Architekturbüros und Wohnungsbaugesellschaften machen inzwischen ernst damit, dass in den neuen Wohnquartieren Rollatoren wie Kinderwagen über die Schwelle kommen und Häuser so barrierefrei sein müssen, dass auch Rollstuhl oder Krankenbett Platz finden. Pflege sei aber erst im letzten Lebensjahr der Schwerpunkt im Alter. „Zuvor stehen heute bis zu 30 Jahre, die sinnvoll gestaltet werden könnten“, sagt Kirsten Sonnenburg.
Die Initiative zum Seminar kam vom Runden Tisch
Im Glinder Guthaus will sie zusammen mit Helga Westermann am 15. November genau dabei Hilfestellung geben. Im Seminar „Wenn der Wecker nicht mehr klingelt“ geht es um ein erfülltes Leben nach dem aktiven Berufsleben. Die Teilnehmer befassen sich damit, was ihnen die Arbeit gegeben hat: Anerkennung, Beziehungen, Spaß an der Arbeit, Sinn, Geld, das Gefühl, bedeutsam zu sein, Struktur für den Tag, Freiraum vom Partner, Raum, um Ideen auszuleben. Aber sie befassen sich auch damit, was sie gerne loslassen möchten: Stress, Eingespanntsein in fremde Interessen, Ausbeutung ihrer Kraft oder Angst vor Zurücksetzung. An Ende stehen Fragen wie: Was liegt mir am Herzen, was sind meine Ressourcen und Fähigkeiten und wie will ich sie weiter nutzen? Was möchte ich in den Lebensbereichen Familie und Freunde, Nachbarschaft, Körper und Gesundheit, Freizeit und Hobby, Kreativität und Engagement, Spiritualität und Religion realisieren? Wo möchte ich Neues wagen, mich stärker einsetzen und mich weiter entwickeln?
Bei einem kleinen Snack gibt es die Möglichkeit zum Austausch mit den anderen Teilnehmern – ein Angebot, das meist als besonders bereichernd empfunden werde, sagt Kirsten Sonnenburg. Das Seminar in Glinde entstand auf Initiative vom „Runden Tisch Senioren“ in Glinde, ein Kreis von mehr als einem Dutzend Institutionen, die Angebote für Ältere bieten, geleitet von Karin Ackermann vom Gemeinschaftszentrum Sönke-Nissen-Park Stiftung. Die dort engagierten Vereine und Verbände von DRK bis TSV Glinde stellen dort auch sich und ihre Angebote vor, bei denen sich freiwillige Helfer engagieren können. Alle Veranstaltung sind kostenlos.