Glinde. Das Land will Kommunen die Abschaffung von Anliegerbeiträgen ermöglichen. Stormarner Bürgermeister sprechen über neue Finanzierung.
Proteste der Anwohner der Blockhorner Allee in Glinde sind der Grund, weshalb die Stadt derzeit keine Straßen ausbaut mit finanzieller Beteiligung der Bürger. Einige von ihnen wären mit 15.000 Euro dabei gewesen. Daraufhin erwog die Politik einen Systemwechsel von einmaligen hin zu regelmäßigen Beiträgen. In diesem Fall zahlen Anlieger keine hohe Summe, wenn ihre Straße saniert wird, sondern alle Grundstückseigentümer im Ort eine jährliche und wesentlich geringe für sämtliche Arbeiten. Im ersten Halbjahr 2017 sollte darüber abgestimmt werden, wurde es aber nicht.
Verantwortlich dafür ist die neue Landesregierung aus CDU, FDP und Grünen. Ein Gesetzentwurf sieht vor, dass Städte und Gemeinden selbst entscheiden können, ob sie Straßenausbaubeiträge erheben. Noch sind sie laut Kommunalabgabengesetz dazu verpflichtet.
Trittau fordert konkretes Finanzierungskonzept
Das Vorhaben der „Jamaika“-Koalition stößt nicht überall in Stormarn auf Gegenliebe. Denn bei einem Wegfall der Satzung stellt sich die Frage, wer für die Grunderneuerung von Straßen zahlt. „Wenn wir die Kosten nicht umlegen, schlägt das im Haushalt durch“, sagt Trittaus Bürgermeister Oliver Mesch. Kiel mache sich es leicht und verschiebe die Verantwortung auf die Kommunen. Er habe den Politikern in seiner Gemeinde von den Plänen berichtet, die Reaktion sei verhalten gewesen.
„Ziel ist es, dass die Kommunen im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in die Lage versetzt werden, ihrer Verpflichtung zum Ausbau kommunaler Straßen nachzukommen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Diese Formulierung sei Mesch zu schwammig. Er fordert ein konkretes Finanzierungskonzept aus Kiel. Derzeit bringt Trittau die Campestraße auf Vordermann und beteiligt die Anlieger. Über das Maß entscheiden die Kommunen dabei selbst, es können bis zu 90 Prozent der Kosten sein.
Oststeinbek legt Ausbau nach Bürgerprotest auf Eis
Der Oststeinbeker Bürgermeister Jürgen Hettwer betont die Vorteile einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge: „Das mindert den Verwaltungsaufwand, zudem würde das Rechtsrisiko wegen möglicher Klagen wegfallen.“ Oststeinbek ist eine reiche Gemeinde, hat zurzeit 19 Millionen Euro auf dem Konto. Eine komplette Übernahme der Kosten für Straßen würde laut Hettwer jedoch den Haushalt langfristig belasten, wenn man nicht an anderer Stelle spart.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans-Joachim Vorbeck würde Straßenprojekte „mit einer leichten Erhöhung der Grundsteuer“ finanzieren: „Dann werden die Lasten auf alle Schultern verteilt.“ Die Oststeinbeker Verwaltung hatte vorgeschlagen, von diesem Jahr an zahlreiche Straßen in der Gemeinde zu erneuern. Dagegen gab es Widerstand von jenen Anliegern, die zuerst belangt werden sollten. Sie gründeten eine Bürgerinitiative. Daraufhin gaben die Politiker kein Geld für die Planung frei. Das Thema ist bis heute auf Eis gelegt.
Ahrensburg will Beratungen zum Gesetzentwurt abwarten
Sympathie für ein neues Modell hat auch Glindes Bürgermeister Rainhard Zug. Er sagt: „Ein steuerfinanziertes System ist besser, weil solidarischer.“
Sein Reinbeker Kollege Björn Warmer begrüßt die Möglichkeit, Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. Der Verwaltungschef war vor wenigen Tagen bei einem Treffen in Ahrensburg mit Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU), in dessen Zuständigkeit die Ausarbeitung des Gesetzes liegt.
Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach sagt, die Ausgangssituation sei in den Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich. Er wolle zunächst die Beratungen zum Gesetzentwurf abwarten. „Und ich möchte auch erst mit der Politik sprechen, weil dies ein haushaltsrelevantes Thema ist.“
Freie Bürger Oldesloe holen Meinungsbild von Bürgern ein
In Bad Oldesloe gibt es mehrere Fälle, bei denen Anlieger jetzt zur Kasse gebeten werden sollen. Im Ortsteil Seefeld müssen drei von ihnen zu 85 Prozent für einen zwei Kilometer langen Straßenabschnitt aufkommen. Das sorgt nicht nur unter Seefeldern für Unbehagen. Etwa 40 Oldesloer besuchten vergangene Woche eine Infoveranstaltung der Freien Bürger Oldesloe (FBO), bei der die Wählergemeinschaft ein Meinungsbild einholen wollte. „Es wurde dabei sehr deutlich, dass die Oldesloer die Straßenbaubeitragssatzung in dieser Form nicht mehr wollen“, sagt Politiker Matthias Rohde.
Sollte das Land die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, könnte sich Rohde eine Abschaffung der Anliegerbeiträge bei einer Erhöhung der Grundsteuer vorstellen. Die Mehreinnahmen aus der Steuererhöhung müssten dann aber zweckgebunden in die Straßensanierungen fließen.
Reinfeld setzte Beitragssatzung vor sechs Jahren neu auf
In Bad Oldesloe läuft die seit 20 Jahren gültige Straßenbaubeitragssatzung zum 31. Dezember 2017 aus. Das will die FBO zum Anlass nehmen, um die Abschaffung der Anliegerbeiträge in den politischen Gremien zu diskutieren. Die Stadtverwaltung stellt klar, dass es auch um ein neues Finanzierungsmodell gehen muss. „Es gibt sicherlich Kommunen, die auf eine Erhebung von Beiträgen verzichten können“, sagt Stadtkämmerin Mandy Treetzen. Aber Bad Oldesloe gehöre nicht dazu.
In der Nachbarstadt Reinfeld wurde die Beitragssatzung vor sechs Jahren neu aufgesetzt. „Ich kann nachvollziehen, dass viele Bürger es als ungerecht empfinden, wenn sie fünfstellige Summen für die Sanierung einer Straße bezahlen sollen, die von allen benutzt wird“, sagt Bürgermeister Heiko Gerstmann. Eine für alle gerechte Lösung zu finden, hält der Reinfelder Verwaltungschef für extrem schwierig. Gerstmann: „Mit einer einfachen Grundsteuererhöhung ist es nicht getan. Dann beschweren sich jene, die in den vergangenen Jahren viel Geld für eine Straßensanierung bezahlen mussten.“ Seiner Meinung nach müssten diese Anlieger dann für einen gewissen Zeitraum von der Steuererhöhung befreit werden.
Grundeigentümerverein hält Abgabe für alle für gerechter
Bargteheides Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht sagt: „Die Kommunalpolitiker werden darauf blicken müssen, ob Aussagen wahr gemacht werden, den Städten und Gemeinden über den Finanzausgleich Mittel zukommen zu lassen.“ Die Einnahmeausfälle seien schließlich nicht durch Mehreinnahmen an anderer Stelle gedeckt. „Als Mittel käme dafür nur eine drastische Erhöhung der Grundsteuern in Betracht.“ Grundsätzlich begrüßt Kruse-Gobrecht das Vorhaben, die Kommunen entscheiden zu lassen.
Der Haus- und Grundeigentümerverein Haus & Grund fordert eine Abschaffung der Abgabe. „Alle Bürger benutzen Straßen. Daher ist es gerecht, wenn die Kosten des Straßenbaus von allen geschultert werden und nicht nur von den Eigentümern,“ sagt der schleswig-holsteinische Verbandsvorsitzende Alexander Blažek. Die Gegenfinanzierung könne über eine maßvolle Anhebung der Grundsteuer erfolgen. Diese würden Immobilieneigentümer und Mieter – Letztere über die Betriebskosten – gleichermaßen bezahlen müssen.