Reinbek. Immer mehr Angebote beim offenen Ganztagsunterricht. Die TSV Reinbek hat ein neues Konzept nach dem Baukastenprinzip eingeführt.

Die neun Jahre alte Luisa steht im Tor und versucht noch, mit ihrem Plastikschläger den Ball abzuwehren. Zu spät. Louis’ Schuss ist zu präzise, 2:0. Er dreht jubelnd ab, fünf Minuten vor dem Unterrichtsende um 15.55 Uhr. Sie haben Spaß beim Floorball, einer skandinavischen Hockeyvariante, die Dritt- und Viertklässler der Reinbeker Grundschule Mühlenredder. Das verraten ihre Gesichter und der Geräuschpegel. Dann setzt Lasse Paulsen dem fröhlichem Treiben ein Ende, in den Umkleideräumen warten schon die Eltern. Der 22-Jährige ist kein Lehrer, sondern als Trainer der TSV Reinbek in der Halle. Der Verein organisiert inzwischen die sportlichen Aktivitäten beim offenen Ganztagsunterricht an drei Grundschulen der Stadt, hat dafür ein Konzept entwickelt, das es so in Stormarn noch nicht gegeben hat.

Das Prinzip funktioniert nach dem Baukastensystem: Die TSV offeriert diverse Sportarten, und die Schule sucht sich jene aus, die sie benötigt. Bei Krankheit der Trainer fällt der Unterricht nicht aus, Ersatz ist garantiert. Auch anderenorts im Kreis gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Vereinen und Bildungseinrichtungen, allerdings bietet die Reinbeker Variante den Schulen die größten Gestaltungsmöglichkeiten.

Konzept umfasst 17 Kurse, darunter Yoga und Line-Dance

„Viele Jungen und Mädchen sind nachmittags immer länger in den Schulen, haben also weniger Zeit, Sport im Verein zu treiben. Zudem kommen wir später an Hallenstunden als früher“, sagt TSV-Geschäftsführer Rüdiger Höhne. Also ging die knapp 4000 Mitglieder zählende TSV an die Schulen. Am Mühlenredder ist sie schon seit zehn Jahren aktiv, zu Beginn weniger intensiv als heute.

Seit diesem August profitieren rund 400 Jungen und Mädchen an den Grundschulen vom neuen Konzept. Es beinhaltet zum Beispiel Fußball, Tischtennis, Turnen, Yoga, Tanzgymnastik, Qigong in Balance, Parcouring , Line-Dance und auch Tennis. Das Leistungsspektrum umfasst 17 Kurse, einige davon richten sich an weiterführende Schulen. Auch in diesem Bereich strebt der Verein Kooperationen an. Eine Einheit dauert 60 Minuten, die Trainer stehen zwischen 14 und 16 Uhr zur Verfügung. Zwölf Übungsleiter sind für die TSV Reinbek am Start, Freiberufler mit spezieller Ausbildung.

Schüler können Optimierungsvorschläge machen

„Mit Ehrenamtlern ist das wegen der Zeiten für uns nicht zu leisten“, sagt Uwe Schneider. Der 47-Jährige ist sportlicher Leiter der TSV, hat das Konzept binnen neun Monaten zusammen mit Paulsen erarbeitet. Der macht ein duales Studium beim Verein, ist zwei Tage in der Woche an der Universität und drei in Reinbek. Im kommenden Jahr will er den Bachelor of Arts in Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Sportmanagement in der Tasche haben. Die beiden Sportexperten sind Ansprechpartner für die Schulen.

Kinder wählen den Kursus in der Regel für ein Jahr. Schulen können nach der Hälfte der Zeit Optimierungsvorschläge für den kommenden Sommer machen. „Wir passen unser Angebot den Wünschen an“, sagt Paulsen. Der Verein rechnet direkt mit den Trägern der offenen Ganztagsschulen ab. Im Fall Mühlenredder ist das der Förderverein. Martina Kay ist die Ganztagskoordinatorin der Schule. Sie sagt: „Früher sind Kurse auch mal ausgefallen, jetzt haben wir eine Verbindlichkeit. Das ist eine große Erleichterung.“

Für Ganztagsbetreuung zahlen Eltern monatlich 190 Euro

Die Schule hat mehr als ein halbes Dutzend Kurse gebucht, Trainer sind täglich vor Ort. Ein Platz im offenen Ganztag von 7 bis 8 Uhr am Morgen sowie nachmittags bis 17.30 Uhr an fünf Tagen in der Woche – Freitag endet die Betreuung um 16.30 Uhr – kostet Eltern 190 Euro im Monat. Mittagessen und Sport sind inbegriffen. Kinder können auch bei mehreren Sportkursen mitmachen, der Betrag bleibt gleich. Die kleine Luisa beschränkt sich auf Floorball, hat außerdem einen Kochkursus gewählt. Vom Sportangebot ist sie begeistert: „Das macht riesigen Spaß. Ich will auf jeden Fall weitermachen.“

Noch nicht so weit wie der Reinbeker Verein ist der TSV Bargteheide. „Wir haben keine festen Kooperationen mit Schulen, sondern nur projektbezogene“, sagt Jugendwart Joachim Brodmann. Dafür profitiert die Bargteheider Emil-Nolde-Grundschule von einer dauerhaften Zusammenarbeit mit dem Ahrensburger TSV. Er ist Stormarns größter Sportverein. Die ATSV-Handball-Abteilung ist dort genauso an Nachmittagen aktiv wie an den Ahrensburger Grundschulen Am Hagen und Am Reesenbüttel sowie an den Grundschulen Schmalenbek in Großhansdorf und Bünningstedt in Ammersbek. Verantwortlich für die Einheiten ist der hauptamtliche Trainer Carsten Meyer. „Wir haben mit den Kooperationen vor fünf Jahren angefangen“, sagt Abteilungsleiter Lars Kiesbye. „Für unsere Einsatzzeiten zahlen die Schulen, allerdings nur eine minimale Summe.“

Basketball-Abteilung unterstützt Grundschulen

Darüber hinaus unterstützen Ehrenamtliche der Basketball-Abteilung an fünf Grundschulen Lehrer über jeweils vier Wochen. Die Tischtennis-Sparte bietet Kurse an drei Grundschulen und der Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule an. Das Training leitet eine junge Kraft, die einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) absolviert. Für die Bildungseinrichtungen ist dieser Service kostenlos. Im Schulsport engagieren sich auch die Fußball- und Jugendturnabteilung.

Der VfL Oldesloe kooperiert mit drei örtlichen Grundschulen beim offenen Ganztagsunterricht sowie der Theodor-Storm-Gemeinschaftsschule. Auf dem Programm stehen Judo, Turnen, Fußball, Ringen und Raufen, Badminton sowie der Kursus Rückschlagspiel. Das Training leiten drei Ehrenamtler. „Die Schulen vergüten uns die Arbeit“, sagt die Vereinsvorsitzende Gudrun Fandrey. Es gebe Überlegungen, das Angebot auszubauen.

Schüler kommen in Glinde kostenlos ins Fitnessstudio

Joachim Lehmann, Vorsitzender des TSV Glinde
Joachim Lehmann, Vorsitzender des TSV Glinde © HA | René Soukup

Aktiv in Sachen Schule ist auch der TSV Glinde. Beim offenen Ganztag der Grundschule Wiesenfeld können Kinder zwischen Volleyball, Ballsport, Hip-Hop sowie Tennis wählen. „Dafür zahlt die Stadt an den Verein“, sagt der hauptamtliche Vorsitzende Joachim Lehmann. Die Grundschule Tannenweg hat zwar keinen offenen Ganztag, trotzdem bietet der Verein dort nachmittags kostenlos Volleyball, Floorball und Schwimmen an. Ab Oktober nutzen Oberstufenschüler des Gymnasiums das TSV-Fitnessstudio gratis. Unentgeltliche Kurse gibt es auch an den beiden Gemeinschaftsschulen. Der TSV jetzt dafür als Trainer FSJ-ler und Honorarkräfte ein. Lehmann: „Das kostenlose Angebot an Schulen ist eine Investition in die Zukunft des Vereins. Es bietet zum Beispiel die Chance, Kinder dafür zu begeistern, später einmal Übungsleiter bei uns zu werden.“