Ahrensburg. Jedes Jahr weist der Kinderschutzbund vor dem Ahrensburger Schloss auf Kinderarmut hin. Die gibt es vermehrt auch im reichen Stormarn.

Die Wiesen vor dem Ahrensburger Schloss sind ein Armutszeugnis – und zwar jedes Jahr wieder, wenn der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) zum Weltkindertag mit einer besonderen Aktion auf die Kinderarmut im Kreis aufmerksam macht. Gestern steckten dort weit mehr als 7000 blaue Fähnchen, jedes einzelne steht für ein betroffenes Kind. Jedes sechste Kind in Stormarn lebt nach Angaben des DKSB in sogenannter relativer Armut. Es lebt also in einer Familie, die weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Vor 13 Jahren, bei der ersten Fähnchenaktion des Deutschen Kinderschutzbunds in Stormarn, waren es nur 1980.

Das Bild wirft Fragen auf: Warum steigt die Kinderarmut im Kreis Stormarn, der zu den wohlhabendsten und wirtschaftlich stärksten in Deutschland zählt? In Hamburg ist jedes vierte Kind von Armut betroffen, bundesweit jedes fünfte. „Obwohl die Arbeitslosenzahl in Deutschland so gering wie lange nicht ist, leben immer mehr Kinder und Jugendliche in Armut“, sagt Birgitt Zabel vom DKSB. Laut Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung liegen die Gründe für Kinderarmut in der Arbeitssituation der Eltern. Für Kinder, deren Eltern erwerbslos sind, liege das Armutsrisiko bei 64 Prozent, arbeitet ein Elternteil in Vollzeit, seien es nur 15 Prozent. Sind beide Eltern in Vollzeit beschäftigt, sind es fünf Prozent.

Ein Grund: steigende Anzahl der Alleinerziehenden

Diese Faktoren treffen auch für Stormarn zu. „Einer der Gründe für die hohe Zahl in Stormarn ist die steigende Anzahl der Alleinerziehenden“, sagt DKSB-Geschäftsführer Ingo Loeding. „Ein weiterer ist die Zahl der anerkannten Asylbewerber, die in der Statistik unter Hartz IV fallen.“

Diese Angaben finden sich auch im Bericht der Bundesregierung. Besonders Kinder mit Migrationshintergrund seien stärker durch Armut gefährdet, da in deren Familien generell weniger Erwerbstätige leben. „Oft kommen Familien aus der Armutsfalle nicht mehr heraus, wenn sie einmal davon betroffen waren“, sagt Loeding.

DKSB fordrert für Stormarn kommunale Hilfsfonds

Mit Kinderarmut müssen sich auch Schulen beschäftigen. Lehrer seien gefordert, um Ungleichheiten zu minimieren. Kinder sollten Verständnis für die finanzielle Situation der Mitschüler zeigen. Zum Beispiel Klassenreisen können eine einkommensschwache Familie stark belasten. In der Regel geben Eltern 1000 Euro pro Jahr für ihre Kinder aus, um Bücher, Ausflüge und Klassenfahrten zu bezahlen. Darum fordert der DKSB für Stormarn kommunale Hilfsfonds für arme Kinder und Familien und die kostenfreie Nutzung von kulturellen Veranstaltungen. Hier zeigen sich bereits erste Erfolge. Ahrensburg hat in diesem Jahr das städtische Ferienprogramm kostenlos für Kinder angeboten.

Laut Kreispräsident Hans-Werner Harmuth, Schirmherr der Stormarner Kindertage, müssen Bund und Land an einem kindgerechten Land arbeiten. „Es ist ein gesellschaftliches Problem, die Kommunen können das nicht alleine leisten.“

Schüler sagt: „Ich bekomme Armut gar nicht so mit“

Der Bund stellt diverse Mittel zur Verfügung, die Kinder vor Armut schützen sollen. Neben Kindergeld und Wohngeld soll das Bildungs- und Teilhabepaket speziell das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen sichern. „Auch Eltern, die mit ihrem Gehalt knapp über das Existenzminimum kommen, können trotzdem das Bildungs- und Teilhabepaket beantragen“, sagt Andreas Franck vom Jobcenter in Bad Oldesloe.

130 Schüler aus unterschiedlichen Schulklassen von Selma-Lagerlöf-Schule, Stormarnschule und Beruflicher Schule Ahrensburg haben am Mittwoch vor dem Ahrensburger Schloss mit den Fähnchen ein Bild der Gegensätze erstellt. „Das Ahrensburger Schloss steht für Macht und Wohlstand. Die Fähnchen der Armut stellen einen guten Kontrast dar“, sagt Loeding.

Und die Botschaft kommt auch bei den Schülern an. „Ich bekomme Armut gar nicht so mit“, sagt Florentyna Erdelbrock von der Selma-Lagerlöf Schule. Sie denke dabei immer eher an andere Länder. „Dass es sie auch in Stormarn gibt, konnte ich mir so gar nicht vorstellen.“ Dass sich die Schüler intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, freut Ingo Loeding: „Gerade weil man es sich in Stormarn nicht vorstellen kann, sind die Fähnchen so wichtig.“