Ahrensburg. Problemlos parken, bequem einkaufen und dabei die Umwelt schonen – geht das? Das Abendblatt hat „Leila“ auf Alltagstauglichkeit geprüft
Jürgen Hentschke vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) definiert ein klares Ziel: „Wir wollen uns mit dem Projekt für den Umweltschutz einsetzen und gleichzeitig mehr Menschen für das Fahrradfahren begeistern. Man muss nicht für ein Pfund Kaffee mit dem Auto in die Stadt fahren.“ Hentschke ist stellvertretender ADFC-Vorsitzender in Ahrensburg und koordiniert den Verleih von „Leila“ – kurz für leihbares Lastenfahrrad. Wer möchte, kann Leila im September kostenlos in Ahrensburg für Probefahrten ausleihen.
Seit März dieses Jahres ist Leila in ganz Schleswig-Holstein unterwegs, darunter Flensburg, Neumünster und Eutin. Geplant war das Projekt zunächst für ein Jahr, doch wegen der starken Nachfrage kann das Rad ein weiteres Jahr, auch in den Wintermonaten in Schleswig-Holstein gemietet werden.
In Ahrensburg herrscht eine große Nachfrage
Finanziell unterstützt wurde Leila von Bingo der Umweltlotterie, denn das Rad ist nicht günstig: rund 2500 Euro kostet das Lastenfahrrad der Firma Babboe. Erfunden wurde das Transport- und Lastenfahrrad Anfang der 1970er-Jahre in Kopenhagen, fährt aber mittlerweile in vielen deutschen Großstädten und nun auch in der Schlossstadt. „In Ahrensburg ist das Lastenfahrrad schon gut ausgebucht, im Unterschied zu den anderen Kreisen“, sagt Jürgen Hentschke. In Pinneberg und Henstedt-Ulzburg war die Resonanz deutlich geringer als jetzt schon in Ahrensburg.
Auch Ramona Kubbutat möchte das Lastenfahrrad testen, um Einkäufe und ihre Kinder zu transportieren. Für die 33-Jährige und ihre zwei Töchter ist das Fahrrad in der Stadt das Hauptverkehrsmittel, ganz auf ein Auto verzichten möchte die Ahrensburgerin aber nicht. „Mein Mann fährt einen Dienstwagen. Ich möchte die Sicherheit haben, schnell mobil zu sein, wenn irgendwas mit den Kindern ist, sie zum Arzt müssen“, sagt Kubbutat. Bis jetzt hat die zweifache Mutter ihre 5-jährige Tochter Finya auf dem Kinderfahrradsitz mitgenommen. Als ihre zweite Tochter Luisa vor 14 Monaten geboren wurde, musste eine Lösung für den Transport beider Kinder geschaffen werden. Seit anderthalb Jahren nutzt sie nun einen Fahrradanhänger, um die Mädchen mitnehmen zu können.
Lastenfahrrad hat ein Eigengewicht von 20 Kilogramm
Kann das Lastenfahrrad eine Alternative zum Anhänger oder gar Auto sein? Die Abendblatt-Redaktion hat in Ahrensburg den Test gemacht.
Die ersten Anfahrtsversuche mit Leila sind wackelig, da spürbar mehr Kraft und Balance aufgewendet werden müssen, als bei einem herkömmlichen Fahrrad. Mit einer Länge von 2,55 Metern und 20 Kilogramm Eigengewicht ist Leila am Anfang nicht ganz leicht zu fahren. Hinzu kommt der Holzkasten, in dem eine Sitzbank samt Anschnaller eingebaut ist. Zwei Kinder zwischen ein und sechs Jahren können hier Platz nehmen. Rund 30 Kilogramm wiegen Kasten und Fahrrad zusammen. Ein eingebauter Elektromotor, der von einem Akku gespeist wird, soll das Anfahren am Berg und das Fahren bei schwerer Belastung erleichtern. Dafür befindet sich am Lenker eine Bedienkonsole. Mit zwei Pfeilen kann die Tretunterstützung hoch- oder runtergestellt werden kann. Ein Indikator zeigt an, in welcher Motoreinstellung gefahren wird; der andere zeigt an, wie voll der Akku noch ist. Mit dem „walk assistance“-Knopf wird der Fußgängergang aktiviert, der das Lastenrad mit Tempo vier beim Schieben unterstützt. Je nach Belastung können zwischen 40 und 60 Kilometer mit einer vollen Akkuladung zurückgelegt werden.
Leila findet schnell und unkompliziert einen Parkplatz
Der ausladende Wendekreis erschwert das Abbiegen, von einem Wendemanöver mal ganz abgesehen. Mit zwei vollen Getränkekisten fordert das Fahren auf schmalen Fahrradwegen viel Geschick und Kraft. Zeit für die Tretunterstützung. Stufe Low empfiehlt der Hersteller für die Gänge eins und zwei, Medium für Gänge drei bis fünf und High für Gänge sechs bis sieben. Durch kontinuierliches Treten kann ein zügiges Tempo aufgebaut werden, das aber mit Vorsicht zu genießen ist: Bei hohen Geschwindigkeiten lässt sich Leila doch recht schwer beherrschen.
Das Problem der Parkplatznot in der Stadtmitte kann Leila leicht umgehen, genug Fahrradständer gibt es, nur muss der Abstellplatz geräumig sein. In die Bügelparker vor dem CCA passt Leila nicht. Fahrradexperte Hentschke empfiehlt: „Das Rad sollte mit dem Rahmen immer an etwas Festmontiertem angeschlossen werden, damit es nicht so leicht gestohlen werden kann.“
Reservierungskalender im Internet
Unser Fazit: Die Transportkiste bietet genug Raum, um umweltfreundlich und unkompliziert Einkäufe, Kind und Hund zu befördern. Durch den bequemen Sattel und die aufrechte Sitzposition sind auch längere Fahrten bestreitbar. Der größte Vorteil von Leila ist die problemlose Parkplatzsuche: Es finden sich immer genug Stellflächen. Nur auf engen Fahrradwegen und in belebten Einkaufsstraßen ist Leila sperrig.
Ramona Kubbutat war zufrieden. Besonders praktisch findet sie, dass sie ihre Kinder im Blick hatte: „Die Mädels haben die Fahrt sehr genossen und auch mein Mann hat das Lastenrad gern zum Einkaufen genutzt“, sagt sie. Ein eigenes Lastenrad wird sich die Familie jedoch nicht kaufen. Dafür sei es zu unflexibel und der Preisunterschied zum Fahrradanhänger zu groß.
Je nachdem wie erfolgreich das Projekt ist, denkt der ADFC in Schleswig-Holstein über eine dauerhafte Ausleihmöglichkeit nach. Der Reservierungskalender auf der Internetseite des ADFC (www.adfc-stormarn.de) zeigt die freien Tage an. Nutzer müssen einen kurzen Erfahrungsbericht ausfüllen. Reservierungen nimmt Jürgen Hentschke per E-Mail unter adfc.hentschke@web.de oder Telefon 04102/45 50 69 an.