Barsbüttel. Die 150-Stunden-Reportage zum Jubiläum des Kreises Stormarn. Das Abendblatt ist für Sie unterwegs
Es ist nicht ganz leicht, Stormarn zu betreten – zumindest, wenn man sich vornimmt, es am südlichsten Punkt des Kreises zu versuchen. Denn dieser Zipfel ist von zwei Seiten gegen Eindringlinge bewehrt: im Süden die Bille, im Norden die Bahngleise. Und so bleibt als erste Erkenntnis des Tages: Stormarn kann auch Urwald. Der Blick von der Hamburger Seite über den kleinen Fluss in das nur wenige Meter entfernte Kreisgebiet zeigt ein dicht bewachsenes, verwildertes Gelände, das vermutlich sehr lange Zeit nicht von Menschen betreten wurde. Und so halten auch wir uns zurück und lassen diesen Teil Stormarns unberührt. Es gibt ja noch andere Ecken.
Wenige hundert Meter nördlich ebnet uns am Bille-Wanderweg eine Holzbrücke den Weg über den Fluss und damit auf Stormarner Gebiet. Jetzt kann sie also richtig losgehen, die 150-Stunden-Reportage aus Stormarn. Aus Anlass des 150-jährigen Bestehens des Kreises werden wir bis zum kommenden Sonntag immer im Kreis unterwegs sein und berichten. Was bewegt die Menschen hier am nordöstlichen Rand der Metropole Hamburg? Was sind die Themen, die Ihnen wichtig sind? Und für uns als Redaktion besonders wichtig: Was können wir aufgreifen, um zu helfen?
Es ist sehr ruhig an diesem Montagmorgen im südlichen Ende des Kreises. Stormarn arbeitet oder Stormarn ist im Urlaub. Zwei vereinzelte Jogger traben durch den Mischwald, dessen Baumkronen die ersten Sonnenstrahlen durchlassen und die frühmorgendliche Feuchtigkeit auf den Wiesen und Wegen zum Verdampfen bringen. Ein idyllisches Fleckchen Stormarn, ohne Frage. Nur etwas schwer zu erreichen.
Viele Besucher beim Stand des Abendblatts in Barsbüttel
Sehr viel leichter zu erreichen – zumindest mit dem Auto – ist der heutige Standort unserer kleinen rollenden Redaktion, die wir um 12 Uhr im Barsbütteler Nahversorgungszentrum Am Akku aufgebaut haben. Doch die Erreichbarkeit wird auch hier eine Rolle spielen. Denn viele der Bürger, die sich eigens auf den Weg zu unserem Stand gemacht haben, sind mit dem Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs nicht zufrieden.
Walter (79) und Vera (78) Behnken wünschen sich eine bessere Taktung der Busse nach Hamburg. Der Rentner sagt: „Solange sich das nicht ändert, fahren wir mit dem Auto nach Wandsbek und von dort aus mit der Bahn weiter in die Innenstadt.“ Das Paar wohnt in einem Reihenhaus in Barsbüttel und macht sich Gedanken, wo es einmal leben wird, wenn es denn Garten nicht mehr bewirtschaften kann oder der Gesundheitszustand einen Umzug erfordert. „Leider gibt es in Barsbüttel zu wenig Seniorenwohnungen“, moniert Vera Behnken. Deshalb haben sie sich bereits in Einrichtungen in Poppenbüttel und Sasel vormerken lassen. Wie viele andere Barsbütteler fordern auch die Behnkens eine öffentliche Toilette am Nahversorgungszentrum.
Bei Physiotherapeut Nino Meisen, der in einer Reha-Praxis im neuen Ärztezentrum arbeitet, bekommt der Standort Bestnoten. „Er ist ideal, weil man hier ganz viele Dinge an einem Ort vorfindet“, sagt er. Gleichwohl erwähnt er auch, dass Patienten ohne Auto, die womöglich auch noch auf einen Rollator angewiesen sind, sich häufig über die schwierige Erreichbarkeit beklagen. „Eine Bushaltestelle wäre dringend nötig“, so Nino Meisen.
Das Thema Busverbindung brennt auch Jörn Haase aus dem Ortsteil Willinghusen unter den Nägeln. „Früher haben wir von uns bis nach Wandsbek 25 Minuten benötigt. Es wäre klasse, wenn das wieder so sein könnte.“ Inzwischen sei die Strecke über das Gewerbegebiet mit Halt bei Möbel Höffner geändert worden, die Fahrzeit habe sich auf 40 Minuten ausgedehnt. Der 81 Jahre alte frühere Berufsfeuerwehrmann ist Gründer der Tischtennissparte des Willinghusener SC und immer noch an der Platte aktiv. Er freut sich, dass der Verein jetzt eine neue Sportanlage mit einem großen und kleinen Kunstrasen-Fußballfeld, einer 50 Meter langen Tartanbahn sowie einer Weitsprunganlage für rund 1,4 Millionen Euro erhält. Mit dem Bau wurde jüngst begonnen.
Während die einen mehr Buss fordern, macht anderen ein anderer Aspekt des Verkehrs Sorgen. Anwohner Horst Lange spricht sich dafür aus, dass die Straße Am Akku ein verkehrsberuhigter Bereich, also eine Tempo-30-Zone werden sollte. Und: Es gebe nur eine „Sprunginsel“ und keinen Zebra-Streifen zwischen Altenheim und Einkaufszentrum.
Neben dem Thema Verkehr wird in Barsbüttel aber auch immer wieder über die umstrittene Sanierung des Rathauses geredet. Der von der Politik vorgesehene Neubau wurde durch einen Bürgerentscheid gestoppt. Nun soll das alte Gebäude am Stiefenhofer Platz für mindestens 8,5 Millionen Euro renoviert und vor allem brandsicher gemacht werden.
Leser äußern auch ihre Kritik am Hamburger Abendblatt
Viele Abendblatt-Leser nutzen die Gelegenheit, um mit uns über die Zeitung zu sprechen und ihre Meinung zu verschiedenen Teilen des Abendblatts äußern. Mal geht es dabei um die „Leute, Leute“-Rubrik auf der Seite „Aus aller Welt“, mal um den zu sehr mit Fußball überfrachteten Sportteil und mal um die teilweise zu verschachtelten und schwer verständlichen Sätze im Kulturteil. Manche Leser wünschen sich ein kleineres Format der Zeitung, andere berichten von Problemen mit verspäteter Zustellung. Das Ziel der rollenden Redaktion, für all diese Themen ein Forum zu bieten, hat also am ersten Tag schon mal bestens geklappt.
Der 150-Stunden-Reporter macht sich im Anschluss auf den Weg in Richtung Reinbek, wo wir am Dienstag ebenfalls ab 12 Uhr am Täbyplatz stehen werden. Bis dahin gibt es aber noch viel in diesem Teil Stormarns zu entdecken. Und so geht es über Umwege durch die benachbarten Gemeinden. Zum Beispiel nach Stapelfeld, wo die roten Tartanbahnen des neue Sportplatzes Am Drehbarg in den wenigen Sonnenstrahlen leuchten. Das Projekt hatte für viel Wirbel im Ort gesorgt. Und jetzt liegt die Anlage wie gemalt in der Landschaft.
Oder nach Brunsbek, wo die Milchtankstelle von Bauer Christian Fischer auf Kundschaft wartet. Der Hof, der vor rund einem Jahr von einem großen Feuer heimgesucht wurde, wird so langsam wieder aufgebaut. Der abgebrannte Kuhstall hat wieder ein Dach, das Fundament des neuen Wohnhauses ist gegossen.
Ein erstes Fazit nach zwölf von 150 Stunden? Ein Tag kann schnell vorbei gehen, wenn man so viele Eindrücke bekommt. Und: Die 150 Stunden werden – das ist jetzt schon absehbar – niemals reichen, um alles zu verarbeiten, was wir erleben und was wir erfahren. Aber diese 150 Stunden werden viele Ansätze für viele weitere Geschichten bieten. Morgen geht es weiter.
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