Ahrensburg/Lütjensee. In 227 Gastro-Betrieben in Stormarn sind 67 Stellen unbesetzt. Seehof am Lütjensee bewirtet Gäste an fünf statt sieben Tagen die Woche.

Gastronomen und Hoteliers in Stormarn beklagen einen akuten Bedarf an Fachkräften. Rund 4617 Menschen sind nach Angaben der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe in dieser Branche kreisweit in 227 Betrieben beschäftigt. 67 Stellen sind offiziell als frei gemeldet. Allerdings werden weit mehr Personen benötigt, weil nicht alle Firmen fehlendes Personal angeben, heißt es aus der Kreisstadt. Ein erstes Restaurant reagiert nun auf die Situation mit eingeschränkten Öffnungszeiten. Jürgen Stolze, Inhaber des Seehofs in Lütjensee, sagt: „Die Ruhetage Montag und Dienstag mussten wir einführen, wir haben nicht genug Personal.“

Das 1949 gegründete Familienunternehmen hatte bis vor vier Jahren an sieben Tage in der Woche geöffnet. Das ist nun anders. „Es wird immer schwieriger für Restaurants, ausgebildete Fachkräfte zu finden“, sagt Axel Strehl, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Schleswig-Holstein. Der Ahrensburger betreibt selbst ein Restaurant an der Straße Reeshoop und weiß, wie rar derzeit gelerntes Personal ist.

Keine Resonanz auf Annoncen in Zeitungen

Im Seehof am Lütjensee ist die Situation besonders heikel. Wo früher 13 Mitarbeiter in der Küche beschäftigt waren, stehen jetzt nur noch drei am Herd des renommierten Lokals. Auch im Service ist die Lage angespannt. Vier Kräfte bedienen die zahlreichen Gäste. Früher waren es sieben plus zwei Auszubildende. Die Folge: Auf der beliebten Außenterrasse mit Seeblick wurde die Zahl der Plätze reduziert. Das Restaurant bekommt auch Beschwerden von Gästen per E-Mail, weil sie nicht rechtzeitig bedient wurden.

Inhaber Stolze sind die Hände gebunden. Auf seine Annoncen in Zeitungen gab es keine Resonanz. Auch versucht er, über die Homepage des Restaurants Personal zu rekrutieren – mit wenig Erfolg. Derzeit wirbt Stolze im Internet um junge Menschen, die eine Ausbildung zum Koch anstreben. Doch er und sein Sohn Jens sind sich einig: „Der Fachkräftemangel ist inzwischen existenzbedrohend.“ Noch ist das Restaurant Seehof laut Stolze gut besucht. Seine Kunden schätzten besonders Karpfen und Wild aus der Region. Jürgen Stolze und sein Sohn Jens, der als Koch im elterlichen Betrieb arbeitet, bejagen das Gebiet rund um den Lütjensee. Sie brechen die Tiere selbst auf, ziehen ihnen das Fell ab und zerlegen es in ihre Einzelteile zur Verarbeitung. Nicht zu vergessen die selbstgezogenen Karpfen. Gelagert in einem Tank in der Küche, wird das Schuppentier auf Kundenwunsch frisch zubereitet. Jens Stolze sagt zum Abendblatt: „Hier wird noch alles selber gemacht.“

Jens Stolze, Koch im Restaurant Seehof, sagt: „Der Fachkräftemangel in der Gastronomie ist inzwischen existenzbedrohend.“ HA Johanna Pankow 127 Menschen aus der Branche im Kreis arbeitslos gemeldet

Der Seehof ist eines der 190 Stormarner Restaurants, Gaststätten, Imbissbuden und Cafés, die bei der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck gelistet sind. Dazu kommen 37 Hotels, Pensionen und Gasthöfe. Viele von ihnen suchen Mitarbeiter. Trotzdem werden die Branchen Hotellerie und Gastronomie in der sogenannten Fachkräfte-Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit nicht als Berufsgruppe geführt, in der Personalmangel herrscht.

„Es ist eigentlich nicht zu wenig Personal da“, sagt Axel Strehl und spielt auf die 127 Menschen aus der Branche an, die in Stormarn arbeitslos gemeldet sind. Laut Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe werden durch die hohe Nachfrage qualifizierte Bewerber in der Regel auch einen Arbeitsplatz finden – wenn sie denn möchten. Ein wichtiges Kriterium bei der Berufswahl sei neben der Bezahlung auch die Freizeit. „Die Jugend will nicht mehr am Wochenende arbeiten“, sagt Jens Stolze. Damit breche ein Teil des Freundeskreises weg, der nicht am Abend oder am Wochenende arbeitet. Das reichhaltige Angebot an Berufen und Lehrstellen in anderen Branchen ist laut Karin Vladimirov, Pressesprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), ebenfalls ein Grund für die ausbleibenden Bewerbungen in der Gastronomie. Sie sagt: „Die Branche hat ein schlechtes Image.“

Betriebe in Schleswig-Holstein zahlen über Tarif

Axel Strehl vom Hotel- und Gaststättenverband sagt: „Es wird immer schwieriger für die Restaurants, ausgebildete Fachkräfte zu finden.“
Axel Strehl vom Hotel- und Gaststättenverband sagt: „Es wird immer schwieriger für die Restaurants, ausgebildete Fachkräfte zu finden.“ © Heinemann

Axel Strehl ist überzeugt, dass der Betrieb dafür verantwortlich ist, den Arbeitsplatz attraktiv zu gestalten: „Er muss ein ansprechendes Umfeld und ein gutes Miteinander schaffen.“ Dazu gehöre auch eine geregelte Entlohnung. Schleswig-Holstein ist nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten eines der westdeutschen Bundesländer mit den niedrigsten Löhnen im Gastgewerbe.

Laut Strehl entlohnen die meisten Betriebe in Schleswig Holstein über Tarif. Das trifft auch auf den Seehof zu. Dort arbeiten die Beschäftigten an viereinhalb Tagen in der Regel 40 Stunden und in Ausnahmefällen auch mehr. Hinzu kommt das Trinkgeld. Köche und Restaurantfachpersonal verdienen im ersten Berufsjahr 1664 Euro brutto im Monat. Im vierten steigert sich das Tarifgehalt auf 2024 Euro. Trotzdem findet sich kaum Nachwuchs für den Beruf Restaurantfachmann. Strehl: „Es ist schade, dass auch Kräfte den Beruf ausüben, ohne ihn gelernt zu haben.“

Um aus ungelernten Personen Experten zu machen, bietet das Land Schleswig-Holstein einen alternativen Ausbildungsplan an. Das Profi-Gastgeber-Programm ermöglicht Mitarbeitern, die länger als vier einhalb Jahre im Gastgewerbe arbeiten, den Beruf zu erlernen. Von Januar bis März gibt es Angebote zu einer schulischen Ausbildung an einem der drei Standorte in Kiel, Husum oder Lübeck. Während der Hauptsaison arbeiten die angehenden Fachleute weiter in den Betrieben. Die Agentur für Arbeit bezuschusst das Gehalt der Lehrlinge. Das Konzept trägt Früchte: In diesem Jahr machen 14 Auszubildende den Abschluss, im kommenden Jahr treten 35 Lehrlinge an.