Bad Oldesloe. Schreckschüsse, Falkner, Uhus: Nichts half wirklich. Die Kommunen stellen die Vergrämungsaktionen gegen die Vögel ein.

Sie ist schwarz gefiedert, brütet in Kolonien und zählt zu den Rabenvögeln. Doch wegen ihrer heiseren Rufe ist die Saatkrähe wohl einer der unbeliebtesten Singvögel der Nation. Mit mehr als 26.400 Paaren ist Schleswig-Holstein Saatkrähenland Nummer eins in der Republik: Fast ein Drittel des bundesweiten Brutbestandes ist im Norden zu finden.

In Stormarn konzentrieren sich die Krähen auf die größeren Städte. Besonders Bad Oldesloe startete zahlreiche Vergrämungsaktionen am Kurpark (wir berichteten), aber auch Ahrensburg, Bargteheide und Reinfeld sind betroffen. Doch in den vergangenen Monaten ist es ruhiger um den Störenfried geworden. Die Zahl der Krähen scheint in einigen Kommunen abzunehmen. Bad Oldesloe meldet sogar den niedrigsten Stand seit zehn Jahren.

Schreckschüsse, Falkner, Uhus: Nichts half wirklich

Seit mehr als 20 Jahren sind Krähen im Oldesloer Kurpark zu Hause. Sie machen Lärm und verschmutzen die Wege. Um die Vögel aus diesem Bereich zu vertreiben, hatte sich die Verwaltung in der Vergangenheit allerhand einfallen lassen: ein Falkner mit Greifvögeln, Abfeuern von Schreckschusspistolen, Flatterbänder, die Aufzucht von Uhus, das Ausstoßen von Nestern sowie das Fällen von Bäumen.

Doch nichts half nachhaltig. Im Gegenteil: Diese Aktionen hatten eine Streuung der Kolonie über das Stadtgebiet zur Folge, wodurch neue Problembereiche entstanden.

Vergrämungsaktionen bewirkten das Gegenteil

Vor zwei Jahren entschloss sich die Stadt, die Vergrämung einzustellen. Zuletzt wurden einzelne Nester an der Wohnstraße Lindenkamp entfernt. „Wir stimmen uns mit dem Landesamt ab und tauschen uns regelmäßig mit anderen Kommunen aus”, sagt Rathausmitarbeiter Kurt Soeffing vom Fachbereich Umwelt. „Ohne eine wirkliche Alternative bringt es nichts, die Traditionskolonien zu vergrämen.”

Es habe sich gezeigt, dass die Aktionen sogar das Gegenteil bewirkten. Es bilden sich sogenannte Splitterkolonien, und der Nestbau verzögere sich. Dadurch gelten die Reviere der Vögel als nicht abgesteckt, Neuankömmlinge können sich leichter ansiedeln.

In Bargteheide kehren die Tiere zum Bahnhof zurück

Zusätzlich lockten aufgeschreckte Krähen vorbeifliegende Artgenossen an. „Dadurch hat man am Ende mehr Krähen im Ort als zuvor”, so Soeffing. Lasse man die Hauptkolonie jedoch in Ruhe und konzentriere sich auf „Rückführung” kleiner Splitterkolonien, bleibe die Population konstant.

Einen Anstieg haben die Oldesloer laut Experten nicht zu erwarten. 340 Nester im Stadtgebiet sind der niedrigste Stand seit zehn Jahren. 2010 waren es noch 580 Nester. Grund für den Rückgang sind offenbar die schlechter werdenden Lebensbedingungen. Ornithologe Bernd Koop: „Wir beobachten einen extremen Nahrungsmangel durch Rückgang des Weidelandes, Einsatz von landwirtschaftlichen Chemikalien und die Klimaveränderung.“ Das betreffe nicht nur die Saatkrähen, deren Bestand in vielen Teilen Schleswig-Holsteins abnehme, sondern auch andere Vögel mit ähnlichem Nahrungsspektrum, zum Beispiel Möwen und Stare.

Ahrensburger Kaufleute arrangierten sich mit den Krähen

Auch in anderen Stormarner Orten ist es ruhiger geworden. In Reinfeld habe es in den vergangenen Monaten keine Beschwerden über Krähen gegeben, so Rebekka Köppen vom Ordnungsamt: „Es war eine Zeit lang extrem, nun hören wir nichts mehr.”

Mit den Vögeln arrangiert haben sich auch die Kaufleute in der Ahrensburger Innenstadt. Laut Verwaltung gebe es im Stadtbereich keine Brutkolonie, wohl aber einen Bereich im Norden (Gartenholz/Gewerbegebiet Nord), von wo die Krähen zur Futtersuche auch ins Zentrum kommen.

Probleme gebe es jedoch kaum. „Man sieht vor allem die weißen Kotflecken auf den Autos, und auch unsere Markise muss regelmäßig gereinigt werden“, sagt eine Mitarbeiterin von Paasch Immobilien. „An das laute Krähen haben wir uns gewöhnt.“ Das sei nicht schlimmer als der Lärm vorbeifahrender Autos auf den Pflastersteinen.

Krähenwald in Bargteheide wächst weiter

Ein Thema ist die Krähenpopulation dagegen weiterhin in Bargteheide. Dort ist kein Rückgang zu verzeichnen. Etwa 650 Krähen sollen noch im Stadtgebiet leben – in den Bäumen am Marktplatz, östlich der Bahn und im sogenannten Krähenwald.

Dort soll ein Teil der Bäume einem Neubauprojekt weichen. „Seit dem ersten Gutachten zum Vorhaben vor etwa fünf Monaten hat sich die Krähenpopulation fast verdoppelt. Die Krähen scheinen von der Kolonie am Markt wieder zu ihrer Ursprungskolonie An den Stücken zurückzukehren”, sagt Bau- und Ordnungsamtsleiter Jürgen Engfer.

„In der Brutsaison ist es besonders schlimm“

Petra Holst kann im Frühling nur bei geschlossenem Fenster arbeiten. Vor dem Büro brüten zahlreiche Krähen.
Petra Holst kann im Frühling nur bei geschlossenem Fenster arbeiten. Vor dem Büro brüten zahlreiche Krähen. © Melissa Jahn | Melissa Jahn

Genervt ist Petra Holst: Sie arbeitet in einem Büro an der Bahnhofstraße und kann den gefiederten Nachbarn in den Ahornbäumen fast bis in die Nester gucken. Bis zu 70 Vögel habe sie im Frühjahr gezählt. „In der Brutsaison ist es besonders schlimm. Dann kann ich nicht bei offenem Fenster arbeiten”, sagt Holst. Dass die Stadt etwas unternimmt, glaubt sie dennoch nicht. Sie zuckt resigniert mit den Schultern: „Die Möglichkeiten sind wohl ausgereizt. Man gewöhnt sich langsam daran.”

Es sei schwierig, den Naturschutzgedanken und das Interesse der Bürger unter einen Hut zu bekommen, meint Thomas Degenhardt, Experte für Umweltangelegenheiten der Stadt Bargteheide. Zumindest seien die Proteste aus der Bevölkerung weniger geworden.