Bargteheide. Von wegen Gartenzwerg-Klischee: Viele junge Familien suchen nicht nur Erholung in den Schrebergärten, sondern bauen dort Gemüse an.
Was sich vielerorts ursprünglich aus der Not der Nachkriegszeit entwickelte, ist heute die Lust am Gärtnern: Kleingärten erfreuen sich in den Kommunen Stormarns großer Beliebtheit. Vor allem Familien haben hier mit ihren Kindern eine günstige Alternative zum klassischen Hauskauf gefunden. Andere suchen die Möglichkeit, sich vom Arbeitsstress zu entspannen und Kontakte zu knüpfen. Sie alle stehen auf zum Teil langen Wartelisten Schlange, um ihr „Stück grünes Glück“ zu pachten.
Gartenzwerge sucht man im Kleingarten von Familie Stein in Bargteheide vergeblich. Und auch sonst versprüht das hellblaue Holzhaus im Blumenweg, Parzelle 82, vielmehr nordischen Charme, als typische Klischees zu erfüllen. Auf 410 Quadratmetern haben sich Tanja und Carsten hier ihr eigenes Paradies geschaffen. Erst im Mai dieses Jahres eingezogen, führen sie bereits voller Besitzerstolz durch ihren Garten. Links der kleine Teich mit zwei Fröschen als Bewohnern, rechts die Stockrosen und im hinteren Bereich die Gemüsebeete – das Herzstück der Parzelle.
Bargteheider Verein feierte jetzt 70-jähriges Bestehen
Karotten, Zwiebeln, Erbsen, rote Bete, Kartoffeln und noch viel mehr wachsen und gedeihen hier ohne Pflanzenschutzmittel und werden mit Liebe gepflegt. „Wir wohnen in einer Wohnung in Ahrensburg und haben vor zwei Jahren mit der Pflege eines Ackers in Gut Wulfsdorf angefangen“, erzählt der 48-Jährige. „Weil man dort jedoch in jeder Saison ein neues Stück Land zugeteilt bekommt, kann nichts Mehrjähriges angepflanzt werden.“ Da in Ahrensburg kein Garten frei war, bewarben sich die beiden offiziell und mit einem Vorstellungsgespräch vor dem gesamten Vorstand um eine Parzelle in dem Bargteheider Verein, der jetzt 70-jähriges Bestehen feierte. „Wir waren richtig aufgeregt“, gibt der Hobbygärtner zu. „Und glücklich, als wir durch unser echtes Interesse unser Grundstück zugeteilt bekommen haben.“
Die laufenden Kosten liegen bei rund 100 Euro pro Jahr
Neben einer Aufnahmegebühr von 110 Euro kostet das Stück Land 115 Euro im Jahr, für die Pacht, den Mitgliedsbeitrag, Strom und Wasseranschluss. Ein ähnlicher Satz wird in Stormarn auch von den anderen Vereinen verlangt. Kein Schnäppchen war jedoch die Laube, welche über dem gängigem Schnitt von 3000 bis 8000 Euro lag. Dies ist der Abstand, den die neuen an die alten Mieter bezahlen müssen. „Den Preis regelt jeder alleine“, sagt der erste Vorsitzende Wolfgang Meyer, der hier nur als „Wolle“ bekannt ist. „Erst bei utopischen Vorstellungen kommen wir hinzu und schätzen die Hütte.“
Dafür konnten Tanja und Carsten Stein in ihrer Hütte sogar schon ganz bequem übernachten. Denn auch das ist – solange es nicht die Regel wird – hier möglich. Die wichtigste Vorschrift ist jedoch das Verhältnis von Zier- zu Nutzgarten. Da das Land – verpachtet von Kirche und Gemeinde – Ackerland ist, muss mindestens ein Drittel der Fläche mit Gemüse bepflanzt werden. Das ist kein Problem für das Ehepaar, welches in der Regel zehn Stunden in der Woche im Garten verbringt und mit Leidenschaft seine Pflanzen pflegt. „Wir informieren uns regelmäßig bei unseren Nachbarn, im Internet und in der Fachliteratur über Tipps und Tricks des Gemüseanbaus“, so Stein. „Hier können wir unser eigenes Gemüse ernten und wissen, dass es biologisch einwandfrei ist.“
Diesen Trend zur Natur beobachtet auch Jens Carstens, erster Vorsitzender des Kreisverbands der Kleingärtner sowie des Kleingärtnervereins Schönningstedt in Reinbek. Während bereits in den vergangenen Jahren vermehrt Familien eingestiegen seien, habe es 2016 einen deutlichen Wechsel der Generationen gegeben. „Es wird nicht nur ein Rasen zum Grillen und ein Ort zum Entspannen gesucht“, erzählt der Vorsitzende. „Die Familien wollen aktiv gärtnern und ihre Kinder an die Natur heranführen.“
Auch immer mehr Migranten pachten sich einen Garten
Strenge Regeln und absolute Ruhe gebe es bereits seit 30 Jahren in den Kleingartenkolonien nicht mehr. Kinderlärm werde ohne Weiteres geduldet. „Wir freuen uns über die jungen Leute und darüber, dass die Menschen anfangen umzudenken und etwas für die Natur zu machen.“ Er begrüße ebenfalls den Trend, dass viele Kleingärten auch von ausländischen Familien gepachtet würden. „Unsere Gärten waren schon immer ein Ort der Integration“, so Carstens. „Es fing mit Rückkehrern aus Russland an, die uns bis heute mit ihren gepflegten Parzellen und traditionellen Gartentechniken begeistern. Heute kommen Flüchtlinge aus dem Iran und Afghanistan hinzu, denen der Anbau von Gemüse ebenfalls von zu Hause vertraut ist.“
So auch Khayala Badirova aus Aserbaidschan, die mit ihrem Mann und vier kleinen Kindern einen Garten in Bargteheide bewirtschaftet. Zu Hause wuchs alles auf einem mehrere Hektar großen Acker, hier geht es sofort nach dem Kindergarten in die Natur: „Wir züchten Granatäpfel und Weintrauben aus der Heimat. Sie wachsen gut – auch wenn sie etwas anders schmecken“, sagt Khayala Badirova.