Bad Oldesloe. Das Gesundheitsamt des Kreises Stormarn hat nicht genügend Mediziner. Schulleiter bedauern die Situation.

Für knapp 2400 Kinder aus Stormarn beginnt am 4. September der sogenannte Ernst des Lebens: Sie werden eingeschult. Und normalerweise muss jedes von ihnen vorab die sogenannte Schuleingangsuntersuchung, kurz SEU, absolviert haben. So steht es im Schulgesetz des Landes Schleswig-Holstein. Doch in diesem Jahr ist das nicht der Fall, denn das Gesundheitsamt hat nicht genügend Ärzte zur Verfügung. Bis Anfang des Jahres gab es noch fünf Mitarbeiter, davon zwei in Voll- und drei in Teilzeit. Nun hat sich die Zahl auf drei Amtsärzte reduziert – zu wenige, um bis zum Beginn der Sommerferien in knapp zwei Wochen alle Jungen und Mädchen untersuchen zu können.

Der Leiter des Gesundheitsamtes, Andreas Musiol, sagt auf Abendblatt-Anfrage: „Die aktuelle Situation ist für alle Seiten unschön, für die Kinder, die Eltern, die Lehrer und die Verwaltung.“ Alle hätten ein Interesse daran, die Schuleingangsuntersuchungen wie all die Jahre zuvor durchzuführen. „Doch dafür brauchen wir eine gewisse Anzahl an Mitarbeitern“, sagt er.

Erstklässler können sich nachträglich untersuchen lassen

Im Regelfall gibt das Gesundheitsamt eine Liste mit Terminen an die 34 Stormarmer Grundschulen heraus. Darin steht, an welchen Tagen Eltern mit ihren Kindern im Amt vorbeizuschauen haben oder wann die Ärzte zu den Grundschulen fahren. Im vergangenen Herbst hat die Behörde diese Listen herausgegeben, doch bereits im November wurden die Bildungsstätten darüber informiert, dass alle weiteren Untersuchungstermine gestrichen werden müssen. Als Lösung bot das Gesundheitsamt Eltern, die unsicher sind, ob ihr Kind schon in die Schule gehen kann oder nicht, an, einen Einzeltermin zu vereinbaren. Und Erstklässler, die innerhalb der ersten Schulwochen auffällig seien, könnten laut Andreas Musiol im Nachhinein eine Schuluntersuchung bekommen.

Auf der Homepage der Grundschule Lütjensee ist das Schreiben des Gesundheitsamtes zu lesen. Schulleiter Marcus Bieder sagt: „Als die Nachricht veröffentlicht wurde, sind viele Eltern besorgt gewesen.“ Viele hätten im Sekretariat angerufen und Bedenken geäußert, da die Untersuchung sehr wichtig sei. Daraufhin habe sich die Grundschule Lütjensee mit den Schulen in Hoisdorf und Grönwohld zusammengeschlossen. „Wir haben gemeinsam einen Termin für unsichere Eltern angeboten und konnten für diesen Tag einen der Amtsärzte organisieren“, sagt der Schulleiter. So seien zumindest einige Kinder untersucht worden.

Nur fünf von 92 Oldesloer Kindern waren bei der SEU

Auch viele künftige Erstklässler der Klaus-Groth-Schule in Bad Oldesloe waren nicht bei der Untersuchung. Schulleiterin Meike Harder (58) sagt: „Ich habe es sehr bedauert, dass die SEU nur in Ausnahmefällen stattfinden konnte. Wir mussten aber akzeptieren, dass es aufgrund von Personalmangels nicht anders möglich war.“ Der Austausch mit der zuständigen Ärztin über Kinder, bei denen vor der Einschulung noch weitere Förderungen notwendig waren, sei immer sehr gewinnbringend gewesen. „Ich kann ja nicht unbedingt erkennen, ob das Kind Probleme beim Hören oder Sehen hat“, sagt Harder, die seit fünf Jahren Schulleiterin ist. Zudem sei es aus ihrer Sicht immer sehr hilfreich gewesen, solche Informationen im Vorfeld zu haben. „Dann können wir beispielsweise die Sitzplätze im Klassenraum gezielter vergeben oder die Schüler besser einteilen“, sagt sie weiter. Im kommenden Jahr werden 92 Schüler die Grundschule in Bad Oldesloe besuchen. Nur fünf Kinder waren bei der Schuleingangsuntersuchung.

Als Glück bezeichnet Katrin Rabe von der Grundschule Klosterbergen in Reinbek ihre Situation. Aufgrund eines sehr frühen Termins im Herbst vergangenen Jahres konnte ein Amtsarzt alle Kinder begutachten, die nun in die erste Klasse gehen werden. „So ein früher Zeitpunkt war für uns sehr stressig, aber letztlich hat es sich ausgezahlt“, sagt Schulleiterin Rabe. Es sei wirklich purer Zufall gewesen, da die Schule in den vergangenen Jahren meist einen späteren Termin für die Untersuchungen hatte.

Gesetz sieht schulärztliche Untersuchung vor

Auch die Eltern der Grundschule Tannenweg in Glinde sind beruhigt, denn auch hier konnten alle 74 Kinder begutachtet werden. Schulleiterin Sabine Walther sagt: „Die Untersuchung ist per Gesetz verpflichtend, dem kann sich kein Erziehungsberechtigter entziehen.“ Das passe im Umkehrschluss überhaupt nicht zusammen, wenn diese Untersuchung wegfalle, weil nicht genügend Personal dafür bereitstehe. Walter findet den Besuch beim Amtsarzt wichtig, um allen Kindern einen chancengleichen Start zu ermöglichen. Manchmal werde durch die SEU noch auf ein Defizit hingewiesen, so dass vor Schulbeginn noch Fachärzte aufgesucht werden könnten.

Doch der Kreis Stormarn ist nicht allein mit diesem Problem. Christian Kohl, Sprecher des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, sagt dazu: „In anderen Kreisen kam es auch aufgrund von Personalengpässen ebenfalls zu Versäumnissen der Schuleingangsuntersuchung.“ Dabei sind laut der Landesverordnung über die schulärztlichen Aufgaben in Verbindung mit dem Schleswig-Holsteinischen Schulgesetz Schüler für öffentliche Schulen verpflichtet, sich schulärztlich untersuchen zu lassen. „Somit müssen die zuständigen Kreise und kreisfreien Städte bei Engpässen so rasch wie möglich Abhilfe schaffen. Und alle haben auch zugesichert, dies zu tun“, so Christian Kohl.

Die Schuleingangsuntersuchung

Die Schuleingangsuntersuchung (SEU) ist in Schleswig-Holstein Pflicht für alle Kinder, die eingeschult werden sollen und ist im Schulgesetz verankert.

Ziel ist es, Gründe festzustellen, die einem erfolgreichen Schulbesuch aus medizinischer Sicht entgegenstehen könnten. So werden zum Beispiel Seh- und Hörvermögen und das Gewicht überprüft. Aber auch eventuelle Misshandlungen sollen so festgestellt werden.

In der Regel findet die SEU vor dem Kennenlerngespräch mit der Schulleitung statt. Termine für die jeweilige Schule gibt das Gesundheitsamt des Kreises heraus.

Mitzubringen sind: Vorsorgeheft, Impfausweis, Anamnesebogen und gegebenfalls die Brille.

Im Jahr 2013 wurden 2207 Kinder untersucht, 2014 waren es 2399 Kinder.

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tklSo verspricht auch der Fachdienstleiter des Gesundheitsamtes in Stormarn, dass das Problem bis zum nächsten Schuljahr gelöst ist. Laut Andreas Musiol sei es aber generell schwierig, Ärzte zu finden, die für das Gesundheitsamt arbeiten wollen. Aber trotzdem: „Wir sind zuversichtlich, dass bald alles wieder wie gewohnt läuft“, verspricht der Verwaltungsfachmann.

Wer bei seinem Kind noch eine Schuleingangsuntersuchung durchführen lassen möchte, kann sich unter Telefon 04531/160 12 82 melden. Weitere Informationen gibt es auch im Internet unter www.kreis-stormarn.de/service/lvw/leistungen/