Westerau. Digitaler Melder kündigt Landwirten über das Handy bevorstehende Geburt von Kälbern an. Westerauer sind dabei Pioniere in Deutschland.

Der zwei Wochen alte Udo kennt keine Angst. Er tobt um seine 910 Kilogramm schwere Mutter herum, die das Treiben ihres Sprosses entspannt verfolgt. Sie heißt Ostfriesin und ist eine Kuh. Die Geburt verlief problemlos. Genauso wie die rund 40 anderen seit August 2016 – auch dank modernster digitaler Technologie. „Früher ist schon mal etwas schief gelaufen, da haben wir Kälber verloren“, sagt Landwirt Phillip Ellerbrock (27), der mit seinem Vater Bernd (58) einen Hof in Westerau betreibt. Die tödlichen Vorfälle gehören der Vergangenheit an. Denn jetzt sind die trächtigen Tiere mit Moocall ausgestattet. Einem Gerät, das die Ellerbrocks mithilfe des Handys über die bevorstehende Geburt informiert. So können die Landwirte rechtzeitig zur Hilfe eilen und bei Komplikationen eingreifen.

Westerauer sind Pioniere beim Einsatz von Moocall

Die Westerauer waren Deutschlands erste Landwirte, die das System einsetzten. „Seit meine Kühe im Netz sind, bin ich deutlich gelassener. Das lange Warten im Stall und die Ungewissheit etwas zu verpassen, wenn ich unterwegs bin, sind vorbei“, sagt der Juniorchef. Fünf der Kalbungen seit der Digitalisierung seiner Kühe waren so kritisch, dass es Kalb und Kuh ohne Moocall wohl nicht geschafft hätten.

Im Fall von Udo wäre auch so alles glatt gelaufen. Aber Kontrolle ist halt besser. Im Schnitt sterben in Deutschland zwischen fünf und zehn Prozent der Kälber bei der Geburt oder kurz danach. Der Großteil von ihnen könnte durch den Einsatz der digitalen Helfer gerettet werden. Bernd Ellerbrock: „Ich wurde nachts geweckt, bin um 2.30 Uhr in den Stall gegangen und habe die Prozedur mit Udo überwacht. Um 3 Uhr war ich wieder im Bett.“

Das grüne Moocall-Gerät ist etwa so groß wie eine Hand. Es wird am Schwanz der Kuh angebracht, ist verstellbar und somit für alle Größen und Rassen geeignet. Im sogenannten Abkalbmelder steckt die SIM-Karte eines Mobilfunkanbieters und ein hochsensibler Sensor, der besondere Schwanzbewegungen der Kuh registriert, die durch Wehen ausgelöst werden. Bei Überschreitung eines Schwellwertes sendet das Moocall einen Alarm an das Smartphone – per SMS, E-Mail und App. Bei der dritten Variante erklingt aus den Handys der Ellerbrocks ein lautes „Muuuh“.

Setzt das Gerät einen ersten Alarm ab, sind es in der Regel noch zwei Stunden bis zur Geburt. Ein zweiter folgt eine Stunde später. „Ich wurde auch auf Festen in den Abendstunden oder beim Kinobesuch informiert, bin dann schnell in den Stall gefahren“, sagt Phillip Ellerbrock. Für ihn kein Problem, schließlich gehe es um das Wohl des Tieres. Und gelohnt habe sich die Investition allemal. Für die Anschaffung des Gerätes inklusive Einbindung an das Handy-Netzwerk für ein Jahr hat er 330 Euro gezahlt. Danach sind es 120 Euro per anno für die Verbindung.

Und wie sieht es mit dem Fehlalarm aus? Hat es auch schon gegeben. „Im September und Oktober 2016 hatten wir viele Fliegen im Stall, dadurch haben die Kühe intensiver mit dem Schwanz gewedelt“, so der Juniorchef. Trotzdem halten er und sein Vater große Stücke auf Moocall. Derzeit haben die Westerauer 85 Milchkühe, pro Jahr werden auf ihrem Hof rund 120 Kälber geboren. Bernd Ellerbrock berichtet, dass sich auch befreundete Landwirte das Moocall zugelegt hätten. Für die Tiere ist es offenbar kein Problem, sich mit dem Gerät zu arrangieren. Der Seniorchef: „Die wackeln erst ein bisschen mit dem Po, gewöhnen sich aber recht zügig daran.“

Sterberate bei Geburten lässt sich um 80 Prozent senken

Der digitale Geburtshelfer wurde Anfang 2015 in Irland auf den Markt gebracht und hat seitdem geholfen, dass rund 150.000 Kälber in Großbritannien und Irland gesund zur Welt gekommen sind. In Großbritannien sterben jährlich rund 110.000 Kälber und 50.000 Kühe aufgrund von Komplikationen bei der Geburt. Laut Moocall lässt sich die Sterberate bei Kälbergeburten mit dem Gerät um 80 Prozent senken. Den Tipp hatte Phillip Ellerbrock übrigens von einem Tierarzt bekommen, der in Irland auf Fortbildung gewesen ist. Der 27-Jährige: „Dann habe ich mich im Internet schlau gemacht und sofort bestellt.“ In Kürze werden sich die Ellerbrocks ein zweites Gerät anschaffen.