Glinde. In der Serie „Mein Kulturleben“ geben Stormarner Kulturtipps. Heute empfiehlt Buchhändler Felix Rakow drei aktuelle Lieblingsromane.

Seit zweieinhalb Jahren verkauft Felix Rakow mit sonorer Stimme in der Bücherkate in Glinde alles das, was zwischen zwei Buchdeckel passt. So ziemlich das ganze Leben also: einen Wohnmobilreiseführer für das Rentnerpaar, ein Taschenbuch mit dem vielsagenden Titel „Kein Mann für eine Nacht“ von einem Drehständer nahe der Eingangstür. Sachbücher, Krimis und Pixi-Bücher. Seltener auch mal einen Titel wie „Die unerhörte Geschichte meiner Familie“ des kroatischen Autors Miljenko Jergović. Auch der steht relativ nah am Eingang. Darf aber eher als Liebhaberstück gelten: schwere Kost, die den gemeinen Bücherwurm schon ob ihres schieren Umfangs von 1144 Seiten abschrecken mag.

Felix Rakow ist 35 Jahre alt, sieht mit Bart, Pferdeschwanz und dem runden Gesicht ungefähr so gelassen aus, wie er sich anhört und ist Buchhändler mit Leidenschaft. „Ich glaube, dass gerade Läden wie dieser hier Zukunft haben“, sagt er. Statt eines Kinobesuchs rät er folglich zu einem Griff ins Bücherregal und begründet das mit einer einfachen Rechnung. Zwar investiere der Leser mehr Zeit und Konzentration, so Rakow. „Bei einem guten Buch bekommt man das aber doppelt und dreifach zurück.“

Das eine Buch für alle gebe es allerdings nicht. Die Geschmäcker seien verschieden. Genre? Autor? Die Lieblingsserie im Fernsehen? „Wir tasten uns heran“, sagt Rakow. Wer offen ist, dem gibt er auch gern eine ganz persönliche Lektüreempfehlung. Seine aktuellen Top Drei verrät er hier.

Rakow empfiehlt einen Killer mit Hang zur Philosophie

Um einen Profikiller, der aus Schottland kommt und sich mit einem Kumpel in Las Vegas trifft, geht es in der ersten Geschichte, die Rakow empfiehlt. „Unterhaltsam und Aufschlussreich“, sei das, denn Billy, so heißt der Titelheld des gleichnamigen Romans eines deutschen Autors, der unter dem Pseudonym „Einzelkind“ veröffentlicht, wurde von seinem Onkel in die Gedanken der großen Philosophen eingeweiht. „Bei aller offensichtlichen Skurrilität und vergnüglicher Lektüre steckt da etwas hinter“, sagt Rakow. Gerade ist „Billy“ als Taschenbuch erschienen.

Die Top Drei

Zum Schmunzeln und Nachdenken: „Billy“ von Einzelkind,Taschenbuch, 203 Seiten, 10 €, ISBN: 978-3-518-46741-1

Traurig schön: „Die Sache mit dem Dezember“ von Donal Ryan, Taschenbuch, 272 Seiten, 12 €, ISBN: 978-3-257-24378-9

Deutsche Geschichte für jung und alt: „Salz für die See“ von Ruta Sepetys, Hardcover, 416 Seiten, 19,99 €, ISBN: 978-3-551-56023-0

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Rakows Laden ist ein Sammelsurium, so bunt wie die Wünsche seiner Kunden. Neben Bestsellern stehen hier auch eigene Vorlieben des Buchhändlers und seiner Mitarbeiter sowie Titel, die besonders häufig nachgefragt werden. Was er nicht da hat, bestellt er.

Der Buchhändler schaut gelassen in die Zukunft

„Amazon kann nichts, was wir nicht auch können“, sagt Rakow. „Die schreien es nur viel lauter heraus.“ Bücher von einem auf den anderen Tag bestellen? Das mache der Buchhandel schon seit mehr als 30 Jahren. „Da gab es das Internet noch gar nicht.“

Dementsprechend gelassen schaut Rakow in die Zukunft. Sicher, so richtig reich werden ließe sich mit einer inhabergeführten Buchhandlung nicht. Aber: Dass sich auch in der Glinder Bücherkate alles über Nacht bestellen lässt, dass Bücher darüber hinaus überall gleich teuer sind, habe sich offenbar herumgesprochen.

Aus wirtschaftlicher Sicht eine Fehlinvestition

Aus wirtschaftlicher Perspektive sei Tipp Nummer zwei, wie Händler Rakow verrät, eine Fehlinvestition: „Das lässt sich nur mit großem Aufwand verkaufen“, sagt er. Dass Buchliebhaber Rakow diesen Aufwand nicht scheut, ist dann wiederum vielleicht um so mehr Ritterschlag für „Die Sache mit dem Dezember“ des irischen Autors Donal Ryan – ein „großartiges Buch für alle, die etwas unendlich Schönes, aber unendlich Trauriges lesen wollen,“ sagt Rakow.

Kunden, denen er dieses „spezielle Buch“ empfehle, reagierten in der Regel mit der Aussage, sie würden „doch gerne etwas lesen, das nicht so traurig ist.“ Eine verständnisvolle Reaktion sei das. „Umso mehr freut man sich, wenn sich dann einer drauf einlässt und mit Begeisterung zurückkommt.“

Das am meisten unterschätzte Genre auf dem Buchmarkt

Rakow ist in Glinde geboren, hat hier seine Schulzeit verbracht. Zum Studium – „mit mäßigem Erfolg“ – verließ er die Kleinstadt am Hamburger Rand. Lehrer wollte er eigentlich werden, mit den Fächern Englisch und Politik, dann wechselte er, studierte Philosophie und Soziologie. „Da war der Weg zum Buchhändler auch nicht mehr weit“, sagt Rakow und lacht.

Seine Lehre machte er in einer kleinen unabhängigen Buchhandlung in Brandenburg, arbeitete danach im Hamburger Familienunternehmen Heymann. Vor zweieinhalb Jahren nutzte er die Gelegenheit zur Selbstständigkeit und kehrte beruflich in die Stadt seiner Jugend zurück.

Hier hat er mit zwölf Jahren das erste Mal „Krabat“ von Otfried Preußler entdeckt, vier mal hat er das Buch seither wieder gelesen. Sowieso seien Jugendbücher das am meisten Unterschätzte Genre auf dem Buchmarkt. Tipp Nummer Drei also: Ruta Sepetys „Salz für die See“. Ein Jugendbuch über drei junge Menschen, die im Jahre 1945 auf das Flüchtlingsschiff „Wilhelm Gustloff“ steigen. Das sei „toll erzählt“ und sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene interessant.