Barsbüttel. In unserer Serie stellen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank vor. Heute: Pastorin Kirsten Schmidt-Soltau aus Barsbüttel.

Willinghusens langjährige Pastorin Kirsten Schmidt-Soltau ist zu neuen Ufern aufgebrochen. Sie ist jetzt Gefängnispastorin in den Hamburger Justizvollzugsanstalten Billwerder und Glasmoor in Norderstedt. „Das ist wie Kirche an einem anderen Ort. Das sind Menschen mit ihrem Lachen, ihren Tränen und ihren Sorgen, wie überall auch“, sagt die 55-Jährige.

Fast 16 Jahre hat die gebürtige Neumünsteranerin die Kirchenarbeit im Barsbütteler Ortsteil Willinghusen und zuletzt auch in Glinde geprägt. Weihnachten 2016 hat sie in ihrer Kirche Abschied gefeiert. Aus dem Pfarrhaus wird sie erst im Juni ausziehen, doch der Übergang hat bereits begonnen.

Noch ungewiss: Besetzung der Pfarrstelle

Tochter Miriam wohnt nicht mehr zu Hause, sie studiert in Hamburg. Die Pastorin und ihr Mann Bernd wollen mit Sohn Jonas in Stormarn bleiben. Bernd Soltau ist auch Theologe, arbeitet beim Kirchenkreis Hamburg-Ost als Organisations- und Personalentwickler.

„Die Präsenz der Kirche in Willinghusen wird erst mal bleiben wie bisher“, sagt Pastor Sören Neumann-Holbeck von der Kirchengemeinde in Glinde. Ob die Pfarrstelle neu besetzt wird, ist allerdings noch nicht entschieden. Das Gemeindehaus hat die Kirche aber schon der Kommune Barsbüttel angeboten. Sie will im Ortsteil Willinghusen ein Dorfgemeinschaftshaus schaffen, der Standort wäre eine Option. Nach den Sommerferien wird entschieden, wie es in Willinghusen weitergeht, so Neumann-Holbeck.

Kirche zum Mitmachen wurde zum Prinzip der Geistlichen

Dass sie mit ihren Erfahrungen nun noch einmal woanders hingehen kann, beflügelt Kirsten Schmidt-Soltau. Was bleibt, ist tiefe Dankbarkeit gegenüber ihrer Gemeinde, in der sie im Juni 2001 ihren Dienst aufnahm. Sie hatte es damals nicht weit von ihrer vorherigen Wirkungsstätte in der Barsbütteler Segenskirche. „Es passte gut, als Familie hier zu leben. Dass die Kinder so klein waren, war für mich der Türöffner.“

In der Grundschule fanden die damals sechsjährige Miriam und der vierjährige Jonas Anschluss. Die junge Pastorin startete Initiativen für Familien wie eine Krabbelgruppe, die Kinderkirche, Malkurse für Schulkinder und Gesprächsgruppen für Frauen. Der Gospelchor, den sie 2003 gründete, ist bis heute aktiv. Die rund 50 Sängerinnen und Sänger proben und konzertieren regelmäßig in Glinde und Willinghusen.

Pastorin gründete 2003 einen Gospelchor

Die „Kirche zum Mitmachen“ wurde ihr Prinzip. Beim Projekt „Laien auf die Kanzel“ sprachen nicht nur Bürgermeister und Politiker, auch Feuerwehrleute und Automechaniker kamen zu Wort. „Dafür musste ich im Gegenzug einen Tag in die Autowerkstatt. Den Ölwechsel habe ich hingekriegt“, sagt sie und lacht.

Ein Ohr und ein offenes Herz dafür zu haben, was an Wünschen aus der Gemeinde kam, habe Lebendigkeit in die Kirche gebracht. „Als Pastorin kannst du nichts allein machen, du brauchst Menschen, die etwas gemeinsam mit dir tun.“ So wie auch beim Bau der Arche Willi: Das hölzerne Spiel- und Kletterschiff im Garten des Gemeindehauses bauten viele Väter unter Anleitung des Tischlermeisters Torben Fleming aus Willinghusen zusammen.

Freude und Kraft tankt sie bei der Arbeit mit Konfirmanden

Ihr Einfühlungsvermögen half Kirsten Schmidt-Soltau auch in schweren Stunden, wenn es darum ging, Angehörige zu betreuen, die einen geliebten Menschen verloren hatten. Den Schmerz könne sie nicht nehmen. Aber zu erleben, dass ein anderer da ist, der das mit aushalte, das helfe.

Freude und Kraft habe ihr vor allem die Arbeit mit den Konfirmanden gegeben. „Meine allerschönsten Glücksgefühle, die Bestätigung, dass es gut ist, was ich tue, habe ich immer wieder dort erlebt“, sagt sie. Wenn schüchterne Jugendliche aufblühten und sich trauten, auch im Gottesdienst zu sprechen. „Oder wenn alle in der Gruppe merkten, dass man zusammen mehr schaffen kann. Dass jeder seine Fähigkeiten und Begabungen hat.“

Einmal im Monat eine Klön- und Bastelrunde vorbereiten

Die Jugend zu Respekt und Wertschätzung der Mitmenschen zu erziehen, sei eine der wichtigsten Aufgaben. „Gott sieht uns alle mit liebenden Augen an. Egal, wer wir sind und was wir getan haben. Es ist auch unsere Aufgabe, nicht herablassend auf andere Menschen zu gucken.“

Das sind Leitsätze, die zur neuen Aufgabe passen. Die Stelle als Gefängnispastorin im Frauengefängnis Hahnöfersand, die sie im Januar 2016 antrat, ergänzte zunächst nur ihre halbe Pastorenstelle in Willinghusen. Seit dem Umzug des Frauenvollzugs nach Billwerder betreut sie zusammen mit einem katholischen Kollegen rund 90 Frauen. Schmidt-Soltau bietet Gottesdienste und Gespräche an und einmal im Monat eine Klön- und Bastelrunde. Ein Stück Alltag und Normalität, um von Frau zu Frau zu reden und auch zu lachen. „Einfach am Tisch sitzen, in einem schönen Raum, bei einem Espresso. Und zu vergessen, dass man im Knast ist“, sagt sie.

Alarmknopf am Funkgeräthat sie noch nicht gebraucht

Im September 2016 bot man ihr eine zweite halbe Stelle im offenen Vollzug in Glasmoor an. Sie ergriff die Gelegenheit, sagte Ja zum Vollzeitjob als Gefängnispastorin. In Glasmoor sitzen 19 Frauen und 100 Männer, die wieder die Regeln des freien Lebens erlernen müssen. Sie gehen tagsüber außerhalb des Gefängnisses arbeiten, dürfen am Wochenende ihre Familien besuchen. Für ihre Resozialisierung ist dieser offene Vollzug die letzte und wichtigste Stufe.

Schmidt-Soltau arbeitet mit Frauen, die entlassen werden. Sie will für sie und ihre Familien eine Anlaufstelle für das Leben danach sein. Für die Familien will sie einen Tag anbieten, an dem die Kinder betreut werden und die Ehepartner ins Gespräch kommen. Darüber, wie es ihnen geht und was fehlt, damit ihr Leben gut weiterverläuft.

Schmidt-Soltau will eine Patengruppe für Entlassene aufbauen

Frauen, die den Antrag für ein Einzelgespräch mit ihr stellen, haben meist sehr ernste Anliegen, kommen mit Sorgen und Ängsten. Es geht um die Frage der Schuld, um das Aushalten des Knast-Alltags, um Angst vor der Abschiebung und die Traurigkeit darüber, dass sie nicht für ihre Kinder da sind. Bei ihr können die Frauen offen reden. „Sie wissen, dass ich nicht zum System Justiz gehöre. Alles, was sie mir sagen, bleibt auch bei mir“, sagt Schmidt-Soltau, die der Schweigepflicht unterliegt.

Wie alle, die im Gefängnis tätig sind, trägt sie zur Sicherheit ein Funkgerät mit sich. Ganz am Anfang habe sie aus Versehen den Alarmknopf gedrückt. Sofort meldete sich die Zentrale. Sie lacht, während sie das erzählt und sagt: „Ich habe mich noch nicht ein einziges Mal wirklich bedroht gefühlt.“ Manchmal habe sie aber das Gefühl, dass der Tag viel zu kurz sei, um alles aufzunehmen und auszuhalten. „Dann muss ich einfach raus und brauche eine Pause.“

Kirsten Schmidt-Soltau hat noch viele Pläne: Sie will im Frauengefängnis einen Chor gründen, eine Patengruppe für entlassene Strafgefangene aufbauen. Ehrenamtliche Paten sollen die Entlassenen rund ein Jahr lang in allen Fragen des Lebens begleiten. „Damit in der schwierigen Anfangszeit jemand da ist, der ein offenes Ohr hat oder ganz schlicht hilft.“

Wer Pate für entlassene Gefangene werden will, kann sich per E-Mail melden bei kirsten.
schmidt-soltau@seelsorge.nordkirche.de