Ahrensburg. Stadtverordnete von CDU und FDP befürchten, dass die Sanierung des Ahrensburger Rathauses teurer wird als geplant. Zu Recht?

Haben Ahrensburgs Verwaltung und eine dünne Mehrheit der Stadtverordneten mit der Weichenstellung zum Denkmalschutz für das Rathaus alles richtig gemacht? Oder hat Bürgermeister Michael Sarach mit Rückendeckung der SPD sowie teilweise von Grünen und WAB der Stadt einen Bärendienst erwiesen? Diese Befürchtung äußert Tobias Koch. Der CDU-Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordnetenversammlung fürchtet, dass die Kosten für die Sanierung des bei vielen Ahrensburgern ungeliebten Scheuermann-Baus aus dem Ruder laufen und andere städtebauliche Projekte in den Hintergrund rücken könnten.

Seine Fraktion hatte sich, wie die FDP, gegen die Unterschutzstellung ausgesprochen. Koch sagt: „Uns wurde das Ganze wegen möglicher Fördermittel schmackhaft gemacht. Die Rede war von zwei Dritteln.“ Nun befürchtet er, dass sich der Eigenanteil der Stadt an den Kosten deutlich erhöhen könnte, „sich ein vermeintlicher Vorteil schlussendlich als Flop erweist“.

Politiker äußerten scharfe Kritik an Denkmal-Plänen

„Rathaus als Denkmal? Ahrensburger sind entsetzt“, titelte das Abendblatt am 15. Oktober 2012. Als das Vorhaben des Landesamtes für Denkmalpflege bekannt wurde, war das Entsetzen groß bei einigen Politikern. Jörg Hansen (Grüne) sprach von einer „Hiobsbotschaft“. Von einem Plan, der aus „ästhetischer Sicht nicht nachvollziehbar“ sei. Koch mahnte schon damals, „der Denkmalschutz könnte andere sinnvolle Vorhaben verhindern“. Und Thomas Bellizzi (FDP), der einen Abriss des Verwaltungssitzes und einen Neubau an anderer Stelle bevorzugte, sagte voraus: „Auf uns kommen hohe Kosten zu, das ist bei unserer Haushaltslage eine Katastrophe“.

Als Denkmal eingestuft ist das Rathaus seit 2008, als sogenanntes „einfaches Kulturdenkmal“. Ein Status, der praktisch keine bedeutenden Folgen hatte, etwa durch Auflagen für die Stadt als Eigentümer. Entscheidend für den Denkmalschutz mit all seinen Konsequenzen ist aber der Status als „besonderes Kulturdenkmal“. Nach Angaben des Landesamtes für Denkmalpflege in Kiel gab es dort seit 2008 Überlegungen, das Rathaus unter besonderen Schutz zu stellen. „Das Gebäude war vorgemerkt“, sagt Bastian Müller auf Abendblatt-Anfrage. Er ist beim Landesamt für die Denkmalbegründung und -bewertung zuständig. Der Grund für das Interesse seiner Behörde am Rathaus: „Auch Gebäude aus den 1970er-Jahren werden mittlerweile als Zeugnisse einer abgeschlossenen Kulturepoche betrachtet.“

So sieht das Foyer des Rathauses aus
So sieht das Foyer des Rathauses aus © Birgit Schücking

Richtig in Gang setzt das Amt das Verfahren zur Unterschutzstellung aber im Jahr 2012. „Auslöser war eine Anfrage der Stadt Ahrensburg, wie sie mit dem Gebäude verfahren kann im Hinblick auf den Denkmalschutz“, sagt Bastian Müller. „Die Stadt wollte Planungssicherheit haben angesichts der Überlegungen, das Rathaus umzubauen oder sogar abzureißen und neu zu bauen.“

Es folgen Besichtigungen durch Experten des Amtes und Gutachten. Die Kieler kommen schließlich zu der Erkenntnis, dass das Rathaus die Kriterien des Denkmalschutzgesetzes erfüllt und unter Schutz zu stellen sei. „Bei dem Rathaus handelt es sich aus historischen, städtebaulichen und künstlerischen Gründen um ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung, an dessen Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht“, lautet das Urteil der damals zuständigen Oberkonservatorin Astrid Hansen.

Die Stadt selbst beantragte den Denkmalschutz

Damit liegt die Voraussetzung für den Denkmalschutz vor. In Ahrensburg wird fortan diskutiert, ob die Stadt nicht sogar selbst einen Antrag auf Unterschutzstellung beim Landesamt einreichen soll. Dahinter steht die durch einen Gutachter bestärkte Hoffnung, durch diese Eigeninitiative leichter Fördermittel für Denkmäler von Bund, Land und Stiftungen zu erhalten. Bürgermeister Michael Sarach ist deshalb für die Antragstellung.

Am 27. Januar 2014 schreiben 15 von 31 Ahrensburger Stadtverordneten dann Geschichte. Mit ihrer Mehrheit (bei 13 Gegenstimmen und drei Enthaltungen) stimmt das Stadtparlament für den Vorschlag der SPD, dass die Stadt selbst beim Landesamt für Denkmalpflege den Antrag stellt, das Rathaus unter Schutz zu stellen. Dieser wird positiv beschieden: Oberkonservatorin Astrid Hansen ruft Sarach wenige Tage später an und informiert ihn darüber, dass das Rathaus fortan im Denkmalbuch zu finden sei.

Erst jetzt beginnen die konkreten Berechnungen der Sanierungskosten. Das ist der Job von Achim Keizer. Der 48-Jährige ist Leiter der zentralen Gebäudewirtschaft der Stadt Ahrensburg und kennt jeden Winkel des Verwaltungssitzes. „Wir haben gute Gespräche mit dem Denkmalschutzamt geführt und viele Hinweise zu den Besonderheiten des Gebäudes bekommen“, sagt Keizer. Er kommt nach aktuellem Stand auf Gesamtkosten für die Sanierung von rund 9,9 Millionen Euro. Der größte Einzelposten ist mit 2,6 Millionen Euro eine Brandschutzsanierung. „Die war schon vor dem Denkmalschutzverfahren nötig und geplant“, sagt Keizer. An die Rückseite des Rathauses wird eine Fluchttreppe angebaut. Kosten: 460.000 Euro.

Allein für Gutachten muss die Stadt 1,4 Millionen Euro bezahlen

Zu Buche schlägt auch die dringend erforderliche energetische Sanierung des 47 Jahre alten Gebäudes. 515.000 Euro sind laut Achim Keizer für das Dämmen von Dächern und der Brüstung im Gebäudeinneren vorgesehen. Auch die Aufarbeitung der Teakholz-Fenster wird teuer. „Das Holz ist bei fast allen Fenstern noch gut“, sagt Keizer. Allerdings müssten die Rahmen aufgearbeitet und neu lackiert, zudem die alten Gläser durch modernes Wärmedämmglas ersetzt und neue Beschläge angebracht werden. Für all das sind 650.000 Euro im Kostenplan veranschlagt. Damit das Haus zudem auch außen in neuem Glanz erstrahlt, sollen die Fassadenplatten aus Waschbeton gereinigt werden. Dafür kalkuliert die Stadtverwaltung Kosten in Höhe von rund 150.000 Euro ein.

Achim Keizer, Leiter der zentralen Gebäudewirtschaft der Stadt Ahrensburg
Achim Keizer, Leiter der zentralen Gebäudewirtschaft der Stadt Ahrensburg © HA | Ralph Klingel-Domdey

Bemerkenswert sind die geschätzten Nebenkosten, die für die Sanierung auflaufen: rund 1,4 Millionen Euro werden unter anderem für Gutachter, Architektenleistungen, Vermessungen und Bauleitung veranschlagt. So müssen Gutachten zu Boden, Baugrund, Energie, Schadstoffen und Statik erstellt werden. Sogar Ornithologen werden gehört. Denn am Rathaus nistet die landesweit zweitgrößte Mauersegler-Kolonie.

So summieren sich die Sanierungskosten Posten für Posten. Um diese bewältigen zu können, hofft die Stadt auf Zuschüsse aus dem Förderprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz“, in das Ahrensburg aufgenommen wurde. An den durch das Programm geförderten Projekten beteiligen sich Bund und Land Schleswig-Holstein mit jeweils einem Drittel. Für Ahrensburg bedeutet dies für das Rathaus einen Eigenanteil an den Sanierungskosten von aktuell kalkulierten 3,3 Millionen Euro. Wie berichtet, prüft derzeit das Gebäudemanagement Schleswig-Holstein in Kiel die Ahrensburger Wünsche und will demnächst über die Förderfähigkeit entscheiden.

Die Kosten stiegen schnell von 6,6 auf 9,9 Millionen Euro

Fachdienstleiter Keizer rechnet mit dem Umbaubeginn frühestens 2018. Was er als relativ verlässliche Schätzung der Sanierungskosten präsentiert – „vor Überraschungen ist man bei Sanierungen von Altbauten jedoch leider nie gefeit“ (Keizer) – schreckt Tobias Koch und andere Stadtverordnete im Herbst 2016 auf. Ahrensburg muss mit 50 Prozent mehr Kosten rechnen als geplant: Aus ursprünglich geplanten 6,6 Millionen Euro sind nun 9,9 Millionen geworden.

„Das Landesinnenministerium als einer der Fördermittelgeber verlangt ein umfassendes Nutzungskonzept für die Räume“, sagt Achim Keizer zum Abendblatt. „Daraus ergibt sich eine flexiblere Raumaufteilung mit kleineren Büros als bislang und neuen Elektroinstallationen. Das allein führt zu Mehrkosten von rund einer Million Euro.“ Zudem würden die Denkmalschützer empfehlen, das Foyer wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Früher lag der Infobereich noch direkt im Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes und nicht, wie heute, im hinteren Teil des Foyers.

Ein weiterer Kostentreiber sei der Vorplatz des Rathauses. „Auf Anraten des Innenministeriums umfasst der Förderantrag nun auch dessen Erneuerung, allein dafür sind weitere 200.000 Euro veranschlagt“, sagt Keizer.

Tobias Koch, CDU-Fraktionschef
Tobias Koch, CDU-Fraktionschef © HA | Lutz Wendler

CDU-Stadtverordneter Tobias Koch fürchtet indes, „dass längst nicht alle Baumaßnahmen förderfähig sind. Und dass der Eigenanteil der Stadt am Ende trotz Förderung fast doppelt so hoch sein könnte wie die ursprünglich geplante reine Brandschutzsanierung, die die Stadt hätte bezahlen müssen.“ Letztere kostet nur 2,6 Millionen Euro. „Die Stadt und der Ahrensburger Steuerzahler könnten auf rund fünf Millionen Euro sitzen bleiben“, befürchtet Tobias Koch. Er warnt davor, dass wichtige andere Bauvorhaben wie die Aufwertung des Quartiers um das Amtsgericht, die Sanierung der Hamburger Straße oder das Areal um die Alte Kate hinten runterfallen könnten, wenn die Stadt mehr für die Rathaussanierung zahlen muss.

Wir tun das Beste für die Stadt, sagt Bürgermeister Sarach

Bürgermeister Michael Sarach sagt, dass Ahrensburgs neuer Bauamtsleiter Peter Kania kommende Woche in Kiel klären wird, „welche Einzelmaßnahmen förderfähig sind und wo wir möglicherweise auf Alternativen ausweichen können.“ Ziel sei es, die Kosten für das Rathaus so gering wie möglich zu halten, damit andere städtebauliche Projekte nicht gefährdet werden. „Wir werden sehen“, sagt der Verwaltungschef, „wir tun das Beste zum Wohle der Stadt.

Thomas Bellizzi von der FDP sieht das anders, schließt sich den Bedenken von Koch an. „Wir haben in der Vergangenheit mehrfach bei Projekten die leidvolle Erfahrung gemacht, dass die tatsächlichen Kosten am Ende deutlich höher waren als kalkuliert. Es zeichnet sich ab, dass die Denkmalschutz-Entscheidung eine finanzpolitische Katastrophe ist, die den Haushalt der Stadt jahrelang belasten wird. Hätte die Verwaltung die Bürger vor Ingangsetzen des Verfahrens befragt, wie es die FDP gefordert hatte, hätte sich sicherlich eine große Mehrheit für einen energetisch effizienten Neubau ausgesprochen“, mutmaßt der FDP-Fraktionschef. „Mittelfristig wäre das erheblich günstiger geworden.“

Erschreckend seien allein die hohen Gutachter-Kosten. Bellizzi: „Ausgaben, die fällig werden, bevor überhaupt irgendetwas passiert. So wird das Rathaus wohl eher zu einem finanzpolitischen Mahnmal als zu einem Denkmal, mit dem sich die Bürger identifizieren.“

So sah das Rathaus einmal neu aus

Das achtgeschossige Rathaus stammt von dem Ahrensburger Architekten Karl-Heinz Scheuermann (1920-2002). Es hat eine Nutzfläche von 5650 Quadratmetern. 1968 war Baubeginn. Zwei Jahre später, am 13. November 1970, wurde es eingeweiht. 4,4 Millionen Deutsche Mark bezahlte die Stadt damals für den Verwaltungssitz. „Der erste Rathausbau Ahrensburgs vereint in beeindruckender und moderner Weise den klassischen Rathausbau mit Turm mit einem modernen Verwaltungsbau, bestehend aus einem Hochhaus, das sich aus einem Flachbau heraus entwickelt“, beschreibt Oberkonservatorin Astrid Hansen vom Landesamt für Denkmalpflege das Gebäude in einem Dossier.

Das Rathaus  nach seiner Fertigstellung im Jahr 1970. Die Fassade aus Waschbeton war damals noch weiß
Das Rathaus nach seiner Fertigstellung im Jahr 1970. Die Fassade aus Waschbeton war damals noch weiß © Stadtarchiv Ahrensburg

Architekt Scheuermann habe es verstanden, moderne Materialien wie Waschbeton mit traditionellen, edlen Materialien zu verbinden. Damit bezieht sich Astrid Hansen auf die Verwendung von Teakholz für die Fensterrahmen, Marmor für die Fußböden und italienischen Kiesel für die Fassade. Ahrensburg sei mit diesem Gebäude „im modernen demokratischen Staatswesen angekommen“.

In der Schlossstadt selbst wird seit der Fertigstellung über das Aussehen des Rathauses diskutiert. In Anspielung auf Architekt Scheuermann spotteten Bürger schon in den 1970er-Jahren über die „Scheuermann-Krankheit“, an der die Stadt fortan zu leiden habe. Tatsächlich gibt es eine solche Krankheit, ein Rückenleiden, benannt nach dem Orthopäden Holger Werfel Scheuermann.