Grosshansdorf. Wir stellen alle fünf Krankenhäuser in Stormarn vor. Welches ist das richtige für mich? Heute: Die Großhansdorfer LungenClinic

Es ist ein unangenehmes Gefühl, gegen einen Widerstand zu atmen. Erst recht, wenn die Luftzufuhr fehlt, weil auf der Nase eine Klemme sitzt. Während der Lungenfunktionstest für mich nur eine Station meiner Reportage ist, ist er für viele Patienten in der Großhansdorfer LungenClinic eine entscheidende Instanz. Täglich durchlaufen 80 bis 100 Patienten den Check im luftdicht abgeschlossenen Glaskörper. „Jeder wird hier auf seine Operabilität geprüft“, sagt Dr. Thorsten Eckel. „Wir wollen wissen, ob wir dem Patienten einen Eingriff zumuten können.“

Hintergründe und Fakten zur Klinik

Als Genesungsheim für Frauen startet die Klinik Ende 1900 mit 50 Betten für „blutarme und bleichsüchtige Rekonvaleszentinnen“. Bleichsucht war die Umschreibung für Tuberkulose. Aus der Pflegeanstalt wird ein Krankenhaus. Mit dem ersten OP-Saal gehört ab 1938 die Thoraxchirurgie zum Angebot, hinzu kommen Pneumologie, Onkologie sowie die Anästhesie.

Seit 2011 gehört die LungenClinic zum Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL). Als Universitäres Lungenzentrum Nord (ULZN) arbeitet sie im Verbund mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und dem Forschungszentrum Borstel an neuen Ansätzen zur Behandlung von Lungenerkrankungen. Sie ist zudem akademisches Lehrkrankenhaus der Universität zu Lübeck.

Rund 15 Forschungsprojekte und 50 klinische Studien jährlich ermöglichen hier auch die Behandlung mit noch nicht zugelassenen Medikamenten. Ende 2016 gelang dem Team um Prof. Dr. Martin Reck, Chefarzt der Onkologie, der Durchbruch zu einer neuen Therapieform mit seiner Studie zur Immuntherapie.

Als einziges von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziertes Lungenkrebszentrum im Raum Hamburg und Schleswig-Holstein ist die Klinik Anlaufstelle für rund 12.000 Patienten jährlich, davon 8000 stationär und 4000 ambulant. Sie verfügt über 193 Betten und ist mit 420 Mitarbeitern, darunter 55 Ärzte, Großhansdorfs größter Arbeitgeber.

Seit Oktober 2016 stehen zehn Betten in der neuen interdisziplinären Palliativstation zur Verfügung. Ein Team aus Ärzten, Pflegekräften, Physio-, Atem- und Psychotherapeuten, Seelsorgern wie Sozialarbeitern sorgt für eine ganzheitliche Behandlung unheilbar erkrankter Patienten.

Eine betriebseigene Kita hat 15 Plätze für Kinder im Alter bis sechs Jahre. Sie ist täglich von 6.15 bis 17 Uhr geöffnet und auch für Externe zugänglich.

Multiresistente Keime wie MRSA fanden sich 2016 bei 1,3 Prozent sogenannter Risikopatienten, die isoliert untergebracht wurden. Im vergangenen Jahr kam es zu keiner im Krankenhaus erworbenen Infektion durch multiresistente Erreger. peso

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Die Fachklinik für Erkrankungen der Lunge und Atemwege ist Deutschlands fünftgrößte Krebsklinik. Bei der Behandlung von Lungenkrebs gehört sie zu den nationalen Spitzenkrankenhäusern. Mit einer Patientenzufriedenheit von 88 Prozent belegt die LungenClinic sogar Platz 1 in ihrer Kategorie im Focus-Qualitätsvergleich. Nach Großhansdorf kommen Menschen mit unterschiedlichsten Befunden: von Atemwegserkrankungen über Lungen­­-hoch­druck oder Lungenkarzinome bis hin zur Tuberkulose und Schlafapnoe.

Im Schlaflabor wird das Atemverhalten getestet

Für schlafbezogene Atemstörungen ist Dr. Maike Oldigs Expertin. Die Oberärztin der Pneumologie analysiert im Schlaflabor das Atemverhalten von Betroffenen während des Schlafs. Gerade wertet sie das Diagramm eines Berufskraftfahrers aus, der, verkabelt mit 20 Elektroden und videoüberwacht, hier die Nacht verbracht hat. Auf dem Computerbildschirm sind wiederkehrende Atempausen von bis zu einer Minute zu erkennen. „Manche Patienten haben bis zu 600 Atempausen in einer Nacht. Die Pausen führen zu einem Abfall des Sauerstoffgehalts, der Schlaf ist weniger erholsam, die Betroffenen wachen morgens wie gerädert auf und leiden unter extremer Tagesmüdigkeit“, erklärt Oldigs. Ursache ist eine Verengung im Rachen.

Drei bis fünf Prozent der Bevölkerung leiden an Schlafapnoe, bei Männern ab 60 Jahren sind es sogar 30 Prozent. „Das Auftreten ist abhängig von Alter und Körpergewicht“, sagt Oldigs. „Je schwerer der Patient, desto eher kann es zur Apnoe kommen.“ Sie nicht zu behandeln birgt hohe Risiken: neben Bluthochdruck auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder einen Schlaganfall.

Mehr als 1000 Patienten jährlich kommen ins Schlaflabor, nach einer Überweisung durch ihren HNO-Arzt, Pneumologen oder Internisten. Heilbar sei die obstruktive Schlafapnoe nicht. Einzige Therapie: Eine Atemmaske über Nase und Mund, die mit einem leichten Luftstrom den Rachen offen hält. „Nach der ersten Nacht mit Maske sagen viele, sie hätten sich noch nie so erholt gefühlt.“

Jede Pflegekraft betreut maximal drei Patienten

Sichtlich erholt hat sich auch Werner Schülke aus Vierlanden, der vor acht Tagen in die Palliativstation kam. Nach Lungenresektion, Bestrahlungen und Chemotherapie hatte dem 80-Jährigen eine schwere Lungenentzündung zu schaffen gemacht. Doch heute absolviert er ohne Pause einen sechsminütigen Gehtest, wenngleich mit zusätzlicher Sauerstoffzufuhr. Dunkles Laminat, farbige Wände, wohnliche Regale als Raumteiler und Schiebevorhänge mit floralen Mustern lassen das Krankenhaus fast vergessen. Ein zarter Duft von Lavendel liegt in der Luft. „Hier ist es wie in Saudi-Arabien“, schmunzelt Schülke, „und die Betreuung ist fantastisch.“ Pfleger Michael Behrendt erklärt: „Patienten, die zu Hause nicht zurechtkommen, bekommen hier Unterstützung bei Luftnot oder Schmerzen. Wir haben viel Zeit für sie, jeder von uns betreut maximal drei Patienten.“ Neben Gesprächen verschafft auch die Aromatherapie Erleichterung. „Eine Patientin hatte massive Einschlafprobleme. Pillen halfen nicht, aber als ich sie mit Lavendelöl einrieb, schlief sie durch.“, sagt Schwester Nicole Thies.

Für Prof. Dr. Klaus F. Rabe, Ärztlicher Direktor, ist die Palliativstation ein Baustein von vielen, die zu einem herausragenden Angebot beitragen sollen. „Ich möchte, dass wir ein echter Lungenleuchtturm sind“, so Rabe. Er weiß um die Herausforderungen des Gesundheitssystems: „Die Klinik muss sich immer wieder neu erfinden, es gibt einen extremen Konflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und Qualität.“ Umso wichtiger sei ein gutes Netzwerk mit anderen Lungenkliniken – und das Vertrauen der Menschen ins System.

Eine „wahrscheinlich weltweit einzigartige“ OP-Methode

Das wurde im vergangenen Jahr auf eine harte Probe gestellt. Die LungenClinic geriet gemeinsam mit der Hamburger Uni-Klinik Eppendorf (UKE), seit 2010 Kooperationspartner für Lungentransplantationen, in die Schlagzeilen. Es war zu Unregelmäßigkeiten bei der Dokumentation von Patientendaten gekommen. Der Verdacht der Manipulation zugunsten der Dringlichkeit für eine Spenderlunge stand im Raum. „Das war für uns mit schmerzhaften Erkenntnissen verbunden“, sagt Rabe. „Wir sind noch nicht fertig mit der Aufarbeitung, aber der positive Effekt ist die Reflexion: Was können wir verbessern?“

Während sein Chef hoffnungsvoll in die Zukunft blickt, solche Pannen künftig ausschließen zu können, blickt Dr. Christian Kugler am OP-Tisch direkt ins Grüne. Hohe Fenster fluten die beiden OP-Säle im 2014 errichteten Erweiterungsbau mit Tageslicht. Kugler hat am Raumkonzept mitgewirkt. Der Chefarzt der Thoraxchirurgie ist auch sonst für Innovationen offen. Als ein Patient mit einem Tumor in der Luftröhre zu ihm kam, der so ausgedehnt war, dass er als nicht-operabel galt, erfand Kugler eine „wahrscheinlich weltweit einzigartige“ OP-Methode. „Es gibt bis heute noch keinen künstlichen Luftröhrenersatz“, so Kugler. „Mit einem Teil seiner Bronchien, die ich in der Luftröhre des Patienten zwischenschaltete, schuf ich körpereigenen Ersatz.“

40 Prozent der Operationen mit minimal-invasiverTechnik

Wie in vielen Bereichen der modernen Medizin geht es auch in der LungenClinic eher unblutig zu: Bei fast 40 Prozent der rund 1200 Operationen im Jahr werden minimal-invasive Techniken angewendet. „Wir gehen zwischen den Rippen rein, das Zugangstrauma ist so deutlich geringer und der Patient benötigt weniger Schmerzmittel“, sagt Sönke von Weihe, leitender Oberarzt. Die Dauer der Eingriffe sei sehr unterschiedlich – schließlich wird erst während der Operation klar, ob ein Tumor bösartig ist und mehr vom Lungengewebe entfernt werden muss. „Manchmal dauert es nur eine halbe Stunde, manchmal bis zu acht Stunden. Dann bin ich allein drei Stunden dabei, die Lunge vom Brustkorb zu lösen.“ Bedeutet das nicht viel Stress für die insgesamt elf Operateure? „Das ist wie mit dem Autofahren. Vieles ist Routine, man empfindet es nicht als Stress – bis man unerwartet im Stau steht.“