Ahrensburg. Alarmierende Umfrage der Gewerkschaft Marburger Bund. Wir haben diese Probleme nicht, sagen die Leitungen der Stormarner Krankenhäuser.

Rund 140.000 Menschen wurden im Jahr 2016 in den fünf Stormarner Krankenhäusern medizinisch versorgt. Statistisch betrachtet war somit mehr als jeder zweite Stormarner (239.614 Einwohner) innerhalb von zwölf Monaten in einer Klinik in Behandlung.

Seit Jahren steigen die Patientenzahlen – vor fünf Jahren kamen alle Häuser zusammen auf etwa 113.000 Patienten pro Jahr, 27.000 weniger als 2016. Doch gleichzeitig hat eine Umfrage der Ärztegewerkschaft Marburger Bund ergeben, dass sich 89 Prozent der Krankenhaus-Ärzte in Schleswig-Holstein überlastet fühlen.

Viele gehen zum Psychiater

Wie kommen die hohen Patientenzahlen zustande? Das Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus in Bargfeld-Stegen, eine Fachklinik für Psychiatrie, registrierte innerhalb von fünf Jahren einen Anstieg von rund 20 Prozent auf 9400 Patienten in 2016. „Ob psychische Erkrankungen zugenommen haben, lässt sich aber nicht sagen“, sagt Professor Dr. Matthias R. Lemke, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer der Klinik. Er fügt hinzu: „Zugenommen hat die Inanspruchnahme von Therapien.“ Das liege unter anderem daran, dass die Schwelle niedriger geworden sei, sich von einem Psychiater behandeln zu lassen.

Für Jan Zabel, Leiter der Park-Klinik Manhagen in Großhansdorf, sind die Spezialisierung der Operateure in der Fachklinik für Orthopädie und Augenheilkunde sowie der gute Ruf der Klinik Grund dafür, dass immer mehr Menschen aus ganz Deutschland und aus anderen Ländern nach Stormarn kommen. So stieg die Zahl der Patienten innerhalb von fünf Jahren um 70 Prozent von 24.500 (2011) auf 41.500 (2016).

Die Unzufriedenheit der Ärzte birgt Risiken

Auch in Großhansdorfs zweiter Spezialklinik, der LungenClinic, „ist die Steigerung der behandelten Patienten um 7,5 Prozent Ausdruck des medizinisch-fachlich hohen Niveaus“, sagt Sprecherin Marie-Therese Kron. Auch Professor Dr. Stefan Jäckle, Ärztlicher Direktor des Krankenhaus St. Adolf-Stift in Reinbek, nennt gestiegene Qualität durch mehr Spezialisten als Grund für die Zunahme. Niedergelassene Ärzte würden Patienten häufiger an die Spezialisten nach Reinbek überweisen, nicht mehr nach Hamburg.

Nur die Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe verzeichnet einen Patientenrückgang. Rund 15.800 Menschen wurden in dem Krankenhaus 2016 behandelt, etwa 2000 weniger als fünf Jahre zuvor. Als Grund nennt die Klinik die Schließung von mehreren Fachabteilungen wie die Geburtshilfe. Dafür hat sich Klinik jedoch auf die Geriatrie, also die Behandlung älterer Menschen, spezialisiert.

Doch die immer komplexeren Diagnosen und Behandlungen bleiben nicht ohne Folgen. Laut einer vom Marburger Bund in Auftrag gegebenen Umfrage unter Klinikärzten in Schleswig-Holstein gaben 89 Prozent der Mediziner an, überlastet zu sein. Hauptgrund ist laut 83 Prozent der Befragten Personalmangel. 73 Prozent fühlen sich zudem wegen der Arbeitsverdichtung überfordert. „Überlange Arbeitszeiten und fehlende Pausen gefährden nicht nur die Gesundheit der Ärzte, sondern können auch ein Sicherheitsrisiko für die Patienten darstellen“, warnt Dr. Henrik Herrmann, Vorsitzender der Ärztegewerkschaft in Schleswig-Holstein.

Hoher Dokumentationsaufwand lässt weniger Zeit für Patienten

Viele Mediziner beklagen, dass auch ein wachsender Dokumentationsaufwand dazu führe, dass immer weniger Zeit für den Patienten bleibt. All diese Missstände sind der Grund, dass nur 61 Prozent der Ärzte mit ihrem Arbeitgeber zufrieden sind. 42 Prozent gaben sogar an, dass sie ihren Arbeitgeber nicht weiterempfehlen würden. „Die Zahlen bergen ein Risiko für das Unternehmen Krankenhaus. Häufig ist es qualifiziertes Personal, das den Arbeitsplatz wechselt. Es besteht also dringender Handlungsbedarf“, sagt Herrmann.

Für Björn Pestinger, Geschäftsführer des St. Adolf-Stifts in Reinbek, ist das Ergebnis erschreckend. „Überlastung kann mehrere Gründe haben. Zum einen, dass Stellen nicht besetzt sind oder länger nicht besetzt werden können. Davon ist das Krankenhaus Reinbek verschont“, sagt Pestinger auf Abendblatt-Anfrage. In den Jahren 2011 bis Ende 2016 sei im Reinbeker Krankenhaus die Zahl der Stellen um ein Fünftel gestiegen.

Auch Jan Zabel von der Park-Klinik Manhagen nennt das Ergebnis der Umfrage „dramatisch“. Zabel sagt aber auch, die Park-Klinik habe keine Probleme mit Fluktuation. Auch die LungenClinic in der Waldgemeinde berichtet, dass Ärzte dem Krankenhaus teilweise über Jahrzehnte treu bleiben und der Personalschlüssel gut sei. Auch das Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus hat nach eigenen Aussagen keine Probleme mit Personal, das Haus sei sogar mehrfach beim bundesweiten Wettbewerb „Great Place to Work“ als bester Arbeitgeber im Gesundheitswesen in der Kategorie Kliniken ausgezeichnet worden.

Für die Asklepios-Klinik ist der Ärztemangel in Schleswig-Holstein ein Thema, das für die künftige Patientenversorgung berücksichtigt werden müsse. Geschäftsführer Andreas Reichardt zum Abendblatt: „Wir führen regelmäßige Gespräche mit Mitarbeitern, die helfen, Situationen mit erhöhtem Stresspotenzial zu identifizieren und präventiv zu vermeiden.“

Die neue Serie: Stormarns Kliniken

Welches Krankenhaus ist das richtige für mich? Was bieten die Kliniken in Großhansdorf, Reinbek, Bad Oldesloe und Bargfeld-Stegen? Worauf sind sie spezialisiert und was zeichnet sie aus? Und welche Menschen arbeiten dort für die Gesundheit der Patienten? Das alles erfahren Sie von morgen an jeweils sonnabends in unserer neuen Serie.