Ahrensburg/Bargteheide. Wo hakt es an unseren Schulen in Stormarn? Mit welchen Problemen haben Pädagogen am meisten zu kämpfen? Das Abendblatt hat drei von ihnen zu einem Lehrer-Gipfel indie Redaktion eingeladen

René Soukup

Mit einem eindringlichen Appell wenden sich Lehrer verschiedener Stormarner Schulen an die Landespolitiker in Kiel und an Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Britta Ernst (SPD). „Wir brauchen dringend mehr Sonderpädagogen an unseren Schulen, um verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche besser betreuen und somit den Unterricht für die anderen Schüler sicherstellen zu können.“ Das sagten drei Pädagogen aus Reinfeld, Westerau und Bargteheide bei einem Schul-Gipfel auf Initiative des Hamburger Abendblattes.

Die Zahl solcher Problemschüler habe aufgrund unterschiedlicher Ursachen zugenommen und binde im Unterricht viel Kraft. Viele Pädagogen stoßen auch in Stormarn unter anderem wegen dieser Problematik an die Grenzen der Belastbarkeit. Es könne nicht sein, „dass Schule heilen soll, was in der Gesellschaft schief läuft“, sagt der Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Heiko Winkel-Rienhoff, bei dem Gespräch in den Redaktionsräumen in Ahrensburg. Ferner forderten er und Birgitt Gartenschläger sowie Martin Moßner eine bessere Unterrichtsversorgung. Und die Lehrer begegnen dem weit verbreiteten Vorurteil, bei Pädagogen handele es sich um eine Berufsgruppe, in der Faulheit an der Tagesordnung sei. Lesen Sie hier das Protokoll des Lehrer-Gipfels.

Ex-Kanzler Schröder hat sich 1995 mit seinem Satz über Lehrer „Ihr wisst doch genau, was das für faule Säcke sind“ den Zorn vieler Pädagogen zugezogen. Schlägt Ihnen heute noch derartige Polemik entgegen?

Heiko Winkel-Rienhoff: Da hat sich viel verändert. Früher wurden Lehrer oft um ihren Job beneidet. Heute sagen viele, deinen Job möchte ich nicht haben. Da ist viel aufgeräumt worden mit dem Stigma vom faulen Lehrer. Die meisten Eltern wissen, dass das mehr Arbeit ist, als einen halben Tag lang vor der Klasse zu stehen.

Martin Moßner: Das System verändert sich ständig. Zum Beispiel von der Halbtags- zur offenen Ganztagsschule. Da haben wir automatisch mehr mit Eltern zu tun. Und die fordern heute mehr Offenheit ein, suchen das Gespräch. Sie wissen auch, was sie teils für Bagaluten zuhause haben und wie schwierig der Umgang mit denen ist.

Birgitt Gartenschläger: Es ist angekommen, das der Job nicht mittags erledigt ist, dass es manchmal in den Ferien weitergeht.

Bekommen Sie eigentlich ausreichend Unterstützung von Eltern, wenn sich Kinder und Jugendliche in der Schule daneben benehmen?

Winkel-Rienhoff: Es gibt solche und solche. Einige Eltern kümmern sich sehr, zeigen großes Interesse, dass aus ihren Kindern etwas wird. Diese Eltern arbeiten gut mit uns zusammen. Und es gibt solche, die kümmern sich zu wenig um ihre Kinder oder sind nicht in der Lage dazu. Von denen gibt es auch kein bisschen Unterstützung für die Lehrer. Aber die Zahl derer ist klein ...

Moßner: ... aber die machen uns das Leben sehr, sehr schwer.

Gartenschläger: Ich habe eine nette Klasse und nette Eltern. Aber ich höre von Fällen, wo bei strittigen Fragen sofort ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird. Und es gibt Eltern, die sich in den Elterngesprächen uneinsichtig verhalten und sogar laut werden, weil sie nicht nachvollziehen können, dass ihre Kinder Unterstützung benötigen. Wenn ihre Zielsetzung nicht erfüllt wird, dann geben sie der Schule die Schuld dafür.

Hat der Anteil verhaltensauffälliger Schüler zugenommen?

Winkel-Rienhoff: Schwer zu sagen, eine richtige Statistik fehlt. Aber wir erleben mittlerweile auch an Grundschulen mehr kleine Kinder mit großen Problemen. Zum Beispiel mit Sprachschwierigkeiten und mit Verhaltensstörungen.

Was sind die Ursachen?

Gartenschläger: Die Kinder sind zu vielen Reizen ausgesetzt. Manchmal sind auch die Eltern mit den Kindern überfordert, oder die familiären Strukturen fehlen. Manche Eltern setzen keine Grenzen und denken, dass zur freien Entfaltung eines Kindes gehört, dass es sich nicht an Regeln halten muss. Das gibt natürlich Probleme in der Schule, wo es Regeln gibt. Und dann gibt es noch die überbehüteten Kinder, die der sogenannten Helikoptereltern, die ihren Kindern keinen Freiraum lassen. Diese Freiheit suchen die sich dann früher oder später selbst.

Stichwort Reizüberflutung – wie stehen Sie zum Thema Handys an Schulen?

Gartenschläger: Die sind an unserer Schule strikt verboten. Es kommen zwar Kinder mit Handys an die Schule. Oft Kinder mit Migrationshintergrund, weil die Eltern wohl in Sorge sind, dass sich ihre Kinder sonst nicht zurechtfinden. Aber wir verbieten die Nutzung in der Schule grundsätzlich.

Moßner: Bei uns ist das ähnlich geregelt. In der Sekundarstufe gibt es einen Extra-Bereich zum Telefonieren oder zum Tippen von Nachrichten. Über kurz oder lang wird es möglicherweise aber sogenannte Smartphone-Klassen geben. Grundsätzlich aber müsste die Handy-Nutzung durch Schulungen der Medienkompetenz flankiert werden. Das gibt es leider nicht.

Sind gänzlich handyfreie Schulen nicht die bessere Lösung?

Gartenschläger: Aus Sicht der Grundschule, ja.

Winkel-Rienhoff: Für die Unterrichtszeit auf jeden Fall.

Moßner: Im Sekundarbereich 2 können Handys hilfreich sein. Aber es muss ein guter und intelligenter Umgang sein. Wie gesagt, der muss geschult werden. Die Gefahren und Fallstricke müssen den Schülern bekannt gemacht werden. Da gibt es leider große Defizite an den Schulen.

Wie hat sich das Verhältnis Lehrer-Schüler verändert?

Gartenschläger: In der Grundschule wird man oft von den Kindern geduzt, aber sie haben Respekt. Die Mehrheit weiß, wo es langgeht. Bei verhaltensauffälligen Kindern würde es auch wenig helfen, nur Respekt zu fordern. Das kann nur eine Stütze sein. Diese Kinder haben vielschichtige Probleme, die man im Blick haben muss. Sie müssen besonders ermutigt werden. In den weiterführenden Schulen stellt sich das Lehrer-Schüler-Verhältnis nach dem, was ich höre, aber möglicherweise anders dar.

Moßner: Auch ich werde geduzt von den Schülern. Respekt erwerbe ich mir dadurch, dass ich ihnen etwas beibringen, notfalls für Ruhe sorgen kann. Und dass ich konsequent handele.

Der autoritäre Lehrer hat demnach ausgedient?

Gartenschläger: Die gibt es durchaus noch. Aber ich weiß nicht, ob sie es wirklich leichter haben. Bei manchen Schülern beißen auch sie auf Granit.

Woher rührt überhaupt mangelnder ­Respekt gegenüber Lehrern?

Gartenschläger: Ein Grund ist wohl, dass manche Eltern ihren Kindern kein positives Bild von der Schule vermitteln. Das spüren wir deutlich. Das merke ich schon bei Grundschülern. Wenn die Eltern uns keine Achtung entgegenbringen oder die Schule in einem negativen Licht sehen, dann verhalten sich die Kinder entsprechend. Ein weiterer Grund mag darin liegen, dass manche Kinder von sich ein negatives Bild haben, niedrige Frustrationsschwellen, schnell entmutigt sind. Sie können Kritik nicht vertragen und wollen sich schon in der Grundschule nichts sagen lassen.

Winkel-Rienhoff: Früher haben wir unsere Lehrer manchmal gefürchtet, aber nicht respektiert. So soll es nicht sein. Es bedarf keiner Machtausübung, um respektiert zu werden.

Moßner: Ich halte klare Regeln und ein angstfreies Lernen für den richtigen Weg.

Wie groß ist der Bedarf an Sonderpädagogen für verhaltensauffällige Kinder, bekommen Sie diesbezüglich genug Unterstützung aus Kiel?

Gartenschläger: Es ist besser geworden. Aber denken sie nur einmal an die zusätzlichen Aufgaben durch DaZ-Klassen (Anmerkung: Deutsch als Zweitsprache), an das Thema Inklusion. Wir brauchen deutlich mehr Lehrer – besonders für Kinder mit speziellen Problemen.

Moßner: 1,4 Förderstunden stehen jedem Kind pro Woche zu. Ich habe ein anerkanntes Förderkind bei mir in der Klasse. Diese Stundenzahl ist ein Lacher, viel zu kurz gesprungen. So kann Integration nicht funktionieren. Und dabei sind die verhaltensauffälligen Kinder noch nicht einmal berücksichtigt, das bereitet mir Kopfschmerzen. Wenn sie drei Kinder in der Klasse haben, die 100 Prozent verweigern, dann haben sie ein echtes Problem.

Was muss geschehen?

Moßner und Gartenschläger: Jede Klasse mit verhaltensauffälligen Schülern bräuchte bis zur Neunten oder Zehnten einen zweiten Lehrer.

Winkel-Rienhoff: Die Kinder von Flüchtlingen oder solche mit einer Behinderung sind nicht das Hauptproblem. Aber mit Schulbegleitern und Assistenzlehren allein ist besonders das Problem verhaltensauffälliger Schüler nicht zu meistern.

Sie fordern also unisono dringend Hilfe vom Ministerium?

Alle drei: Ja.

Und wie steht es um die Förderung hochbegabter Schüler?

Gartenschläger: Leider gibt es nur wenige Stunden für besondere Förderung, und die werden zur Förderung von Kindern mit Lernschwierigkeiten eingesetzt. Stunden, um hochbegabte Kinder zu fördern, können dann meist nicht eingerichtet werden. Das muss durch Binnendifferenzierung im Unterricht geschehen.

Winkel-Rienhoff: Und auch Hochbegabte, die sich langweilen, können zu Problemkindern werden, weil sie sich im Unterricht langweilen. Bei der Frage nach den Ursachen müssen wir auch über die Familien sprechen, die in Armut leben. Gerade wenn Eltern ihre Arbeit verlieren, gehen familiäre Strukturen verloren. Und das kommt natürlich bei den Kindern an. Und leider wird sogar Hartz-4-Verhalten über Generation vererbt.

Sind Schulen nicht mittlerweile Reparaturwerkstätten für gesamtgesellschaftliche Probleme?

Moßner: Zumindest wird das von vielen Eltern so erwartet.

Winkel-Rienhoff: Aber sehen sie mal, wie viele Kinder heute mit Abitur in einen Lehrberuf gehen. Das ist im Grunde eine positive Entwicklung.

Wir haben also nicht zu viele Abiturienten?

Moßner: Nein, warum sollen nicht auch Abiturienten einen Lehrberuf ergreifen? Es muss aber auch nicht jeder Schüler später studieren.

Gartenschläger: Die Pisa-Studie hat viele Eltern verunsichert. Und nun gibt es Vergleichsarbeiten im dritten und achten Schuljahr. Viele Eltern sind in Sorge, dass ihre Kinder den späteren Anforderungen nicht standhalten können, andere, dass ihre Kinder zu sehr gestresst und überfordert werden. Jetzt kann jeder aufs Gymnasium gehen. Ich höre von anderen Lehrern, dass Schüler dort teilweise zwei Jahre lang sitzen und nur Fünfen und Sechsen bekommen, weil sie da eigentlich nicht hingehören. Das müssen die erst einmal durchstehen. Das ist bitter für ein Kind.

Hat sich das Prinzip im Vergleich zum alten System mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium also nicht bewährt?

Moßner: Gesamtschulen haben sich am wenigsten verändern müssen, weil sie sich an den Möglichkeiten und Leistungen der Kinder orientieren. Man tut sich schwer, wenn sich ein Kinder abstrampelt und wir sagen müssen, das wird trotzdem nichts. Dadurch, dass wir quasi unser Niveau im Vergleich zu den Gymnasien abgesenkt haben, nutzen das viele Kinder. Vielleicht bekommen sie ein schlechtes Abitur, aber dann können sie doch eine Lehre machen. Die weitere Entwicklung wird bis oben offengehalten. Das finde ich faszinierend.

Gartenschläger: Ich bin froh, für dass es jetzt in Schleswig-Holstein Gemeinschaftsschulen als Regelschulen gibt und nicht mehr das dreigliedrige System, weil es nach der vierten Klasse zu früh ist, um festzustellen, wie sich die Kinder entwickeln. Viele Hauptschüler wurden früher stigmatisiert, fühlten sich allein deshalb schlecht, weil sie Hauptschüler waren, dabei haben sie nach dem Hauptschulabschluss oft gezeigt, dass sie auch den Realschulabschluss und einige sogar das Abitur schaffen. Die Gemeinschaftsschulen ermöglichen den Kindern, die unterschiedlichen Abschlüsse je nach ihrer Begabung zu machen. Die Kinder haben heute mehr Zeit, sich zu entwickeln. Das setzt aber starke Binnendifferenzierung voraus und eine sehr gute Ausstattung mit Lehrkräften. Kinder, die in der Grundschule zeigen, dass sie leistungsstark sind, haben meist in beiden Schularten keine Probleme, können also, wenn sie wollen, am Gymnasium nach acht Jahren das Abitur machen oder an der Gemeinschaftsschule eine Klasse überspringen.

Stichwort Notengebung. Warum wird das so unterschiedlich gehandhabt?

Gartenschläger: Wir haben das ganz abgeschafft. Durch das Ankreuzen der Kompetenzen bekommen Eltern doch einen viel besseren Einblick in die Fähigkeiten und das Leistungsvermögen ihres Kindes als durch eine Note.

Winkel-Rienhoff: Eltern, die Rasterzeugnisse bekommen, sind zufrieden damit. Die, die Notenzeugnisse bekommen haben, sind es auch. Da gibt es zwar mehr Vergleichbarkeit. Aber wir sind auf dem Weg zur Individualisierung. Immer mit der Frage, was leistet der einzelne Schüler, wie entwickelt er sich? Wir haben lernzielorientierte Beurteilungen. Das spiegelt das Kind besser wieder als eine Note.

Gartenschläger: Wir sind aber nicht zufrieden mit den Zeugnissen der Landesregierung. Die sind zu schwammig, nicht konkret genug. Auch Eltern sagen, sie seien mit unseren Formulierungen zufriedener gewesen, weil sie differenzierter waren. Wir haben unsere Zeugnisformulierungen nach Kiel geschrieben, sie wurden aber nicht berücksichtigt.

Aber die Diskussionen um G 8 und G 9 sind doch wohl vorbei, oder?

Moßner: Das ist jetzt so entschieden, und von den Schulen aus wird da nichts unternommen. Man weiß aber nicht, wie die Politik damit weiter umgeht.

Gartenschläger: Eltern an unserer Grundschule begrüßen es, dass es beide Möglichkeiten gibt.

Winkel-Rienhoff: Ich finde G 8 nicht gut. Die Kinder und Jugendlichen brauchen für ihre Entwicklung mehr Zeit, mehr Ruhe. Es gibt auch ein Leben neben der Schule. Es gibt eben auch Entwicklungsphasen wie die Pubertät, die eine besondere Herausforderung darstellen. Da ist der sich aus verkürzter Schulzeit ergebende Druck nicht gut.

Ist das eine Einzelmeinung, oder denken Ihre Kollegen auch so?

Winkel-Rienhoff und Gartenschläger: Sicher nicht. So denken viele. Deshalb gibt es ja auch Überlegungen in anderen Bundesländern, zu G 9 zurückzukehren.

Moßner: Es gibt auch Rückmeldungen von Universitäten, dass viele Abiturienten eigentlich noch nicht so weit sind. Dass wir den jungen Leuten mehr Zeit geben müssen. Erst an der Uni erwachsen zu werden – was soll das?

Britta Ernst lobt Erfolge in der Bildungspolitik. Verzeichnen Sie Fortschritte an Stormarns Schulen?

Winkel-Rienhoff: Es bewegt sich viel. Vergleiche mit früher sind jedoch schwierig. Vom Fachwissen haben Schüler wohl nicht mehr so viel drauf wie früher. Was mussten wir früher alles an Fakten lernen – aber was davon braucht man später wirklich?

Was sagen Sie zum Versprechen der Ministerin zu einer hundertprozentigen Ausstattung der Schulen?

Gartenschläger: In der Statistik sind 100 Prozent ausgewiesen. Aber das liegt daran, das sich teilweise ein Lehrer um drei Klassen kümmert, Klassen stundenweise aufgeteilt werden müssen und sogar Eltern in Notfällen Klassen beaufsichtigen müssen, denn wegen der Verlässlichkeit in der Grundschule dürfen wir die Kinder nicht früher nach Hause schicken. Das mit der hundertprozentigen Versorgung ist eine Mogelpackung.

Moßner: Auch wir sind davon weit entfernt. Wenn dann noch eine Grippewelle dazukommt, sieht es düster aus an der Schule. Wenn zehn Kollegen ausfallen, sind das 250 Stunden in einer Woche. Und es gibt auch noch langfristige Ausfälle. Wir bräuchten ein Reservoir an Lehrkräften.

Winkel-Rienhoff: Das Bemühen der Regierung ist zwar erkennbar. Aber es reicht vorn und hinten nicht. Wir fordern eine 105-prozentige Versorgung, wir brauchen Springer für Notfälle.

Hängt denn nun ihre Arbeitsbelastung allein von der Schulform und den Fächern ab? In der öffentlichen Wahrnehmung schwankt Ihr Image offenbar zwischen den viel zitierten „faulen Säcken“ und Burnout.

Gartenschläger: Es schwankt mehr zu Burnout. Ich kenne etliche Kollegen aus Bargteheide, die mit Ende 40 oder Mitte 50 aufhören mussten.

Hand aufs Herz: Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Gartenschläger: Gute 50 auf jeden Fall bei 28 Unterrichtsstunden.

Moßner: Ich mache mir nicht die Mühe, das auszurechnen. Wenn ich zu Hause bin, stelle ich nicht die Stoppuhr. Ich investiere so viel in die Arbeit, dass ich klarkomme.

Was belastet Sie denn am meisten im Schulalltag?

Moßner: Eindeutig die verhaltensauffälligen Kinder. Ich kenne Lehrer, die trotz Burnout und gegen den Rat von Ärzten weiterarbeiten aus Pflichtbewusstsein. Diese Schüler sind eine wirklich große Herausforderung. Da muss man manchmal schon regelrecht zaubern können.

Winkel-Rienhoff: Die Belastung hat deutlich zugenommen. Bei der differenzierten Betrachtung der Schüler, durch die Förderpläne, Elterngespräche, Schulprogramme und so weiter.

Gartenschläger: Es ist das Ganze drumherum. Der eigentliche Unterricht nimmt nur noch ein Drittel meiner Zeit in Anspruch.

Winkel-Rienhoff: Grundsätzlich kann man wohl sagen, dass wir die Pflichtstundenzahl mal zwei nehmen können. Daraus ergibt sich dann die gesamte Wochenstundenzahl für die Lehrerinnen und Lehrer.

Dennoch glauben viele Deutsche, dass Lehrer zu viel Urlaub haben.

Moßner (lacht): Darüber haben wir uns nie beklagt.

Gartenschläger: Eltern sehen nicht, dass Ferien oft nur unterrichtsfreie Zeiten sind.

Fühlen Sie sich gerecht bezahlt?

Gartenschläger: Wir Grundschullehrer werden diesbezüglich abgehängt. Ich verdiene nicht zu wenig, aber die Bezahlung ist ungerecht. Auch wenn Frau Ernst meint, wissenschaftliche Arbeit stehe bei uns nicht so im Vordergrund wie am Gymnasium oder an der Gemeinschaftsschule, sehe ich nicht ein, warum ich brutto rund 450 Euro weniger im Monat bekomme als Lehrer an Gymnasien oder Gemeinschaftsschulen. Auch wir Grundschullehrer arbeiten wissenschaftlich. Und die Belastung ist genau so hoch wie an den anderen Schulen.

Können Sie jungen Menschen den Lehrerberuf heute noch empfehlen?

Gartenschläger: Ja, weil es eine schöne Aufgabe ist, mit jungen Leuten zu arbeiten. Man muss sich aber gleich abgrenzen können von den Problemen, die die Kinder mit in die Schule bringen.

Winkel-Rienhoff: Es ist ein schöner Beruf, weil man dicht dran ist am Geschehen. Es kommt natürlich immer auf die Fächerkombination an. Sie brauchen zumindest ein Fach, dass nicht so hohen Aufwand bedeutet.

Moßner: Für mich ist es trotz aller Schwierigkeiten ein toller Job.