Ahrensburg/Elmenhorst. Zwei Drittel aller Fälle kommen aus dem Kreis. Elmenhorst (28.200 Proteste), Ahrensburg (19.200) und Großhansdorf (2700) sind Schwerpunkte. Offenbar einige Dauerbeschwerer

Im Vorjahr gab es mehr als 20-mal so viel Fluglärmbeschwerden aus dem Kreis Stormarn wie 2015. Die Zahl explodierte geradezu von rund 2400 auf jetzt 52.000. Noch dramatischer ist der Vergleich mit 2014. In jenem Jahr kamen genau 110 Beschwerden aus Stormarn.

Schwerpunkte sind Elmenhorst (etwa 28.200 Fälle), Ahrensburg (19.200), Großhansdorf (2700), Bargteheide (830) und Jersbek (540). Hinter der Entwicklung steckt vor allem die Arbeit von mittlerweile drei Initiativen, die sich in Hamburgs östlichem Nachbarkreis gegen Fluglärm formiert haben (siehe unten). Zudem gibt es offenbar Bürger, die Hunderte Proteste abschicken.

Seit Juli erfasst die Hamburger Umweltbehörde auch die einzelnen Beschwerdeführer – allerdings nur, wenn sie ihre komplette Adresse mit Straße und Hausnummer angeben. Anderenfalls wird zwar der Einspruch registriert, nicht aber der Absender. So kamen im zweiten Halbjahr für Stormarn 162 Beschwerdeführer zusammen, von Elmenhorst (99) über Ahrensburg (zehn), Großhansdorf (sechs) und Bargteheide (fünf) bis Jersbek (19).

Kritik am unter Initiativen entfachten „Klick-Krieg“

„Die einzelnen Gründe sind sehr unterschiedlich“, sagt Jan Dube, Sprecher der Umweltbehörde. Etliche Absender meldeten nur einen lauten Überflug zu einer bestimmten Uhrzeit. Andere bemängelten detailliert die Abweichung von festgelegten Routen.

Ein Mann, der den neuen Rekordstand eher skeptisch sieht, ist der Stormarner Sprecher der Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW), René Schwartz. „Ich befürchte, dass in der Flut die wirklich qualifizierten Beschwerden untergehen“, sagt der Ahrensburger. Dass zudem die Absender ohne vollständige Adresse überhaupt nicht gezählt werden, „verzerrt das Gesamtbild deutlich“.

Er selbst habe im Vorjahr gerade mal ein Dutzend Fälle eingereicht – und keineswegs fast 4000 in einem Monat, wie die „Bild“-Zeitung berichtete. Mit Blick auf die schnelle Beschwerde via Internet sagt Schwartz: „Der Klick-Krieg, der sich zwischen den Initiativen entfacht hat, bringt nichts.“ Das gelte für alle Seiten. Sinnvoller sei ein runder Tisch mit Vertretern aus Gruppen, Verwaltung und Politik, der eine Lösung für ganz Stormarn erarbeite.

Diese Lösung liegt für Joachim Gosch, Sprecher der Arbeitsgruppe Fluglärmgeplagte Gemeinde Elmenhorst (FGE), darin, den Anflugkorridor aus Nordosten auf den Hamburger Flughafen wieder breiter zu fächern. Um das zu erreichen, seien häufige Proteste ein probates Mittel: „Es bringt nicht viel, wenn man sich nur ein einziges Mal beschwert.“ Das erzeuge wenig Wirkung, erzähle er auch seinen Mitbürgern immer wieder. Über dem Dorf sei quasi jedes Flugzeug außerordentlich laut. „Hier drehen die Flieger auf den Endanflug ein, was besonders viel Lärm erzeugt“, sagt er. Nach seinen neuesten Informationen werde bei 80 Prozent aller Landungen der Anflug ab zehn Nautischen Meilen (NM, 18,5 Kilometer) gewählt – und damit zum Großteil über Elmenhorst.

Die Zahl der Landungen aus Richtung Stormarn ist konträr zu den Beschwerden um rund zehn Prozent gesunken, von etwa 43.900 auf 40.050. Das war jeder zweite Anflug nach Hamburg. „Es besteht bei der Entwicklung der Beschwerdezahlen kein Zusammenhang mit der Entwicklung der Lärmbelastung“, sagt Flughafensprecherin Janet Niemeyer. Das Lärmkontingent ist trotz steigender Passagierzahlen seit zehn Jahren konstant und um ein Drittel niedriger als 1997.

„Auffällig ist, dass die Beschwerden regional sehr unterschiedlich verteilt waren – auch wenn die Lärmbelastung benachbarter Stadtteile und Gemeinden oft ähnlich stark war“, sagt die Fluglärmschutzbeauftragte Gudrun Pieroh-Joußen. Ziel für dieses Jahr sei es, die Zahl der Verspätungen (Flüge nach 23 Uhr) von 774 deutlich zu senken.

Stormarns Stimme in der Fluglärmschutzkommission (FLSK) ist Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach. „Wir haben mehrere Prüfaufträge erteilt, wie es über ganz Stormarn ruhiger werden kann“, sagt er. Er stehe mit Kreispräsident Hans-Werner Harmuth, Landrat Henning Görtz, Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft und des Kieler Landtags im Austausch. „Die große Kunst wird es sein, eine Gesamtlösung für unseren Kreis zu finden“, sagt der Bargteheider Harmuth. Es gebe viele Ideen – von Flugkorridoren für bestimmte Tage bis zur festen Überflughöhe –, die nun auf technische Umsetzbarkeit geprüft werden müssten.

Ein gemeinschaftliches Ergebnis ist auch im Sinne der Arbeitsgruppe Fluglärmschutz Jersbek. Dort macht sich die geringere Zahl der Landungen offenbar bemerkbar. „Wir begrüßen die phasenweise Reduzierung des Lärms“, sagt Sprecher Markus Jahn. Dieser Weg müsse weiter verfolgt werden.