Reinbek. Stormarns Museen Serie in der Abendblatt-Regionalausgabe. Heute: das Museum Rade in Reinbek

Der Schriftsteller und Kunstsammler Rolf Italiaander hat geschafft, wovon auch heute noch viele Menschen träumen, das aber wohl nur wenige erreichen werden: Er hat die ganze Welt gesehen – zumindest war er knapp davor. Und das ist in diesem Fall keine Floskel. Italiaander hat tatsächlich beinahe die ganze Welt gesehen – zumindest die Welt, wie sie zu seinen Lebzeiten (1913–1991) beschaffen war. Einzig in die DDR und die Volksrepublik China hat er auf seiner Jahrzehnte währenden Weltumrundung keinen Fuß gesetzt. „Die beiden einzigen Ausnahmen“, sagt Bernd M. Kraske (69), Leiter des Reinbeker Museums Rade, „die beiden einzigen Länder, in die Italiaander nicht einreisen durfte.“

Nun wäre diese weltumspannende Reiseleidenschaft für uns Nachgebliebene kaum von Bedeutung, ja womöglich völlig unbekannt geblieben, wäre sie nicht mit einer ebenso großen Sammelleidenschaft des Forschungsreisenden zusammengefallen. Abgesehen hatte er es auf die Kultur der fremden Länder und auf ihre Kunstwerke. Erstere hat er in mehr als 100 Büchern, Berichten, Reiseromanen, Kinderbüchern, Radiosendungen und in Vorträgen festgehalten. Letztere sind im Museum Rade in Reinbek zu sehen.

Eine Maske aus Afrika, eine Holzskulptur aus Bali, eine chinesische Puppe, ein Blumenbild aus Frankreich oder eine Straßenszene aus Kuba zum Beispiel – Volkskunst aus aller Welt. Etwa 5000 Werke insgesamt, knapp 800 davon sind ausgestellt – eine Weltreise auf vier Etagen. Hinzu kommt eine wechselnde Ausstellung im Erdgeschoss. „Kunst als Mittel zur Völkerverständigung“, so beschreibt Kraske das Credo des Sammlers, der früh begonnen hatte umzudenken. Er ignorierte die Gräben zwischen westlicher Kunst hier und naiver Kunst dort und schlug so Brücken für Kunstwerke in der ganzen Welt, plädierte für eine Schönheit, die er überall fand, wo er hinkam. „Er hat sich eine große Naivität bewahrt“, sagt Kraske, „im besten Sinne des Wortes.“ Aber nicht nur der Kunst, auch den Kulturen, den unterschiedlichen Religionen stand Italiaander offen gegenüber. Eben diese Wesensart des Reisenden sei gerade vor den heutigen Flüchtlingsbewegungen aus Afrika wieder aktuell, so Kraske.

Sie ist auch im Museum zu spüren. Alle Werke hängen hier nicht nur einfach nebeneinander, sondern wirklich nebeneinander, mit der gleichen Berechtigung, ohne Hierarchie – und das auf engem Raum. Viele der Werke hat Italiaanders als Lohn für seine Vorträge bekommen. „Die drei hat er von Fidel Castro“, sagt Kraske beiläufig, als er sich für ein Foto auf einen Stuhl im zweiten Stock des Museums setzt. Auf dem Weg dahin fallen weitere Namen: Dalai Lama zum Beispiel, Léopold Senghor, erster Präsident Senegals, oder der Schah Reza Pahlavi.

1970 wurde die Sammlung zunächst im Tangstedter Ortsteil Rade zum Museum, das dann 1987 in die Villa gegenüber dem Reinbeker Schlosses zog. Verwaltet wird das Museum von einer Stiftung, die Stadt stellt die Räume. Bernd M. Kraske ist von Anfang an dabei. In den 80er-Jahren kam er nach Reinbek, wurde Chef des neu gegründeten Kulturzentrums. Zuvor hatte der Literaturwissenschaftler an der Universität Hamburg gearbeitet. Vor vier Jahren ging Kraske nach mehr als dreißig Jahren in Pension. Neben dem Schloss war er dreißig Jahre lang auch für den mittlerweile eingestellten Theaterbetrieb im Sachsenwaldforum und eben das Museum Rade zuständig. Seinen Posten im Museum hat er nicht verlassen, kümmert sich weiter ehrenamtlich als Vorsitzender der Stiftung, als Kurator und Leiter.

Anfang 2017 wird Kraske einen Teil seiner Arbeit an Betriebswirt Alexander Ladischensky (41) abgeben, den die Stiftung dann als Geschäftsführer einsetzt. Gerade ist Einarbeitungszeit. Für die Zukunft wollen sie mehr Mittel beschaffen, für eine mögliche Erweiterung der Räume und weitere Veranstaltungen.

Langweilig wird es Bernd M. Kraske aber nicht. Denn ganz im Geiste Italiaanders hat der Museumsleiter sich eine große Offenheit bewahrt. Und so schwärmt er für bildende Kunst ebenso wie für Musik und für Literatur. Er publiziert, forscht und hält Lesungen ab. Und brennt natürlich für die Sammlung von Italiaander. Jedes Exponat erzähle hier eine eigene Geschichte, sagt Kraske. Geschichten von fremden Kulturen sind das, von Herrschern, Politikern und Fürsten, die Kunstwerke an den Reisenden verschenkt haben, und von Künstlern aus den vielen Winkeln dieser Erde. Es sind Welten und Geschichten, die Rolf Italiaander durch seine Sammlung vereint hat. Ein Sammler, der geschafft hat, wovon auch heute noch viele Menschen träumen: Er hat fast die ganze Welt gesehen und dabei weder fremde Kulturen verurteilt noch verlernt, Neues zu entdecken.