Ahrensburg. Eve und Nils Roscher verkauften ihr Eigenheim in Stormarn und arbeiten seit knapp zwei Jahren ehrenamtlich in Tansania.
Zum Missionsdienst nach Ostafrika. Was fast wie ein Relikt vergangener Zeiten anmutet, wurde vor knapp zwei Jahren für Eva und Nils Roscher Wirklichkeit. Das Ahrensburger Ehepaar zog nach Tansania. Nicht, um Gottes Wort zu verkünden. Sondern um von der Küstenstadt Daressalam aus ein Buschkrankenhaus im Süden, Missionsstationen im Hinterland sowie durchreisende Missionare zu betreuen. Dafür verkauften sie ihr Haus in der Schlossstadt, gaben ihre Jobs auf, verabschiedeten die erwachsene Tochter und stellten sich in den Dienst der Organisation Forum Wiedenest.
„Wir waren schon immer Reisevögel“, sagt Nils Roscher, der in Daressalam das Gästehaus der Mission betreibt. „Eigentlich wollten wir nach Südafrika, aber zur Wahl standen nur Nepal und Tansania.“ Christian Guse, Leiter der Baptistengemeinde Kreuzkirche Ahrensburg, hatte den beiden Mut zu diesem Schritt gemacht. Ihre Stellen in Tansania werden allein durch Spenden finanziert, unter anderem von ihrer Ahrensburger Gemeinde. Vom reichen Hamburger Speckgürtel in eines der ärmsten Länder der Welt zu ziehen, ist mehr als ein Umzug. Es ist neben viel Verzicht vor allem die Begegnung mit einer völlig anderen Kultur.
„Keinem anderen Mann in die Augen schauen“
Eva Roscher war jahrelang Stationsleiterin im Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus in Bargfeld-Stegen, doch die Leitung des Logistikzentrums in Daressalam stellt sie vor ungewohnte Herausforderungen. Ob Kommunikation, Personalplanung oder Aufgabenverteilung – in Tansania gelten andere Regeln als in Deutschland. „Als verheiratete Frau darf ich keinem anderen Mann beim Sprechen in die Augen schauen“, sagt die 62-Jährige. „Und um einen möglichen Gesichtsverlust des Gegenübers zu vermeiden, muss ich Wünsche und Kritik von Dritten an den Betroffenen übermitteln lassen.“ Als Roscher zu Jahresbeginn die Urlaubsplanung abfragte, blieben die Listen leer. „Mama Roscher, was weiß ich denn, was in einem halben Jahr ist?“ sei die Reaktion ihrer Angestellten gewesen. „Wer sich dennoch zu einer Festlegung durchrang, reichte gleich vier Wochen am Stück ein“, sagt Eva Roscher, „aus Angst, sonst bekäme er den restlichen Urlaub nicht mehr genehmigt.“
Auch sie konnte nicht auf Anhieb alle Erwartungen ihres Personals erfüllen. Als der Bruder einer Angestellten schwer erkrankte, erkundigte sie sich zwar teilnahmsvoll nach dessen Befinden. Aber ein Besuch im Krankenhaus kam ihr nicht in den Sinn. „Doch ein Besuch vom Chef, auch bei Verwandten, ist wichtig“, sagt Roscher, die viel dazu gelernt hat. Man könne in Afrika anders kommunizieren als hier, das Non-Verbale spiele eine weitaus größere Rolle. „Oft verstehen wir uns sprachlich nicht und wissen dennoch, worüber wir gesprochen haben.“
Mails auf Kiswahili
Zu ihrem Tagesgeschäft gehört es, Mails auf Kiswahili, der Nationalsprache, zu lesen und zu schreiben, ansonsten wird im Büro Englisch gesprochen. „Ich komme zurecht“, sagt sie, „aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer wird, Kiswahili gut zu beherrschen.“ Dafür kamen die Einheimischen des islamisch geprägten Küstengebietes zunächst nicht mit der Rollenverteilung der Roschers zurecht. „Die Frage, warum Papa Roscher im Gästehaus und Mama Roscher im Büro arbeitet statt umgekehrt, musste ich mir oft gefallen lassen“, sagt Nils Roscher und schmunzelt. Eva Roscher antwortete dann stets pragmatisch: „Weil Papa Roscher viel besser kochen kann als ich, ich kann dafür besser organisieren.“
Die Autorität von Eva Roscher wird ohnehin nicht angezweifelt. „Die Männer betrachten mich anders als andere Frauen. Zum einen bin ich die Chefin, zum anderen habe ich weißes Haar. Und das steht für Weisheit. Manchmal werde ich regelrecht hofiert, auch bei Behördengängen“, erzählt Roscher. Und davon muss sie etliche tätigen, unter anderem, um Aufenthaltsverlängerungen und Arbeitsgenehmigungen zu erwirken. Als christliches Haus verzichtet ihre Organisation auf die übliche Zahlung von Bestechungsgeldern. „Darum lassen uns die Behörden oft zappeln, manchmal warten wir monatelang auf das Löschen von Containern mit Spendengütern.“ Das Warten auf Genehmigungsstempel sei Routine geworden.
Kaum Zeit für freie Stunden
Für freie Stunden bleibt den Roschers durch das Gästehaus nicht viel Zeit. Manchmal aber gönnen sie sich einen kurzen Ausflug an die Coco Beach. „Dann blicken wir auf den Indischen Ozean, trinken eine Cola und fühlen uns für zehn Minuten wie im Urlaub“, sagt Nils Roscher. Derzeit sind die Roschers im Heimaturlaub. Sie sind inzwischen Großeltern geworden und wollen Enkel Paul wenigstens einmal im Jahr sehen. Zwei Bandscheibenvorfälle von Eva Roscher verlängern ihren Aufenthalt nun wohl bis Anfang nächsten Jahres. Aber von einer endgültigen Rückkehr sind die Roschers weit entfernt. „Wir würden gern noch länger als bis 2018 bleiben“, sagt Nils Roscher. Sie seien gut im neuen Zuhause angekommen. Oder um es auf Kiswahili zu sagen: „Tumefika salama nyumba mpya!“
Möchten auch Sie helfen? Wer die ehrenamtlichen Helfer unterstützen möchte, kann auf folgendes Konto spenden: Forum Wiedenest, IBAN: DE71 3846 2135 2202 7000 15, Verwendungszweck: Nils und Eva Roscher 63000.