Glinde. Im Interview spricht Rainhard Zug mit Stolz über seine Stadt, über sein Verhältnis zur Politik und zu aktuellen politischen Themen.
Barbara Moszczynski
Seit gut sechs Jahren leitet er die Geschicke der Stadt Glinde. Mit einem „Händchen“, wie manche Politiker über den Chef von rund 180 Mitarbeitern der Verwaltung sagen. Der 45 Jahre alte Familienvater zweier Töchter, der in seiner Freizeit gern für Langstreckenläufe trainiert, verfüge über die Fähigkeit zur Moderation und Mediation. Er kämpfe mit offenem Visier und bleibe dabei in der Regel betont sachlich. Im Gespräch mit dem Abendblatt steht Rainhard Zug Rede und Antwort, auch zu aktuell strittigen Themen der Stadt.
Herr Zug, fünf Jahre lang jede Woche Mahnwachen gegen einen rechten Modeladen haben ihre Stadt über Stormarns Grenzen hinaus bekannt gemacht. Welches Gefühl überwiegt bei Ihnen, Ärger oder Stolz?
Rainhard Zug: Stolz. Wir haben eine sehr aktive Bürgerschaft. Diese vielen Mahnwachen durchzuhalten, ist eine große Leistung. Wir haben mit M.U.T. und der Bürgerinitiative gegen rechts zwei tolle Initiativen. Es ist nur noch nicht absehbar, wie lange das Räumungsklageverfahren laufen wird.
Worauf sind Sie noch stolz – was hat die Stadt, das andere Kommunen nicht haben?
Es ist das Engagement von Bürgern, Vereinen, Verbänden und Unternehmen. Die Menschen engagieren sich füreinander und für die Stadt, das finde ich wirklich toll.
Glinde hat mehr als 18.000 Einwohner. Hat die Stadt eine natürliche Wachstumsgrenze?
18.600 Einwohner, um genau zu sein. Wir entwickeln gerade ein Leitbild gemeinsam mit der Politik. Es gibt eine Diskussion darüber, wann die Grenze des Wachstums erreicht ist. Die Mehrheit sagt, mehr als 20.000 Einwohner wollen wir nicht. Diese Grenze wird aber in den nächsten Jahren schon durch aktuelle Bauprojekte erreicht.
Warum gerade 20.000 als Grenze?
Ab 20.000 Einwohnern müssten wir mehr Infrastruktur schaffen, zum Beispiel ein eigenes Rechnungsprüfungsamt, eine Bauaufsicht. Dadurch gäbe es Sprungkosten, davor hat man Angst. Wir müssen nun nüchtern analysieren, ob damit tatsächlich so viele Mehrkosten verbunden sind. Die Stadt ist bereits baulich sehr verdichtet, sodass es auch um die Frage von Wohnraum im Verhältnis zu Erholungsräumen geht.
Auch Glinde benötigt bezahlbaren Wohnraum. Nun gibt es aber gerade einen Rechtsstreit um das Bauprojekt Gleisdreieck. Hat die Verwaltung in dieser Sache Fehler gemacht?
Ich sehe keine. Wir sind Mitte 2013 damit gestartet, da hatte die Landesregierung ein Förderprojekt aufgelegt, limitiert bis Dezember 2014. Da haben alle Kommunen richtig Gas gegeben, um in den Genuss dieses Programms zu kommen. Auch wir. Deswegen haben wir das beschleunigte Bebauungsplan-Verfahren gewählt. Das ist nun vielleicht der Kern des Problems, das ging wahrscheinlich zulasten der Qualität.
Sie sagen, das zügige Tempo ist der Grund, dass der Investor das Grundstück zunächst zu günstig bekam?
Das wäre so oder so passiert. Wir hatten, wie immer in solchen Fällen, ein Gutachten in Auftrag gegeben. Und wir hatten den Gutachterausschuss des Kreises gebeten: Bewerte uns dieses Grundstück. Das Ergebnis waren 74,50 Euro pro Quadratmeter Rohbauland. Ich hätte das 2013 verkaufen können zu dem Preis, das wäre rechtlich sauber gewesen. Zwei Jahre später, als die Bürgerinitiative aktiv wurde, sagt die Kommunalaufsicht, das Gutachten ist uns zu alt, wir müssen ein neues machen. Danach hatten wir fast eine Verdoppelung des Preises. Dass man in Glinde sagt, 74 Euro ist relativ günstig, kann ich nachvollziehen. Die Risiken des Grundstücks sind aber nicht ohne, unter anderem liegen darauf 20.000 Quadratmeter belasteter Kies. Das Oberflächenwasser muss bautechnisch zurückgehalten werden, da die Anschlusskanäle für eine Aufnahme der Wassermengen nicht ausgelegt sind. Mit der Realisierung sind auch viele Umfeldprojekte erforderlich, etwa die Kreisverkehrsanlage, der Wanderweg oder eine öffentliche Stellplatzanlage.
Sie machen aus dem Preis für das Rohbauland keinen Hehl. Warum sagen Sie nicht, wie viel der Investor nachzahlen muss?
Grundstücksgeschäfte obliegen grundsätzlich der Vertraulichkeit, zudem möchte der Investor aus Gründen der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht, dass der Kaufpreis bekannt wird. Das muss ich respektieren. Die Absprache ist, das Gutachten nicht öffentlich zu machen, weil der Kaufvertrag schwebend unwirksam ist. Außerdem haben wir ein viertes Gutachten in Auftrag gegeben. Ich halte nichts von Wasserstandsmeldungen.
Der Kompromiss zwischen Stadt und Wohnungsbauunternehmen ist, dass nur 62 statt 90 Sozialwohnungen entstehen. Der Bedarf ist doch aber weitaus höher.
Ja. Am Holstenkamp sollen mehr als 30 öffentlich geförderte Wohnungen entstehen. Wir denken auch über eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft nach. Allerdings gibt es in Glinde kaum Grundstücke, die wir da hineingeben könnten. Deshalb gehen wir das zusammen mit den Kommunen des Mittelzentrums plus Barsbüttel und Oststeinbek an. Und am liebsten natürlich kreisweit. Anfang 2017 sollen die rechtlichen Voraussetzungen dafür geprüft sein.
Sprechen wir über Glindes Stadtmitte: Die Politik hat Ihnen 30.000 Euro aus dem Haushalt gestrichen, mit denen ein Innenstadt-Konzept erstellt werden sollte.
2014 habe ich einen Vorschlag gemacht für die Bebauung des Westendes am Marktplatz, inklusive Mehrzweckpavillon. Das wurde von der Politik abgelehnt. Dann entstand im Rathaus die Idee für ein Ortsmittenkonzept. Wir werden das Geld in den Haushalt 2017 wieder einwerben, denn ohne externe Hilfe kann ich mit meiner Mannschaft ein solches Konzept nicht erstellen. Es geht darum, wie wir uns die Ortsmitte in zehn Jahren vorstellen. Wir haben mit der Neugestaltung des Marktplatzes und der Passage bereits 2010 mehr Aufenthaltsqualität geschaffen. Die weitere Entwicklung ist aber eng verknüpft mit den Wünschen der Eigentümer. Wir müssen einen Prozess beginnen, bei dem alle mit am Tisch sind.
Die Stadt Glinde braucht also eine Zukunftswerkstatt?
Auf jeden Fall. Bei der Ideenfindung sollen die Grundeigentümer und die Bürger mit an den Tisch. Das beginnt mit der Diskussion, wo fängt die Ortsmitte an, wo hört sie auf. Das wäre ein Prozess von etwa zwei, drei Jahren. Wir sprechen auch regelmäßig mit Investoren, die sich für die Ortsmitte interessieren. Zuletzt mit einer Hamburger Investorengruppe. Mit der stehen wir auch weiterhin in Kontakt.
Konkret?
Auch das ist vertraulich.
Wie steht es um den Straßenverkehr in Ihrer Stadt?
Der nimmt weiter zu. Auch der Durchgangsverkehr ist ein wichtiges Thema, das aber schwer berücksichtigt werden kann. Wir wollen, dass der Verkehr über die K 80 und die Autobahn nach Hamburg fließt, nicht durch den Ort. Zu 90 Prozent funktioniert aber der Verkehr in der Innenstadt. Die Möllner Landstraße ist leistungsfähig, könnte zusätzlichen Verkehr durch Großprojekte wie das Wellness-Resort aufnehmen.
Aber das ist doch ins Stocken geraten. Geht es überhaupt weiter mit dem Millionenprojekt Golf- und Wellnesshotel von Jens Lessau und seinem Partner Siegfried Reddel?
Seit 2011 besteht der Wunsch des Eigentümers und der Stadt, am Golf Gut Glinde ein Hotel zu bauen. Ende 2015 haben wir Änderungen des Bebauungsplan für das erweiterte Wellness-Resort beschlossen, bis Ende 2016 sollte ein Investor gefunden sein. Das ist bei einer Investition von 55 bis 60 Millionen Euro ein sehr großes Projekt. Ich erwarte bis Ende des Jahres eine Nachricht, dass es Herrn Reddel gelungen ist, Investoren zu finden. Das Projekt ist für die Stadt enorm wichtig, weil es die Aufenthaltsqualität erhöht und uns in der touristischen Vermarktung weiterbringt.
Nochmal zurück zum Thema Verkehr: Die Aufhebung der Tempo-30-Zone am Holstenkamp erregt weiter die Gemüter. Eltern wünschen sich vor der Schule und den Kitas verkehrsberuhigende Maßnahmen, der Kreis lehnt das ab. Ist die Tempo-50-Regelung eine Dauerlösung?
Bis Ende der Herbstferien lief eine Testphase. Die Polizei war häufig vor Ort, und es gab Tempo-Messungen. Die Ergebnisse werden im nächsten Bauausschuss zusammen mit dem Kreis und der Polizei ausgewertet.
Thema Flüchtlinge: Klappt es mit der Integration, schafft Glinde das?
Wir haben ein großes bürgerschaftliches Engagement, der Flüchtlingshilfeverein mit etwa 60 Mitgliedern ist sehr aktiv. Auch Kirchen, Vereine und Verbände kümmern sich. Ich glaube, wir haben das im Griff. Wir haben schwierige und emotionale Diskussionen gesehen, als wir im Winter 2015 entschieden haben, Turnhallen zu belegen. Nun sind die Turnhallen geräumt, die Bewohner in anderen Gebäuden untergebracht. Wir rechnen mit 120 weiteren Flüchtlingen in diesem Jahr, haben dann zusammen 450 Menschen aufgenommen.
Für weitere Flüchtlinge sind weitere Unterkünfte geplant?
Wir haben einen Standort am Willinghusener Weg, wo 120 Flüchtlinge leben. Am Schlehenweg bauen wir zwei neue Unterkünfte. Dort werden Anfang des Jahres 52 weitere Plätze zur Verfügung stehen. Zwei Häuser mitten in einem Grünzug, der vorher Park und Bolzplatz war. Das sind natürlich schwierige Diskussionen mit den Anwohnern. Es ist für die Menschen, die dort wohnen, schwer zu akzeptieren. Das ist auch nachvollziehbar.
Emotional wird auch die Fusion der Gemeinschaftsschulen diskutiert. Wie realistisch ist eine Umsetzung des Projektes?
2017 sollen Art und Zeitplan bei den Haushaltsberatungen festgelegt werden. Die Frage ist also nicht, ob fusioniert wird, sondern wann. Die Sönke-Nissen-Gemeinschaftsschule hat keine Oberstufe. In der ersten Anmeldephase bekommt sie gerade einmal 20 Anmeldungen, erst durch die von anderen Schulen abgelehnten Schüler wächst die Zahl auf etwa 100. Wir müssen strategisch etwas tun, um den Standort zu erhalten und die Schullandschaft dauerhaft zu sichern, denn 50 Prozent unserer Schüler kommen von außerhalb. Wir können und wollen es uns nicht leisten, dass hier Schulgebäude leer stehen.
Das Thema Einbrüche und Autodiebstahl brennt vielen Stormarnern auf den Nägeln.
Mehr Sicherheit ist wichtig. Da sehe ich in erster Linie die Polizei in der Pflicht, mehr personellen Einsatz zu bringen. Ich möchte, dass Polizei auf der Straße sichtbar ist. Glinde hat zwar genug Beamte. Sie betreuen aber nicht nur Glinde, sondern auch Oststeinbek und teilweise Barsbüttel. Die haben wirklich gut zu tun, versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Aber auch jeder Bürger ist gefordert, sein Haus sicherer zu machen: Pilzkopfverriegelung, Nachbarschaft stärken und Licht anlassen, sind starke Sicherungsmaßnahmen.
Sie sind seit sieben Jahren Verwaltungschef. Und wollen noch einmal antreten.
Die Diskussion kommt zu früh. Die Wahl ist erst im Jahr 2018. Ich bin ein parteiloser Bürgermeister und kenne es, für Projekte Mehrheiten zu schmieden. Im Wahlkampf 2009 wurde ich von CDU und SPD unterstützt. Mit den Fraktionen habe ich vereinbart, dass wir uns im März 2017 zusammensetzen. Sagen, wo wir stehen, was wir erreicht haben. Und wie wir uns das künftig vorstellen.
Läuft es denn gut zwischen Bürgermeister und den Fraktionen?
Auch in Glinde gibt es strittige Themen. Aber wenn eine Entscheidung einmal getroffen wurde, wird nicht nachgekartet. Das eint Verwaltung und Politik. Deswegen finde ich diese Stadt auch so sympathisch. Deshalb kann ich mir auch vorstellen, wieder als Bürgermeister anzutreten.