Reinbek. Stormarns Museen Serie in der Abendblatt-Regionalausgabe. Heute: das Reinbeker Schloss, Kulturzentrum und lebendiges Museum.
Wittko Francke, Bernhard Donati, Helmut R. Busch und Rudolf Mattlage haben auf der Bank unter den Arkaden nahe dem Eingangsportal Platz genommen. Von dem Objekt, dem die Herren viel freundschaftliche Zuwendung zukommen lassen, ist gerade einmal eine weiße Wand erkennbar. Sie gehört, wenn es nach ihnen geht, zu einem „Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung“, einem „Renaissancedenkmal“ oder gar zu dem „Juwel von Reinbek“. Etwas leidenschaftsloser mag man auch von dem Reinbeker Schloss sprechen.
Leidenschaftslosigkeit allerdings ist ihre Sache nicht. Die Herren, der Älteste ist 87, der Jüngste 73 Jahre alt, setzen sich mit Zeit, Expertise und Hingabe ehrenamtlich für dessen Erhalt ein. Sie sind Freunde des Schlosses Reinbek, so heißt der 1977 gegründete Verein, der es sich außerdem zum Ziel gesetzt hat, das Denkmal mit Leben zu füllen. Mit den Beiträgen von derzeit etwa 800 Mitgliedern und weiteren Spenden richten die Herren so kulturelle Veranstaltungen aus, kümmern sich aber auch um die teils kostspielige Ausstattung der Räume und Gestaltung des Schlossparks.
Einrichtung soll „historische Identität“ zurückholen
2010 schafften sie so zum Beispiel eine Kopie eines Kronleuchters an. Dessen Original hängt heute im Schleswiger Dom, hat bis 1847 aber einmal das Reinbeker Schloss erleuchtet. Etwa 24.000 Euro hat die Kopie gekostet. 2015 kam das Fragment einer barocken Goldledertapete für knapp 10.000 Euro dazu. Aber auch neue Technik soll den Schlossbesuch zum Erlebnis machen: Seit Anfang 2016 führt ein Audioguide durch dessen Räume, gesprochen von Schauspieler Bjarne Mädel. Das Angebot lässt sich auch per App abrufen.
Schlossfreunde suchen weitere Mitglieder
Die Möbel, Dekorationen und Gemälde sollen die „historische Identität“ wieder zurückzuholen, so formuliert es Vereinsvorsitzender Helmut R. Busch. Sie stammen alle aus dem 17. und 18. Jahrhundert, aus der Zeit also, in der in Reinbek noch Herzöge residierten. Ende des 16. Jahrhunderts wurde das Schloss gebaut, 1874 wurde es verkauft und zu einem Hotel umgebaut. Nach unterschiedlich Nutzung, gelangte es dann erst 1972 in den Besitz von Stadt und Kreis. Von 1977 bis 1987 wurde restauriert. Seither dient das Schloss als Kulturzentrum, auch politische Gremien treffen sich hier.
Der „schönste Arbeitsplatz in Schleswig-Holstein“
Für die Möblierung der Räume heißt es daher auch, genau auszuwählen. Historische Authentizität auf der einen, Platz auf der anderen Seite. Das ist durchaus gelungen und so wird der Gang durchs Kulturzentrum Schloss immer wieder zum Gang durch ein lebendiges Museum – Innehalten an Informationsplaketten neben Gemälden und Möbelstücken inklusive.
Zurück zum Verein. Der hat viel zu tun und dementsprechend wenig Zeit. Er habe einen „Terminkalender wie im Berufsleben“ sagt Vorsitzender Busch. Und so wundert es auch nicht, dass die Herren etwa 20 Minuten zu spät zum Rundgang erschienen. Zeit, das Treiben in der Empfangshalle des Schlosses wirken zu lassen. Für Empfangsdame Karin Sänger der „schönste Arbeitsplatz in Schleswig-Holstein.“ Sie sitzt auf an einem massiven Holztisch. Über ihr baumelt besagter Kronleuchter. In der Ecke tickt eine alte Standuhr.
Neun mal wird hier heute standesamtlich geheiratet
Trotzdem wirkt es hier, als sei die Zeit stehen geblieben, zumindest solange, bis die ersten Gäste einer Hochzeitsgesellschaft die Treppe aus dem zweiten Stock heruntertröpfeln. Auch für sie hat Zeit hier eine ganz besondere Bedeutung: 40 Minuten darf die Trauung im Gottorfzimmer maximal dauern, dann ist das nächste Paar dran. Neun mal werden an diesem Freitag im Spätsommer hier die Ringe getauscht.
Dann kommen die vier Schlossfreunde, bitten ihre Verspätung höflich zu entschuldigen, führen durch die Räume und kommen ins Schwärmen – über die aufwendige Deckenbemalung oder den Blick auf den Park aus dem Stormarnzimmer. „Jedes Reinbeker Kind und jeder Schüler sollte einmal hier gewesen sein“, sagt Bernhard Donati. Dem lässt sich eigentlich nichts hinzufügen, vielleicht noch: Es lohnt sich auch für alle anderen.