Lütjensee. Bei der „PartizipAction“ in Lütjensee fordern Teilnehmer besseren Unterricht und landesweite Wahlwoche für Kinder- und Jugendbeiräte.
Der Unmut über das Schulfach Wirtschaft/Politik, kurz WiPo, ist groß – das haben die 47 Schleswig-Holsteiner aus kommunalen Kinder- und Jugendvertretungen den Politikern bei der neunten „PartizipAction“ in Lütjensee unmissverständlich dargelegt. Wie eine Bundestagswahl funktioniert, lernten die Schüler. Wie die Kommunalpolitik direkt vor der Haustür funktioniere, werde dagegen nicht überall im Unterricht behandelt.
„Ich habe erst hier mitbekommen, wie der Unterricht wirklich läuft“, sagt die Landtagsabgeordnete Marret Bohn (Bündnis90/Die Grünen) überrascht. Sie und weitere Politiker aller politischen Lager sind am Sonntag nach Lütjensee gekommen, um mit den Vertretern der Kinder- und Jugendbeiräte aus dem ganzen Land über aktuelle Themen zu diskutieren.
Jugendliche fordern WiPo als Pflichtfach in der Schule
Auch Christian Meyer-Heidemann, Landesbeauftragter für politische Bildung, ist entsetzt, dass in vielen Schulen WiPo nur ein Wahlpflichtfach ist. „Das ist erschreckend. Ich dachte, dass jeder Schüler in der neunten oder zehnten Klasse dieses Fach hat“, sagt Meyer-Heidemann. Gleichzeitig lobt er, dass die Jugendlichen einfordern, dass es ein Pflichtfach wird. Denn nur so hätten Schüler die Möglichkeit zu erfahren, dass sie sich selbst politisch einbringen können, die Politik sie sogar in vielen Dingen laut Gesetz einbeziehen muss.
Die Gemeindeordnung regelt, dass bei Vorhaben, die Kinder und Jugendliche betreffen, diese beteiligt werden müssen. Zwar ist dieser Rechtsanspruch deutlich geregelt. Doch der SPD-Landtagsabgeordnete Tobias von Pein spricht sich dafür aus, den Paragrafen 47 f der Gemeindeordnung verbindlicher zu machen. Dafür erntet er von den jungen Teilnehmer viel Zuspruch.
Am Sonntag war ein Politik-Talk angesagt
Die politisch engagierten Kinder und Jugendlichen sind für drei Tage ins Haus des Kreisjugendrings nach Lütjensee gekommen, um sich über ihre Arbeit auszutauschen. Zudem haben sie an Workshops teilgenommen, die ihnen die Arbeit in der Kinder- und Jugendvertretung ihrer Gemeinde erleichtern soll. Natürlich wurde dabei viel über politische Themen diskutiert – auch mit den Politikern, die am Sonntag zum Polit-Talk dazugekommen sind.
In kleinen Gruppen wurde debattiert. „Wir haben uns darüber unterhalten, wie die AfD entstehen konnte, was zuvor passiert ist“, sagt Anita Klahn (FDP). Sie lobt die politischen Vorkenntnisse der Teilnehmer und ermutigt diese immer wieder, sich weiter einzubringen. Es sei wichtig, das sagen auch die anderen Gäste, dass die Teilnehmer auch andere Jugendliche ermuntern, sich mit der Politik auseinanderzusetzen. Denn erstmals dürfen im kommenden Jahr auch 16-Jährige den Landtag in Schleswig-Holstein wählen. In einigen Gesprächsrunden gibt es die Frage, ob das Wahlrechtsalter weiter gesenkt werden sollte, damit auch 14-Jährige wählen können. Dagegen spricht sich Flemming Meyer (SSW) aus: „Wir haben das Wahlrechtsalter gerade auf 16 gesenkt.“ Sven Krumbeck von den Piraten vertritt eher die Meinung, dass jeder von Geburt an ein Wahlrecht haben sollte. Auch wenn sich die Teilnehmer darin uneinig sind, befürworten alle, dass die Kinder- und Jugendbeiräte landesweit an einem Termin oder in einer Woche gewählt werden sollten.
Hans Hinrich Neve (CDU): „Damit wird die Aufmerksamkeit für dieses Gremium größer und es kann damit auch bekannter werden.“
Vier Teilnehmer der „PartizipAction“ in Lütjensee:
Özgürcan Baş (17) ist Vorsitzender des im November 2015 erstmalig in Kiel gewählten Kinder- und Jugendbeirates. „Die Begeisterung für die Politik habe ich dank meines sehr engagierten WiPo-Lehrers.“ Dieser habe Baş auch dazu ermuntert, für den ersten Kinder- und Jugendbeirat zu kandidieren.
Der 17-Jährige ist nach Lütjensee gekommen, um zu erfahren, welche Erfahrungen andere, langjährige Beiräte gemacht haben. Eines seiner ersten Ziel ist dabei schon gesteckt: „Wir wollen zunächst ein Netzwerk aufbauen.“ Ferner sollen der Beirat und seine Arbeit in der Landeshauptstadt bekannter werden. Denn von den 16.000 wahlberechtigten 12- bis 19-Jährigen haben nur 800, also 5 Prozent, ihre Stimme bei der ersten Wahl des Kinder- und Jugendbeirates abgegeben. „Wir wollen die Wahlbeteiligung verbessern und planen beim nächsten Mal eine Online-Wahl.“
Jonida Kajolli (17) ist vor eineinhalb Jahren auf den Kinder- und Jugendbeirat in Ahrensburg während des Schulprojekts „Jugend im Rathaus“ aufmerksam geworden. Heute ist sie Fachberaterin für den Hauptausschuss. „Ich habe dort Rede- und Antragsrecht und berichte dem Kinder- und Jugendbeirat, was dort beschlossen wurde.“ Die Ahrensburgerin möchte mit ihrer Arbeit junge Menschen für Politik begeistern. „Viele Jugendliche in meiner Stadt haben kein Interesse an Politik, das ist schade.“
Deswegen möchte Kajolli Jugendlichen und Kindern zeigen, dass Politik auch Spaß machen kann. Beispielsweise dann, wenn das Gremium für neue Spielplätze oder Schulhöfe Ideen von Kindern und Jugendlichen vor Ort sammelt und diese dann an die Verantwortlichen in der Politik und Architekten weitergibt. „Wir sind die Vermittler.“
Gunnar Jensen (15) aus Norstedt im Kreis Nordfriesland ist seit 2014 im Jugendgemeinderat. Die neun Mitglieder dieses Gremiums vertreten 70 Kinder und Jugendliche in der 440-Seelen-Gemeinde. Der 2013 gegründete Jugendgemeinderat hat sich zunächst dafür eingesetzt, dass auch die umliegenden Gemeinden ein solches Gremium bekommen. „Das war uns wichtig. Denn unsere kleine Gemeinde kann allein nicht viel bewegen. Wenn wir uns aber mit anderen Gremien aus anderen Gemeinden im Amt vernetzen, können wir etwas erreichen.“
Besonders stolz ist der 15-Jährige auf den Jugendtreff in Norstedt, der auf Initiative des Jugendgemeinderats aufgebaut wurde und von dem Gremium selbst verwaltet wird. „Er wird sehr gut angenommen, selbst aus der Kreisstadt Husum kommen Jugendliche in unseren Jugendtreff.“
Darius Brackmann (18) ist Sprecher des im September 2015 gegründeten Kinder- und Jugendbeirats in Lauenburg. Sein politisches Engagement begann schon in der 8. Klasse, als er Schülervertreter wurde und später auch Mitglied der Landesschülervertretung. Sein Unmut über den Lehrplan hat ihn damals motiviert, sich einzubringen. „Der Geschichtsunterricht hat sich zum Beispiel nur auf den Nationalsozialismus beschränkt. Das ist natürlich wichtig, aber es gibt noch so viel mehr, was in diesem Fach behandelt werden kann.“
Im Kinder- und Jugendbeirat möchte er anderen Kindern und Jugendlichen die Politik in Lauenburg näher bringen. Beispielsweise organisiert das Gremium für junge Einwohner regelmäßig Stadtrundfahrten mit dem Bürgermeister. Dieser erklärt dann, wie es zu einzelnen Beschlüssen in der Gemeinde gekommen ist.