Ahrensburg. Nach Festnahme von IS-Verdächtigen, kommen 200 Menschen in der Innenstadt zusammen. Sie demonstrieren für ein friedliches Miteinander.

Aus einem Lautsprecher ertönen orientalische Klänge. Mehrere Männer fassen sich an den Händen und tanzen im Kreis zu der Musik. Es ist ihre Kultur. Doch am Sonnabend stand dieser Tanz für viel mehr: für Toleranz, Frieden, Freude und Dankbarkeit. Dutzende Flüchtlinge haben sich im Zentrum von Ahrensburg versammelt, um dafür zu demonstrieren, ein Zeichen zu setzen. Rund 200 Menschen sind zu der Kundgebung gekommen.

Auf einem Transparent, das die Männer und Frauen hochhalten, steht: „Gegen Terror, für Frieden – gegen Hass, für Toleranz.“ Mit dieser Aktion wollen sich die Flüchtlinge von den Terrorverdächtigen distanzieren, die vor knapp zwei Wochen in Ahrensburg, Großhansdorf und Reinfeld festgenommen worden sind. Die Generalbundesanwaltschaft wirft ihnen vor, sich als sogenannte Schläfer für Anschläge bereitgehalten zu haben. Außerdem wollen sich die Flüchtlinge bei den Menschen in Ahrensburg bedanken.

„Wir dürfen nicht alle über einen Kamm Scheren“

Initiator der Aktion ist Ahmed Jaf (37). Der Iraker lebt seit Dezember 2014 mit seiner Familie in Deutschland: „Die Menschen in Ahrensburg und Deutschland sind sehr hilfsbereit und freundlich. Dafür wollen wir uns bedanken.“

Ahrensburgs Flüchtlinge tanzen gegen den Terror

Ahmes Jaf (37) aus dem Irak mit seinen Kindern San (2), Sam (4), Salina (2). Jaf ist Initiator der Demonstration
Ahmes Jaf (37) aus dem Irak mit seinen Kindern San (2), Sam (4), Salina (2). Jaf ist Initiator der Demonstration © HA | Dorothea Benedikt
Susanna Hansen (52, l.) und Andrea Krieger (57) unterstützen die Flüchtlinge bei der Aktion
Susanna Hansen (52, l.) und Andrea Krieger (57) unterstützen die Flüchtlinge bei der Aktion © HA | Dorothea Benedikt
Kabarettist Horst Schroth (68, l.) ist mit Sherko Ahmad (22) aus Syrien ins Gespräch gekommen
Kabarettist Horst Schroth (68, l.) ist mit Sherko Ahmad (22) aus Syrien ins Gespräch gekommen © HA | Dorothea Benedikt
Wesal Osman (42) mit ihrem Sohn Mohamad Shikh Osman (20). Beide sind aus Syrien geflüchtet und leben seit Oktober 2015 in Stormarn
Wesal Osman (42) mit ihrem Sohn Mohamad Shikh Osman (20). Beide sind aus Syrien geflüchtet und leben seit Oktober 2015 in Stormarn © HA | Dorothea Benedikt
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Bürgermeister Michael Sarach findet die Demonstration großartig, weil die Flüchtlinge selbst diese Aktion initiiert hätten und kein Verein oder Ähnliches dahinter stecke. Und: „Die Menschen stellen sich nicht hierhin, um sich zu entschuldigen, sondern um zu zeigen, für welche Werte sie stehen“, fügt Sarach hinzu.

Auch Friederike Tönsfeldt aus Ahrensburg ist zu der Demonstration gekommen, um die Flüchtlinge zu unterstützen. „Wir dürfen nicht alle über einen Kamm scheren“, sagt die 72-Jährige. Sie findet es schrecklich, dass die Terrororganisation IS den Flüchtlingsstrom ausnutze.

Kabarettist Horst Schroth unterstützt die Aktion

Auch Susanna Hansen (52) und Andrea Krieger sind aus voller Überzeugung zu Kundgebung gekommen. „Ich finde die Aktion sehr mutig“, sagt Krieger. Hansen ist selbst Patin für Flüchtlinge und kennt auch den Terrorverdächtigen, der in Ahrensburg festgenommen wurde. Mohamed A. (26) lebte bis zu seiner Festnahme mit weiteren syrischen Flüchtlingen in einer Wohngemeinschaft. „Das war sehr schrecklich, ich konnte es nicht fassen“, sagt Hansen.

Auch in Reinfeld und Großhansdorf sind Terrorverdächtige aus Syrien festgenommen worden. Deswegen war es den Syrern Imad Alkhateeb (31) und Ammar Racho (37) wichtig, zu der Demonstration zu kommen. Beide leben in einer Unterkunft in Großhansdorf. „Wir wollen zeigen, dass wir keine Terroristen sind. Wir wollen hier in Frieden leben“, sagt Racho. Er kann verstehen, dass jetzt viele Menschen in Deutschland Angst haben. Schließlich habe die Angst vor dem selbsternannten Islamischen Staat auch sie zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen.

Auch der Ahrensburger Kabarettist Horst Schroth (68) unterstützt die Aktion der Flüchtlinge. Er interessiert sich für deren Schicksale und die Träume der Menschen. Während der Demonstration kommt er mit Sherko Ahmad ins Gespräch, der seit eineinhalb Jahren in Deutschland lebt. Der 22-Jährige erzählt Schroth, dass er Maschinenbau studieren wolle. „Wir haben uns auch über die Kulturunterschiede unterhalten“, sagt Schroth.

20 Jahre alter Syrer sucht Gasteltern in Ahrensburg

Auch Mohamad Shikh Osman (20) kann sich während der Kundgebung gut mit den Menschen auf deutsch unterhalten. Er lebt seit Oktober 2015 in Deutschland und besucht die Wirtschaftsakademie in Ahrensburg. Zwar ist seine Aussprache noch holprig, aber er kann den Menschen schon viel von sich erzählen. Er lebt mit zwei jüngeren Brüdern und seinen Eltern jetzt noch in Ammersbek, bald zieht die Familie nach Ahrensburg. Ein älterer Bruder von ihm lebt in Mecklenburg-Vorpommern, seine Schwester ist in Syrien gestorben. Doch er will nicht nur die deutsche Sprache lernen. Er möchte auch wissen, wie die Lebensweise der Deutschen ist.

Deswegen sucht Shikh Osman mit seiner Patin Karin Boß eine Gastfamilie in Ahrensburg, bei der der Syrer zwei bis sechs Wochen wohnen kann. „Das ganze funktioniert wie ein Schüleraustausch, schließlich geht er täglich zur Schule“, erklärt Karin Boß, die die syrische Familie betreut. „Er soll ganz normal im Haushalt mithelfen und sehen, wie die Menschen hier leben“, sagt Karin Boß. Interessierte Gasteltern können sich bei ihr per E-Mail (w.boss@arcor.de) melden. Auch Mohamads Mutter Wesal Osman (42) findet die Idee gut, weil ihr Sohn dort noch viel schneller deutsch lernt. Auch für sie und ihren Sohn war es wichtig bei der Demonstration teilzunehmen und damit ein Zeichen gegen den Terror und für den Frieden zu setzen.