Ahrensburg. Mit einer Fähnchen-Aktion vor dem Ahrensburger Schloss will der Kinderschutzbund zeigen, wie viele arme Kinder es in Stormarn gibt.
Hundert Schüler verteilten gestern Vormittag 7000 blaue Fähnchen auf der Wiese vor dem Ahrensburger Schloss. „Wir wollen aufrütteln, vor allem Erwachsenen zeigen, wie viele Stormarner Kinder arm sind“, sagt Ingo Loeding, Geschäftsführer des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) Stormarn, der die Aktion organisiert. Schüler von der Stormarnschule, der Selma-Lagerlöf-Schule und der Beruflichen Schule in Ahrensburg waren beteiligt.
Jedes Fähnchen steht für ein Kind in Stormarn, dem schon im Alltag für Essen und Kleidung sehr wenig Geld zur Verfügung steht. „Rund 3500 Kinder sind in Stormarn arm, weil sie von Hartz-IV-Sätzen leben“, sagt Loeding. „Weitere 3500 kommen nach Schätzungen hinzu, weil sie zum Beispiel Kinder Geflüchteter sind oder ihre Familien Wohngeld erhalten.“
„Meine Schüler tangiert die Thematik Kinderarmut stark“, sagt Daniel Jüstel (33), Lehrer für Sozialpädagogik an der Beruflichen Schule. „Schließlich werden sie zu Erziehern für Kindergärten, Krippen oder Horte ausgebildet.“ Jasmin Lutz (22), Schülerin der Berufsschule: „Die Aktion zeigt, dass viele helfen möchten. Ich frage mich aber auch, ob wir nicht auf anderem Wege besser helfen könnten.“ Ingo Loeding ist überzeugt, dass die Aktion Wirkung zeigt. Er sagt: „Jedes Jahr haben wir danach mehr Anfragen von Stormarnern, erhalten mehr Spenden.“ Vor zwölf Jahren rief der DKSB die Fähnchenaktion ins Leben, wenig später machten es ihr Kreisverbände bundesweit nach.
Wann gilt ein Kind als arm?
Ingo Loeding und Birgitt Zabel, die erste Vorsitzende des DKSB Stormarn, betonen allerdings auch, dass mehr als nur ein Bewusstseinswandel nötig sei. „Hoch gegriffen ist eine Grundsicherung für Kinder nötig. Es bräuchte eine Kinder- statt Familienpolitik“, sagt Loeding. „Dafür wären tiefgehende Eingriffe in die Sozial- und Steuerpolitik unseres Landes nötig. Das wird vorerst aber nicht passieren, wie uns die vergangenen Jahre gezeigt haben.“ Loeding nennt sieben Beispiele dafür, wie die Politik auf Kommunalebene und jeder Einzelne sich einsetzen kann.
Kommunaler Hilfsfonds
Ähnlich dem Hilfsfonds des DKSB Stormarn könnten Kommunen Fonds einrichten, die arme Kinder und Familien unterstützen. Über 50.000 Euro beträgt der Hilfsfonds des DKSB jährlich, er speist sich aus Spendenmitteln. Loeding: „Meist verweisen Jugendämter Eltern an uns. Manche brauchen Geld für einen Ausweis oder Kindergeldantrag, viele benötigen Kleidung.“ Auch materielle Spenden vergibt der DKSB, da Betroffenen das ausgegebene Geld bei bestimmten Leistungen ansonsten wieder vom Hartz-IV-Satz abgezogen würde.
Mittagessen für einen Euro
In Kindergärten und Schulen werden Mahlzeiten oft schon bezuschusst. „Die Eltern zahlen dann nur einen Euro pro Mahlzeit ihres Kindes“, sagt Loeding. In Horten sei dies noch nicht der Fall. Jede Kommune könne etwas bewegen, kreative Lösungen finden.
Offene Ganztagsschule
„Eine kostenfreie Ganztagsschule gab es mal in Glinde“, sagt Ingo Loeding. Das Angebot könne dazu beitragen, die Chancengleichheit zu steigern und die Durchmischung von Kindern mit unterschiedlichem finanziellen Hintergrund fördern.
Kosten in Schulen senken
Die Kosten für Theaterbesuche oder Ausflüge können Eltern armer Kinder selbst kaum tragen. Sie können Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket erhalten, allerdings nur 100 Euro pro Jahr, dieser Betrag wurde seit 2009 nicht angehoben. Lehrer können diese Problematik jedoch in die Planung spontaner Klassenausflüge miteinbeziehen.
Kostenfreies Ferienprogramm
„Das städtische Ferienprogramm sollte kostenfrei sein“, so der Geschäftsführer. Denn es richte sich gerade auch an Kinder, deren Familien sich einen Urlaub nicht leisten können. Loeding: „Wenn nur einige Angebote kostenfrei sind, werden diese von armen Kindern wahrgenommen, wohlhabendere Kinder können kostenpflichtige Kurse belegen. Da fehlt die Integrationsleistung.“
Kindergeburtstage
„Für Geburtstagsgeschenke fehlt armen Kindern das Geld“, sagt Loeding. Geburtstagsfeiern könnten sie nur schwer ausrichten. Finanziell besser gestellte Eltern sollten ihre Kinder dafür sensibilisieren, dass es solche Fälle vielleicht auch im Bekanntenkreis gibt.
Stigma Armut angehen
„Noch zu viele Bürger sind davon überzeugt, dass Menschen in Armut Schuld trifft. Familien, die wenig Geld haben, schämen sich oft dafür“, so Loeding. „Diese Einstellung muss sich ändern. Viele Eltern armer Kinder sind alleinerziehend, erhalten zusätzlich zu ihrem Lohn Hartz IV, Das Sprichwort ,Arbeit schützt vor Armut’ stimmt da nicht.“