Bargteheide. 35-Jähriger erschießt seine Ex-Freundin, wählt den Notruf und flüchtet. Polizei warnt vor dem bewaffneten Mann und fahndet bundesweit.

Es sind gespenstische Szenen: Polizisten laufen mit Maschinenpistolen und ballistischen Schutzschilden durch das Stadtzentrum von Bargteheide. Der Tatort rund um das Mehrfamilienhaus an der Alten Landstraße ist mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Viele Bargteheider beobachten, wie sich das Spezialeinsatzkommando (SEK) auf einen Zugriff vorbereitet. Die meisten sind fassungslos: Mitten in ihrer Stadt ist eine junge Frau ermordet worden. Der Täter, ihr ehemaliger Lebenpartner, ist auf der Flucht.

Es ist 10.48 Uhr am Freitag. Der 35 Jahre alte Sven S. wählt den Notruf 112. „Ich habe gerade meine Freundin erschossen“, sagt der Mann sinngemäß. Der Mitarbeiter der Rettungsleitstelle in Bad Oldesloe fordert den Mann auf, seine Waffe auf den Boden zu legen und auf die Polizei zu warten. Zeitgleich rufen unter der Nummer 110 Menschen bei der Polizei um Hilfe. Sie haben mehrere Schüsse gehört.

Sofort eilen Polizisten der nahe gelegenen Bargteheider Wache zum Haus mit der Nummer 47. Mit gezogenen Waffen gehen sie in den Eingang zwischen einem China-Restaurant und einer Fahrschule. In der Wohnung finden sie den leblosen Körper einer Frau. Drei Kugeln haben sie getroffen. Doch von dem Schützen und der Waffe fehlt jede Spur.

Sofort wird eine Fahndung nach dem Mann gestartet. Die Polizei gibt ein Foto des Täters zur Veröffentlichung frei. Warnt, er sei gefährlich. Sven S. ist für die Polizei kein Unbekannter. Der Bodybuilder mit kahlrasiertem Kopf und gebräunter Haut war in der Vergangenheit immer wieder durch Gewaltverbrechen aufgefallen – auch wegen häuslicher Gewalt.

Bekannte beschreiben das Opfer als „sehr lebensfroh“

Gegen 11.30 Uhr trifft das SEK aus Kiel am Tatort ein. Die Beamten bereiten einen Zugriff vor. Sie vermuten, dass sich der Mann noch im Mehrfamilienhaus aufhält. Die mit Maschinenpistolen bewaffneten Elitepolizisten verschaffen sich mit einer Ramme Zutritt zum Haus. Doch von dem Schützen fehlt jede Spur. Ein 67 Jahre alter Mann steht an der Polizeiabsperrung. Er wohnt gleich um die Ecke. Er sagt: „Das ist schrecklich. Man denkt immer, so etwas passiert nur in Hamburg oder Berlin, aber doch nicht mitten in unserem Bargteheide.“

12.34 Uhr. Eine weitere Wohnung, etwa 100 Meter vom Tatort an der Straße Wurth entfernt, wird durchsucht. Doch der Mörder ist nicht dort. Inzwischen sind die Mordkommission und die Spurensicherung am Tatort eingetroffen. Die Beamten ziehen ihre weißen Schutzanzüge an und gehen in die Wohnung, in der die Leiche liegt.

Auch eine 46 Jahre Bargteheiderin beobachtet diese Szene. Sie kenne das Opfer, sagt sie. „Sie war so lebensfroh und freundlich. Viele kennen sie hier, sie arbeitete als Kellnerin in einem Restaurant in Delingsdorf. Das Geschehene könne sie nicht fassen, sagt: „Das ist so schrecklich.“ In der Nähe steht eine 18-Jährige, sie sagt: „Ich hätte nie gedacht, dass so etwas im beschaulichen Bargteheide geschieht.“ Die junge Frau wohnt in direkter Nachbarschaft zu dem Tatort, steht im Nieselregen und beschreibt die schrecklichen Szenen so: „Das ist wie im Fernsehen.“

Nachmittags veröffentlicht die Polizei ein Foto des Täters

Zwei Modegeschäfte an der Kreuzung Jersbeker Straße Alte Landstraße haben vorsorglich ihre Türen geschlossen. Die Mitarbeiter der Apotheke nebenan wirken angespannt. „Männer mit Sturmgewehren und Schutzanzügen direkt vor der Ladentür sind kein alltäglicher Anblick. Da kann einem schon mulmig werden“, sagt ein Mitarbeiter eines nahe gelegenen Werkzeuggeschäftes.

Die Polizei fahndet inzwischen mit einem Großaufgebot nach dem Mann. Die Täterbeschreibung und ein Foto gehen bundesweit an alle Dienststellen. „Wir vermuten, dass der Täter mit einem schwarzen Auto geflüchtet ist“, sagt Polizeisprecher Stefan Muhtz. Um 14.50 Uhr wenden sich die Ermittler an die Öffentlichkeit, geben ein Foto des Schützen frei. „Wer diesen Mann sieht, soll sofort sie 110 wählen“, sagt Muhtz, der ausdrücklich betont, dass der Mann sehr gefährlich sei.

16 Uhr. Die Polizei setzt Fährtenhunde ein. Sie sollen den Beamten den Weg zeigen, den Sven S. genommen hat, nachdem er aus dem Haus geflüchtet ist. „Die Hundeführer werden von SEK-Beamten begleitet“, erklärt der Polizeisprecher. Die Spürhunde laufen vom Tatort in unterschiedliche Richtungen. Gegen 17 Uhr kreist ein Hubschrauber über Bargteheide, offenbar vermuten die Beamten, dass sich der Täter noch immer in der Stadt aufhält.