Ahrensburg. In unserer Serie Bank-Geheimnisse treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Detlev Hinselmann, Geschäftsführer der WAS.
Manchmal hilft der Blick von außen, um besser zu erkennen, was in einem steckt. Als Detlev Hinselmann 2015 gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, sich für den Job des Geschäftsführers der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn mbH, kurz WAS, zu bewerben, kam das für ihn unerwartet. Ein Wochenende lang dachte er über den überraschenden Vorschlag nach und fand, dass die neue Herausforderung genau das Richtige sei, weil sie vieles zusammenbrachte, was zu seinem beruflichen, ehrenamtlichen und persönlichen Leben gehörte. „Schön, dass sich verschiedene lose Enden sich zu einem belastbaren Strang verbinden lassen könnten“, sagt er.
Der Posten des WAS-Geschäftsführers ist eine Schlüsselposition in Stormarn. Die 1957 gegründete WAS, deren Gesellschafter der Kreis Stormarn, die Sparkasse Holstein und die Investitionsbank Schleswig-Holstein sind, ist der starke Motor für die regionale Gewerbeentwicklung und hat großen Anteil daran, dass Stormarn prosperiert und einer der wirtschaftsstärksten Kreise im Norden und in der Metropolregion Hamburg ist. In der 16-jährigen Amtszeit von Hinselmanns Vorgänger Norbert Leinius wurden etwa 700 Betriebe in Stormarn angesiedelt und rund 14.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei rekordverdächtig niedrigen 3,6 Prozent.
Bundesweite Suche nach einem Nachfolger
„Das sind große Fußstapfen, die Norbert Leinius hinterlassen hat“, sagt Detlev Hinselmann. Er selbst wurde bei der bundesweiten Suche einer Personalberatung unter 65 Bewerbern als Nachfolger ausgewählt. Und mit der Mischung aus gesundem Selbstbewusstsein und realistischer Selbsteinschätzung, die er ausstrahlt, ist gut vorstellbar, dass der 56-Jährige die Erfolgsgeschichte auf seine Weise fortsetzen wird. Denn Detlev Hinselmann vereinigt in seiner Person vieles, was diese komplexe Aufgabe verlangt.
Da ist zunächst eine scheinbare Marginalie. Hinselmann stammt aus der Region, er weiß also, wie die Menschen ticken, mit denen er zum Beispiel über Grundstücksankäufe verhandelt. „Ich bin ein Pöhlser Jung“, sagt er. Er wuchs als Zweitgeborener von drei Kindern eines Landwirts auf einem Hof im Rehhorster Ortsteil Pöhls mit damals etwa 150 Hektar Eigenland für den Anbau von Weizen, Raps, Gerste und Mais sowie Rinder- und Schweinehaltung auf. Der bäuerliche Lebensrhythmus hat Hinselmann geprägt – angefangen mit der täglichen Disziplin, die das Hofleben erfordert. Frühes Aufstehen war ebenso selbstverständlich wie das Hineinwachsen ins Mitarbeiten. Als Stadtkinder noch mit Matchbox-Autos spielten, saß Hinselmann auf dem Trecker und bearbeitete den Acker. Bauer wollte er trotzdem nie werden, zumal klar war, dass der Älteste den Hof übernehmen würde: „Das habe ich nie infrage gestellt. Mein Bruder ist geborener Landwirt und mit der Scholle verwachsen.“
Wenig Zeit für Freunde
Detlev Hinselmann war der einzige seines Jahrgangs in Pöhls, der das Gymnasium besuchte. Morgens startete er mit dem Bus um 6.40 Uhr, damit er rechtzeitig zum Unterrichtsbeginn an der Oberschule zum Dom in Lübeck kam. Zeit für Freunde und nachmittägliches Baden in der Ostsee hatte er wenig, weil er als Jugendlicher bereits fest im Arbeitsrhythmus daheim eingeplant war. Dafür wurde er großzügig vom Vater bezahlt: „Ich hatte mit 15 ein Mofa und mit 16 sofort ein Kleinkraftrad.“
Disziplin, Fleiß und Pragmatismus gestalteten auch seinen weiteren Lebensweg. Nach zwei Jahren Bundesmarine startete er ein Studium an der TU Braunschweig, das er Mitte der 80er-Jahre als Ingenieur mit dem Diplom des Bauingenieurwesens abschloss. „Ich wollte etwas Technisches machen, das eher rustikal als fummelig sein sollte. Ingenieur war klar, Architekt fiel weg, weil mir die künstlerische Ader fehlte“, sagt er und staunt heute noch darüber, wie er damals den erforderlichen Anteil von Beton und Bewehrungsstahl an jeder beliebigen Stelle in filigranen rotationssymmetrischen Flächentragwerken berechnen konnte. Finanziert hat er das Studium zum Teil durch Arbeit auf dem Bau, wo er in sechs Wochen Arbeit so viel verdiente, dass er ein halbes Jahr als Student davon leben konnte.
Auslandspraktikum in Oman
Seinen ersten Job bekam er vor 30 Jahren beim Baukonzern Hochtief. Dank beharrlichen Nachfragens startete er mit einem dreimonatigen Auslandspraktikum auf einer Großbaustelle in Oman. „Eine erhellende Erfahrung“, sagt er. „Das war eine klasse Truppe, aber ein schwieriges Leben. Die Männer arbeiteten 80 Stunden wöchentlich, verdienten gutes Geld, aber ihre Frauen blieben zu Hause oder lebten isoliert im Camp. Das war nicht gut für Ehen und Familien.“
Danach arbeitete Hinselmann in der Konzernzentrale in Essen, anschließend in Hamburg als Bauleiter für Gewerbeimmobilien. Damit war sozusagen der Grundstein für die weitere Karriere gelegt. Denn Detlev Hinselmann spezialisierte sich auf diesen Bereich und lernte bei mittelständischen Unternehmen verschiedene Facetten des Geschäfts von der Projektentwicklung bis hin zum Vertrieb von schlüsselfertigen Gewerberäumen kennen.
Politisches Engagement in der CDU
2009 wurde er Geschäftsführer und Gesellschafter der Ahrensburger Firma Gewibau Projektmanagement, die zum Beispiel am Ort das Haus der Wirtschaft und den Neubau von WMD an der Hamburger Straße entwickelte. Er war zufrieden mit dem Job, aber als die Idee mit der WAS aufgekommen sei, habe er sich die grundsätzliche Frage gestellt, ob er mit Mitte 50 eine neue Herausforderung annehmen solle, erzählt Hinselmann. „Das Gefühl, das plötzlich alles ineinanderfloss, was ich bisher gemacht hatte, gab den Ausschlag. Das kam mir vor wie eine Scharnierfunktion.“
Dazu passt auch sein politisches Engagement in der CDU. Als Vorsitzender des Wirtschafts-, Planungs- und Bauausschusses des Kreises und als Kreistagsabgeordneter Nordstormarns kennt Hinselmann auch kommunale Planung und Verwaltung im Bauwesen aus dem Effeff.
Kein Patentrezept für die Arbeit
Seine Gesellschafteranteile an der Gewibau hat er abgegeben, ebenso sein Kreistagsmandat. Bei der WAS hat er schon Anfang 2016 angefangen, die ersten vier Monate noch „im Windschatten von Norbert Leinius“. „Ich habe mir einiges abgeguckt und fühlte mich gut gewappnet“, sagt Hinselmann, der seit dem 1. Mai allein verantwortlich ist.
Ein Patentrezept für die Arbeit gebe es nicht. „Priorität hat die weitere Entwicklung von Flächen. In den letzten Jahren wurde der WAS quasi alles aus den Händen gerissen. Wir kommen mit der Entwicklung weiterer Flächen kaum noch der Nachfrage hinterher“, sagt er und denkt auch über neue Richtungen der Ausbreitung nach. „Wo wir keinen Platz mehr in der Fläche haben, müssen wir in die Höhe.“ Konsequenzen habe die Entwicklung auch für den Branchenmix: „Logistikunternehmen beanspruchen viel Fläche, sind aber nicht arbeitsplatzintensiv. Wir würden stattdessen gern mehr Dienstleister, IT-Betriebe, verarbeitendes Gewerbe und Handwerk ansiedeln.“
Infrastruktur soll verbessert werden
Hinselmann macht zudem klar, dass Gewerbeansiedlung ein komplexes Thema ist, das nicht nur mit Flächen, sondern auch mit kommunalen Infrastrukturen zu tun hat. „Mitarbeiter sind ein wertvolles Gut. Sie leben vorzugsweise fünf bis zehn Kilometer um ihren Arbeitsplatz herum. Wir müssen also die für die Gewerbeansiedlung Stormarns gute Infrastruktur weiter verbessern. Die Nähe zu Hamburg und Lübeck sind ebenso Standortfaktoren, mit denen wir punkten, wie Kultur und Landschaft. Aber auch Kinderbetreuung und Schulen müssen funktionieren. Das Umfeld sollte in vielerlei Hinsicht attraktiv sein.“
Er selbst erlebt Stormarn als rundum attraktiv. Er ist zwar ein weltoffener und lernbegieriger Mensch, der sich zum Beispiel beim Urlaub in der Normandie auf historische Spurensuche an die Strände der Landung alliierter Truppen im Jahr 1944 begibt, doch er ist seiner Heimat treu geblieben. Hinselmann, der in Eichede lebt, schätzt die Region, in der er verwurzelt ist, auch als 1A-Standort fürs eigene Leben.
Das sind die aktuellen Projekte der WAS
Täglich läuft er frühmorgens vor der Arbeit mit seiner Partnerin in schöner Umgebung wie dem Reinfelder Herrenteich und schöpft daraus Kraft – jede Woche kommen die beiden auf 35 bis 40 Kilometer. Nur ein Manko sieht Hinselmann am Premium-Standort Stormarn: „Das Wetter könnte besser sein.“