Ahrensburg. Entscheidung über Umgehungsstraße wieder vertagt. Interessengemeinschaft protestiert gegen Streichung der überzeugendsten Variante.
Es gibt Vorhaben in Ahrensburg, die schon so lange in der Diskussion sind, dass selbst diejenigen, die von Anfang an dabei sind, den Überblick über den Planungsstand verlieren. Jüngstes Beispiel war die Debatte in der letzten Sitzung des Umweltausschusses vor der Sommerpause. Auf der Tagesordnung stand der Entwurfsbeschluss für den Flächennutzungsplan. Allem Anschein nach kein kritisches Thema mehr, denn die Planung für Ahrensburgs städtebauliche Entwicklung, die schon 2010 mit dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept begonnen hatte, schien hinreichend diskutiert.
Keine Einigkeit über die ideale Route der Tangente
Es war dann doch kein Selbstgänger, der Beschluss musste nach hitzigem Hin und Her vertagt werden. Stein des Anstoßes war ein Thema, das für sich genommen fast noch komplizierter als der komplette Flächennutzungsplan zu schein scheint, nämlich die sogenannte Nordtangente. Die Diskussion über eine nordöstliche Umfahrung, mit der die Innenstadt und der nördliche Anschluss an die Landesstraße 82 (früher B 75) alias Lübecker Straße entlastet werden könnten, wird seit etwa 2007 geführt.
Der Entwurf des Flächennutzungsplans, der dem Umweltausschuss vorgelegt wurde, enthielt drei mögliche Trassenführungen. Die Grünen und die WAB waren damit nicht einverstanden und verwiesen darauf, dass bereits 2014 politisch entschieden worden sei, die südlichste Route, die sogenannte Clariant-Variante (sie führt am gleichnamigen Hersteller von Farbkonzentraten vorbei), nicht weiter zu verfolgen. Dem widersprach die Verwaltung mit Hinweis auf eine erneute Tangenten-Debatte vor einem Jahr, als noch von allen drei Routen die Rede gewesen sei.
Die CDU droht mit Votum gegen Flächennutzungsplan
Die Sache war nicht ad hoc zu klären, so dass zunächst der Umwelt- und einige Tage später auch der Bau- und Planungsausschuss die Vorlage zur Überarbeitung an die Verwaltung zurückverwiesen und ihren Beschluss verschoben. Das bedeutet nicht nur eine weitere Verzögerung für den überfälligen Flächennutzungsplan, sondern könnte dessen Verabschiedung insgesamt infrage stellen. CDU-Fraktionschef Tobias Koch, der sich über das langsame Verfahren ärgert, hat angekündigt, dass die CDU dem Flächennutzungsplan nicht zustimmen würde, sollte die Clariant-Variante gestrichen werden.
Die Debatte hat insbesondere die Ahrensburger alarmiert, die seit Jahren auf eine Tangentenlösung hoffen, weil sie vom zunehmenden Verkehr auf der L 82 besonders betroffen sind. Werner Haering (68), der seit mehr als 50 Jahren an der Lübecker Straße wohnt, beschreibt, wie Ahrensburg entlang der heutigen Landesstraße gewachsen ist, vom Stadtteil Gartenholz im Jahr 1982 bis hin zum seit zwei Jahren rasch wachsenden Neubaugebiet Erlenhof-Süd. „Die Lübecker Straße wird seit Jahren kanalisiert, ohne dass es Entlastung gibt“, sagt er. Sein Nachbar Tobias Ruprecht (43) fügt hinzu: „Als ich vor zehn Jahren hierherzog, sagte man mir, dass der Erlenhof bebaut und zur Entlastung eine Nordtangente kommen werde. Der Erlenhof kam, die Tangente nicht.“
Beide erzählen, dass gegenwärtig 19.000 Fahrzeuge täglich auf ihrem Abschnitt der Lübecker Straße unterwegs seien – Tendenz rasch steigend, nicht zuletzt durch den Erlenhof und die bevorstehende Erweiterung des Gewerbegebiets. Insbesondere der hohe Anteil des Schwerverkehrs sei eine große Belastung. Tobias Ruprecht ist besorgt über die vielen Risse auf der Vorderfront seines 1906 erbauten Hauses, die sich durch Erschütterungen bilden.
Werner Haering und Tobias Ruprecht gehören zur Interessengemeinschaft Ahrensburg Nord-Ost (Igano), die 2008 von Anliegern der viel befahrenen Lübecker Straße gegründet wurde. Aufgeschreckt von den jüngsten (Nicht-) Beschlüssen hat die Igano einen offenen Brief an Bürgermeister Michael Sarach und alle Stadtverordneten geschrieben (siehe www.igano.de). Darin appelliert die Initiative an Politik und Verwaltung, die Clariant-Variante zu priorisieren und sie als Route für die Nordtangente in den Flächennutzungsplan aufzunehmen.
Weiter heißt es: „Wir, die Anlieger der Lübecker Straße und damit direkt Betroffene Ihres Nicht-Handelns, sind nicht mehr bereit, die Verschlechterung unserer Lebensbedingungen, die sich aus der Verkehrsbelastung der Lübecker Straße, aus Lärm und Smog ergeben, länger hinzunehmen.“ Die Igano will den Druck nach der Sommerpause mit einer Unterschriftensammlung erhöhen.
Die Clariant-Route (Variante 7) erscheint nicht nur der Interessengemeinschaft, sondern auch Bürgermeister Michael Sarach und den Fraktionen von CDU (zumindest der Mehrheit) und SPD als wahrscheinlichster Weg, die Nordtangente zu realisieren. Gegen die sogenannte Famila-Variante (11) spricht die technisch kaum machbare (und zu teure) Ausführung, gegen die nördliche Trasse (15), dass sie länger wäre und der Flächenbedarf auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Delingsdorf größer als bei der Clariant-Variante sein würde.
Option für Verhandlung mit Delingsdorf offenhalten
2012 hatten sich Ahrensburg und Delingsdorf fast schon über die Clariant-Variante geeinigt, doch innerhalb der CDU gab es einen Dissens, so dass eine knappe Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung gegen die Tangentenlösung stimmte – ihre Hauptargumente waren die mögliche Belastung des Stadtteils Gartenholz durch die Clariant-Trasse und die als zu hoch empfundene Ausgleichszahlung an Delingsdorf.
Bürgermeister Randolf Knudsen hat erneute Gesprächsbereitschaft für Ende diese Jahres signalisiert, wenn Delingsdorf einen neuen Gemeindeentwicklungsplan beschließt. Er sagt aber auch, dass die Clariant-Trasse für seine Gemeinde noch immer die am ehesten akzeptable Tangenten-Variante wäre.
In Ahrensburg sind sich Verwaltungschef Michael Sarach und CDU-Fraktionschef Tobias Koch darin einig, die Clariant-Route besser im Flächennutzungsplan zu haben: „Wir berauben uns sonst einer Option“, sagt der Bürgermeister. Und Koch meint: „Wir halten damit offen, dass überhaupt eine Nordtangente gebaut werden kann.“