Witzhave. Simon Rathje ist verzweifelt und sauer auf die Justiz. Ex-Eigentümer blockiert seine Immobilie. Acht Zwangsräumungen wurden terminiert.

Simon Rathje ist ein smarter Typ mit gewählter Sprache, 24 Jahre alt. Das Studium der Betriebswirtschaftslehre hat er mit der Note 2,2 abgeschlossen, er arbeitet jetzt für ein in Stapelfeld ansässiges Unternehmen, das Lüftungskomponenten produziert, in den Bereichen internationaler Vertrieb und Prozessoptimierung.

Doch wenn es um seine Doppelhaushälfte in Witzhave geht, blickt der junge Mann nicht mehr durch. Rathje beschreibt die Situation so: „Ich fühle mich von den deutschen Gerichten im Stich gelassen, bin richtig sauer.“

Haus hat einen Wert von 216.000 Euro

Denn in seiner Immobilie wohnt ein Mann, dem das Haus einmal gehört hat. Er will nicht ausziehen. Dagegen ist Rathje mit einem Anwalt vorgegangen. Achtmal wurde eine Zwangsräumung terminiert, alle jedoch – teilweise wenige Minuten vor dem angedachten Beginn – vom Gericht abgesagt. Auf den Kosten für ein Umzugsunternehmen und sowie einen Schlüsseldienst, die bei so einer Sache vor Ort sein müssen, bleibt Rathje sitzen.

Es ist eine Geschichte zum Haareraufen mit offenem Ende. Sie beginnt im Oktober 2013. Das Doppelhaus von Karl W. (Name von der Redaktion geändert), Baujahr 1992, wird zwangsversteigert. Es hat 113 Quadratmeter Wohnfläche. Das Grundstück ist 390 Quadratmeter groß. Der Verkehrswert liegt bei 216.000 Euro. Rathje erhält den Zuschlag, zahlt noch am Tag der Versteigerung 21.600 Euro an. Die Restsumme, zum großen Teil kreditfinanziert, muss er 13 Monate später zahlen. Erst dann wird der Zuschlagsbeschluss rechtskräftig. „Weil der Vorbesitzer mit einem Juristen dagegen angegangen ist“, sagt Rathje.

Mehr als 10.000 Euro in Rechtsstreit investiert

Einen Monat vor der Zwangsversteigerung hatte Karl W. einen Mietvertrag mit einer anderen Person abgeschlossen. Dieser wird später für ungültig erklärt. „Ich habe mich zweimal mit ihm getroffen, um eine Lösung zu finden. Das war nicht möglich“, sagt Rathje. Im Dezember 2014 kündigt er dem ehemaligen Eigentümer, die erste Zwangsräumung ordnet das Amtsgericht Reinbek für den 23. Februar 2015 an. An jenem Morgen steht Rathje mit seiner Familie samt Schlüsseldienst und Möbelunternehmen vor der Tür. „Dann kam der Gerichtsvollzieher und hat die Aktion abgeblasen aufgrund jenes Mietvertrages, der ja gar keiner war“, sagt er. Allein an diesem Tag wird Rathje 700 Euro los: 600 für das Umzugsunternehmen und 100 Euro für den Schlüsseldienst. Diese Prozedur wiederholt sich. Inzwischen hat der 24-Jährige mehr als 10.000 Euro in den Rechtsstreit investiert. Mit dem Fall beschäftigt sich auch das Landgericht Lübeck.

Rathje sagt, er habe sich mit dem Kauf des Gebäudes für die Zukunft absichern wollen. „Derzeit bin ich solo. Mit einer Partnerin würde ich dort aber einziehen.“ Der junge Mann wohnt bei seinen Eltern in Brunsbek, eine eigene Wohnung strebt er in der jetzigen Situation nicht an. „Weil ich nicht weiß, was in Sachen Doppelhaus noch alles auf mich zukommt.“ Geld von Karl W. habe er bis September vergangenen Jahres nicht erhalten. Dieser wird in den Gerichtsschreiben auch gar nicht als Mieter bezeichnet, sondern als Schuldner.

Karl W. reicht Attest ein, wieder keine Räumung

Seit Oktober 2015 muss W. monatlich 900 Euro Nutzungsentschädigung bis zum dritten Werktag zahlen. So hat es das Gericht angeordnet. „Manchmal kommt das Geld später, schon jetzt ist er mit 2300 Euro in Rückstand“, sagt Rathje, der aus der Vergangenheit gelernt hat. Ist eine Zwangsräumung angesetzt, sieht er davon ab, ein Umzugsunternehmen zu beauftragen. Dann organisiert er kostengünstig einen größeren Wagen. Dabei sind auch seine beiden Brüder, die stets Urlaub nehmen, sowie Mutter Corinna. Die sagt: „Mich und die ganze Familie belastet das sehr. Es ist ein Fass ohne Boden.“

Auch die achte sogenannte Zwangsvollstreckung am 28. Juni, die um 11 Uhr beginnen sollte, wurde am selben Morgen vom Lübecker Landgericht abgesagt. Karl W. hatte kurzfristig ein Attest, dass er wegen der Räumung suizidgefährdet sei, vorgelegt – und zwar am 27. Juni. Das Schriftstück wurde in einer Stormarner Klinik verfasst. Offenbar bewerten die Gerichte in Reinbek und Lübeck den Fall unterschiedlich. In einem Schreiben des Amtsgerichtes Reinbek steht, Karl W. widersetze sich ärztlichen Ratschlägen und lehne eine zeitnahe stationäre Behandlung ab. Weiter heißt es: „Es muss dem Schuldner doch bewusst sein, dass der keinen dauerhaften Räumungsaufschub erwirken kann. Dennoch sind von seiner Seite keine Bemühungen erkennbar, seine gesundheitliche Situation zu verbessern.“

Neunte Zwangsräumung am 9. August

Das Abendblatt hat auch Kontakt zu Karl W. aufgenommen und ihn gebeten, seine Sicht der Dinge zu schildern. Er wollte aber nicht über die Sache sprechen. „Aus unserer Sicht sind das ganz perfide Handlungen des Schuldners“, sagt Rathjes Anwalt Tomas Roß. Die beiden schenken dem Attest keinen Glauben. Roß: „Der Mann hatte schon angekündigt, er werde denen sagen, er sei suizidgefährdet mit dem Hinweis an meinen Mandaten, dass der ihn nicht loswerde.“ Der Rechtsanwalt und Notar mit Kanzlei in Ahrensburg sagt auch, die zuständige Richterin am Landgericht sei nicht mutig genug, eine Entscheidung zu treffen. Er fordert vom Landgericht, einen Sachverständigen einzusetzen.

Dort fragte das Abendblatt ebenfalls nach, wollte wissen, warum das bislang nicht geschehen und ob es in Planung ist. In der Antwort geht das Landgericht Lübeck nicht auf die Frage ein, schreibt unter anderem: „Wegen der Komplexität der Sach- und Rechtslage braucht die Entscheidungsfindung Zeit, die Kammer ist um eine zügige Verfahrensführung bemüht.“ Die neunte Zwangsräumung ist übrigens für den 9. August terminiert.

Hier bekommen Haus- und Grundeigentümer in Stormarn Hilfe

Bei Ärger rund um die Immobilie bietet der Verein Haus & Grund in Stormarn qualifizierte Beratung und juristische Unterstützung an. In der Organisation sind 2600 private Haus- und Grundeigentümer vertreten. Der Stormarner Verein ist Mitglied des Landesverbandes Schleswig-Holstein, der 1898 gegründet wurde. Im nördlichsten Bundesland kommt die Gemeinschaft auf 65.000 Mitglieder.
Für den Verein
beraten Rechtsanwälte, Architekten, Immobilienfachwirte und Gebäudeenergie-Experten. Das Spektrum umfasst unter anderem Mietrechtsstreitigkeiten, Bauplanung , Umbauten, Bauschäden , Gutachten bei Vermietungen, Wohnungsabnahme, Mietpreisfindung, Energieversorgung und Energiesparen.
Haus & Grund hat in Stormarn Geschäftsstellen in Bad Oldesloe (Mühlenstraße 1, Telefon 04531/672 34) und Trittau (Kirchenstraße 6, Telefon 04154/84 23 13). Rechtsberatung ist jeweils donnerstags: in Bad Oldesloe von 16 bis 19 Uhr und in Trittau von 16 bis 18 Uhr. Die Gespräche mit den Anwälten müssen telefonisch über die Geschäftsstellen vereinbart werden.
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des Vereins zahlen einen Jahresbeitrag in Höhe von 60 Euro. Beim Eintritt kommen einmalig 20 Euro Aufnahmegebühr hinzu.