Hammoor. Seit mehr als 30 Jahren kämpfen die Hammoorer dafür, den Autoverkehr aus ihrem Ort heraus zu lenken. Nun startet das Verfahren neu.
Die Bürger in Hammoor sind sich einig: Sie wollen ihre Ortsumgehung. Seit mehr als drei Jahrzehnten kämpft die knapp 1300 Einwohner zählende Gemeinde dafür, den Autoverkehr aus ihrem Ort heraus zu lenken. Im Minutentakt donnern die Lkw auf dem Weg zur angrenzenden A 1 oder ins benachbarte Bargeheider Gewerbegebiet durch Hammoor. Dass eine Ortsumgehung nötig ist, sagen auch das Landesverkehrsministerium sowie der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV).
Doch so einfach ist es nicht. Das zeigte sich jetzt auch bei der ersten öffentlichen Bürgerbeteiligung, nach dem die Planung 2015 gestoppt worden war. Beim Thema Ortsumgehung Hammoor treffen verschiedenste Interessen aufeinander, schnell kochen die Gemüter hoch. Welche Trassenführung ist die richtige? Nördlich oder südlich um den Ort? Das herauszufinden, war auch das Bestreben von Karin Druba, Referatsleiterin im Ministerium, und Britta Lüth vom LBV. Mehr als 150 Bürger hatten sich im Gemeindehaus versammelt. Die Stimmung war friedlich und größtenteils sachlich. Nach wie vor, so die Planer, habe die Aussage von Minister Reinhard Meyer Bestand, die Ortsumgehung Hammoor als einziges Neubauvorhaben einer Landesstraße im Land zu realisieren.
Neue Siedlungsgebiete und weitere Kriterien änderten die Planung
Im vergangenen Jahr wurde das laufende Planfeststellungsverfahren eingestellt. Die Umgehung wäre im Falle einer Klage nicht gerichtsfest gewesen, so die damalige Begründung von Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD). Bereits 2007 hatte sich die Gemeinde für die südwestliche Variante entschieden und 2012 mit den Planungen begonnen. In der Zwischenzeit hatten sich die zu beachtenden Kriterien geändert, neue Siedlungsgebiete sind hinzugekommen.
Britta Lüth erläuterte die beiden verschiedenen Verfahrensmöglichkeiten. Erstens: die Planfeststellung. Dabei übernimmt das Land alle weiteren Planungen. Zweite Möglichkeit: der Bebauungsplan, bei dem die Planungen von der Gemeinde ausgehen. Dies hätte den Vorteil, dass regionales Wissen und Interessen aus der Bevölkerung besser genutzt werden können, setze aber eine Einigkeit beim Erwerb der Flächen voraus, so Lüth. Die Gemeinde hätte es also in der Hand, mit einem Bebauungsplan das Verfahren quasi an sich zu ziehen. Ansonsten würde die Planfeststellung greifen.
Weil er befangen ist, hält sich Bürgermeister Helmut Drenkhahn aus den Verhandlungen raus
Einwürfe wie „die Gemeinde ist zerstritten“ oder „die Gemeindevertreter sind nicht unbefangen“ wurden laut. „Plant die Gemeinde, bekommen wir nie eine Ortsumgehung“, gab ein aufgeregter Bürger zu bedenken. Auch Bürgermeister Helmut Drenkhahn sieht für die Variante Bebauungsplan keine Chance. Er selbst habe sich 2005 für befangen erklärt, da sein Grundstück an die mögliche Südtrasse grenzt. Seitdem habe er sich aus den Verhandlungen herausgehalten. „Jetzt wirft man mir vor, ich hätte nichts unternommen“, sagt Drenkhahn, der seit 26 Jahren Bürgermeister ist.
„Die Umgehungsstraße wird für dieses Dorf immer nur in einem Kompromiss entstehen“, sagte Britta Lüth eindringlich. „Aber nur im Konsens kommen Sie zum Erfolg.“ Auch beim LBV hat man die Zerstrittenheit in der Gemeinde registriert. Landwirt Bernd Ruthke war sichtlich erregt, als er sich zu Wort meldete. „60 Prozent der benötigten Fläche für die Nordtrasse gehören meiner Familie und mir. Was passiert, wenn wir ,Nein’ sagen? Werden wir dann enterbt?“
Rechtsanwalt Ulf Hellmann-Sieg, der von der Bürgerinitiative „Sichere Straßen Hammoor“ beauftragt wurde, übergab eine Liste der Eigentümer, die für den Bau der südlichen Umgehungsstraße zum Verkauf ihrer Grundstücke bereit wären, an die Projektleitung.
Auch Verkehr, Wirtschaftlichkeit und Umwelt sind wichtige Kriterien
Neben den Interessen der Bürger spielen auch Kriterien wie Verkehr, Wirtschaftlichkeit und Umwelt eine Rolle. Parallel zur Erfassung des Bürgerinteresses stehen als nächstes sogenannte Scoping-Termine an. Vertreter der Landesbetriebe treffen sich mit Gemeindevertretern, um vor Ort über die baurechtlichen Belange des Umweltschutzes zu sprechen. „Die gerichtsfeste Trasse findet man nicht durch Volksabstimmung sondern durch das Befragen von Fachkräften“, sagt Bürgermeister Drenkhahn.
Welche Trasse sich unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte als geeignet herausstellt, sollen unabhängige Gutachter ermitteln. Nur wenn alle Optionen geprüft sind, kann eine gerichtsfeste Vorzugsvariante festgelegt werden. „Bei der Wertigkeit der Punkte gibt es einen Ermessensspielraum“, so Britta Lüth.
Britta Lüth will Bürger stärker in die Planung einbeziehen
Um die Hammoorer auf dem Weg zur Ortsumgehung aktiv zu beteiligen, hatte Britta Lüth zwei Vorschläge im Gepäck. Die Gemeinde soll Obleute benennen, die alle Interessengebiete abdecken und eng mit den Planern zusammenarbeiten können. Außerdem verteilte sie eine Ortskarte, in der Anfang und Ende der Umgehungsstraße eingetragen waren. „Die Trassenführung können die Bürger selbst bestimmen“, sagte Lüth, die sich davon ein umfassendes Meinungsbild erhofft. Zusätzlich können dort noch Hinweise und Anregungen vermerkt werden.
Und auch hier waren sich am Ende alle Beteiligten einig: Transparenz, Offenheit und Bürgerbeteiligung sollten das neue Planverfahren ausmachen.