Trittau. Sie lieben Gemeinschaft, Fahrten in die Natur – und das Leben ganz ohne Eltern. Besuch bei einer Freien Fahrtenschaft aus Trittau.
„Pelle“ heißt Alina, „Löffel“ Jasper und „Roka“ eigentlich Birk. Der ist seit Anfang des Jahres Stammesführer bei Sonza Svietit, während „Löffel“ den Dracos aus Lütjensee vorsteht. Sie gehören mit den Löwen von Flandern allesamt zur Freien Fahrtenschaft Tír na nÓc. Alina alias „Pelle“ ist als Bundesführerin quasi die Chefin der drei Stämme, die wiederum in einzelne Horten unterteilt sind. Alles verstanden?
Die Sache scheint tatsächlich ein wenig kompliziert, wenn man das erste Mal inmitten der Gruppe junger Menschen steht, die sich für eine ganz besondere Freizeitbeschäftigung entschieden haben: Sie sind Pfadfinder. Und obwohl sicherlich jeder schon einmal gehört hat, dass es sie gibt, ist noch lange nicht jedem klar, was sie eigentlich machen. Eine typische Vorstellung bestätigt sich beim Besuch der Trittauer Pfadfinder jedenfalls auf den ersten Blick: Die meisten Jungs und Mädchen tragen ein gestreiftes Halstuch und alle von ihnen ein blaues Hemd. „Das Halstuch und auch verschiedene Abzeichen erhält man nicht sofort beim Eintritt in unsere Gruppe. Das kommt erst nach und nach dazu“, erklärt „Pelle“, die eigentlich Alina Paula Hoeser heißt. Die 20-Jährige ist „schon ewig“ Pfadfinderin, nämlich seit ihrem neunten Lebensjahr. „Ich fand es damals toll, etwas ganz eigenes zu haben. Ein Hobby, bei dem ich unabhängig von meinen Eltern war.“
Pfadfindern sollen lernen, verantwortungsvoll zu leben
Der Pfadfinderbewegung, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist, gehören mittlerweile mehr als 40 Millionen Kinder und Jugendliche auf der ganzen Welt an. Grundsätzliches Ziel der Bewegung ist es, junge Menschen zu fördern und ihnen das Handwerkszeug für ein verantwortungsvolles Leben mit auf den Weg zu geben. Und das auch im wahrsten Sinne des Wortes: So wird der sichere Umgang mit Messer, Sägen und Beil gelehrt. Diverse Knoten- und Seiltechniken werden nicht nur in der Theorie behandelt, sondern bei den gemeinsamen Fahrten ganz praktisch angewendet.
Das gefiel der damals kleinen Alina von Anfang an. Sie war in Gesellschaft mit Gleichaltrigen, erlebte gemeinsam mit ihnen Abenteuer in der Natur, unternahm mit der Gruppe Reisen und Ausflüge. „Die heißen bei uns Fahrten“, erklärt die heute 20-Jährige. Hat sich eine Gruppe, die in der Pfadfindersprache „Horte“ heißt, neu gegründet, dauern die Fahrten meist nur ein Wochenende lang und führen in die nächste Umgebung des Herkunftsortes vom Gründerstamm. Während dieser Zeit sollen sich die Gruppenmitglieder kennenlernen und herausfinden, wie sie zusammen funktionieren. „Der Gruppenführer achtet darauf, dass jeder an den täglich anfallenden Aufgaben wie Essen kochen, Nachtlager errichten oder Feuer mache beteiligt ist“, sagt Alina. So festigt sich nach und nach die Gemeinschaft, die dann immer fernere Ziele gemeinsam ansteuert.
Die Freie Fahrtenschaft Tír na nÓc, wie die Trittauer Pfadfinder sich offiziell nennen, ist weder parteipolitisch noch konfessionell gebunden. Der Entschluss, die Fahrtenschaft zu gründen, wurde vor knapp 27 Jahren auf einer Großfahrt nach Irland gefasst. Daher auch der Name. Einer keltischen Sage nach beherbergt das Land Tír na nÓc die ewig Jungen, die Feen und Elfen Irlands. Niemand altert in diesem sagenhaften Reich. Und alterslos fühlen sich auch die Mitglieder. Ab und zu gesellen sich die Gruppengründer – die mittlerweile schon stramm auf die 50 zugehen – zu den gemeinsamen Abenden. „Es ist genial, mit ihnen am Feuer zusammen zu sitzen und sich die ganzen Geschichten von früher anzuhören“, sagt Alina, die seit Anfang des Jahres als Bundesführerin aktiv ist. 70 aktive und rund 30 passive Mitglieder zählt der Verein zur Zeit. Alina kümmert sich um die Bürokratie und beantragt beispielsweise Fördermittel, die unter anderem vom Kreisjugendring Stormarn zur Verfügung gestellt werden. Außerdem initiiert sie Fahrten und Lager, koordiniert Termine und ist Ansprechpartnerin für die verschiedenen Stämme und Horten. Und das alles neben ihrem derzeitigen Freiwilligen Sozialen Jahr, das sie in Kiel absolviert.
Wegen Zeitmangel aufzugeben, kommt nicht in Frage
Ihr Leben als Pfadfinderin wegen Zeitmangels aufzugeben, kommt für Alina nicht in Frage. Viel zu sehr hängt ihr Herz an der Gemeinschaft und an dem Spaß bei den Treffen, die immer montags in ihrem Heim, dem Pumpenhaus in der Trittauer Lessingstraße stattfinden. Das haben sie eigenhändig ausgebaut. In jedem Frühjahr bringen sie außerdem ihren Pfadfinderplatz in Grande auf Vordermann. Dort steht auf einer großen Wiese hinter dem Spielplatz im Tannenweg ein alter Bauwagen, den sie immer wieder gemeinsam aufhübschen und in Stand halten. In den Sommermonaten finden hier die Treffen statt und unter freiem Himmel wird gemeinsam gespielt, gesungen, geredet und gelacht.
„Jeder hilft hier jedem“, sagt Jasper Bardua, dessen Pfadfindername „Löffel“ ist. Der 18-Jährige ist Stammesführer der Dracos von Lütjensee, mit 15 Mitgliedern derzeit der kleinste Stamm von Tír na nÓc. Er sagt: „Die familiäre Atmosphäre ist super und die Leute sind absolut cool. Deswegen bin ich dabei.“ Und das schon seit zehn Jahren. Das Mindestalter von acht Jahren sei zum Eintritt perfekt, meint Alina alias „Pelle“. Sie selbst leitet mit Pfadfinderkollege „Keks“ eine Kindergruppe. „Eltern können sich absolut darauf verlassen, dass ihre Jungs und Mädchen bei uns in guten Händen sind. Wir sind alle ausgebildete Jugendgruppenleiter.“
Auf dem Nikolausmarkt in Trittau haben seit Jahren einen Stand
Doch auch wer schon älter ist, darf bei den Trittauer Pfadfindern reinschnuppern – und dem gemeinnützigen Verein beitreten. Johanna Fischer aus Lütjensee ist 17 und hat Tír na nÓc im vergangenen Winter an deren Stand auf dem Nikolausmarkt in Trittau kennengelernt. Dort verkaufen die Pfadfinder seit einigen Jahren Tschai, ein Gemisch aus Tee, Rotwein, Nüssen und einer Geheimzutat, um ihre Fahrtenschaftskasse aufzubessern. Johanna kam mit ihnen ins Gespräch. Sofort gefielen ihr die Menschen und deren Einstellung. Sie sagt: „Ich war schon immer viel draußen in der Natur unterwegs und bastle gerne herum. Außerdem ist es schön, Teil einer solch tollen Truppe zu sein.“ Noch hat Johanna keinen Pfadfindernamen, den bekommt sie erst noch verliehen.
Da ist Neuling Nicholas Sanders aus Großhansdorf schon ein bisschen weiter. Er heißt „Spitz“. Den Namen hatte er schon bei seiner vorigen Mitgliedschaft in einer anderen Pfadfinderschaft. Seit einem halben Jahr ist er nun Teil der Trittauer Pfadfinder. Seine Faszination beschreibt der 21-Jährige so: „Das Fahrtenleben ist so ganz anders als das normale Leben. Der Kontakt zu Menschen ist viel intensiver und man lernt dabei auch viel über sich selbst.“ Die Dynamik innerhalb der Gemeinschaft sei für ihn spannend und eine wertvolle Erfahrung, die er nun nicht mehr missen möchte.
Wer Lust hat, die Pfadfinder kennenzulernen und herausfinden möchte, ob das Leben als Stammesmitglied etwas für ihn ist, kann sich direkt an „Pelle“, also Alina Paula Hoeser, wenden.
Telefonisch ist sie unter 0157/3419 89 94 und per E-Mail unter pellehoeser@web.de erreichbar.
Weitere Informationen zur Trittauer Freien Fahrtenschaft gibt es unter www.tirnanoc.de.