Bargteheide/Kiel. Bahnfahrer Andreas Reigbert fordert barrierefreien Bahnhof für seine Heimatstadt und Regeln für Mitnahme von E-Scootern in Bussen.
Ein Brandbrief an Staatssekretär Frank Nägele in Kiel scheint die letzte Hoffnung für Andreas Reigbert zu sein. Denn der Mann aus dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein soll dem Bargteheider helfen, dass er und andere Behinderte mit E-Mobilen den öffentlichen Nahverkehr besser nutzen können.
Reigbert leidet an Multipler Sklerose, ist seit 2012 auf einen E-Scooter angewiesen. Ein Theaterbesuch in Hamburg oder eine Reise zum Familientreffen in Niedersachsen ist für den 53-Jährigen eine logistische Herausforderung. Das liegt daran, dass der Bargteheider Bahnhof nicht barrierefrei ist. Und dass Reigbert in Bussen, mit denen er den Weg von Bargteheide zum barrierefreien Bahnhof in Ahrensburg überbrücken will, manchmal wegen seines Elektromobils nicht mitgenommen wird. Reigbert ist genervt, am Ende mit seiner Geduld. „Diese für mich und andere unerträgliche Situation in Bargteheide gibt es schon so lange. Ich möchte, dass endlich etwas passiert. Von der Landesregierung Schleswig-Holstein erwarte ich, dass sie aktiv wird und den Druck auf die Bahn und die Autokraft in Stormarn deutlich erhöht.
Ein Fahrer hat sich gewehrt, Reigbert mitzunehmen
Rückblick: Im Sommer vergangenen Jahres blieben die Bus-Türen für Reigbert erstmals geschlossen. Ein Fahrer hatte sich geweigert, den Frührentner und sein E-Mobil mitzunehmen. Die Verkehrsunternehmen Autokraft und Dahmetal berufen sich bei dieser Entscheidung auf eine Empfehlung der Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen (STUVA). Die Schwierigkeiten aus Sicht der Verkehrsbetriebe: E-Mobile seien groß und schwer, in ihrer Bauart unterschiedlich und stellten ein Sicherheitsrisiko dar.
In Hamburg sei es für ihn zwar unproblematisch, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Doch es fehlten bundesweit einheitliche Regelungen über die Mitnahme von E-Mobilen. „Jeder Verkehrsverbund entscheidet für sich selbst“, sagt Reigbert gegenüber dem Abendblatt. Aktuell gehe der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) juristisch gegen die Kieler Verkehrsgesellschaft vor. Von dem Urteil, das im Juli gesprochen werden soll, erhofft sich Reigbert eine grundsätzliche Klärung, auf die er sich berufen könne. „Die aktuelle Ungewissheit erschwert unsere Lage noch zusätzlich“, sagt er.
Seit einem Jahr kämpft er gegen die Situation
Seit einem Jahr kämpft Reigbert gegen diese Situation. Von der Verwaltung über die Politik, den Kreis bis hin zum Land macht er auf die „Diskriminierung von Behinderten mit E-Scootern“ aufmerksam. Bislang ohne Erfolg. „Von allen Seiten bringt man mir Bedauern entgegen, aber verändert hat sich immer noch nichts“, sagt der Bargteheider. Die Auseinandersetzung mit den Behörden empfinde er als sehr belastend. Um weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, sei Mobilität erforderlich. Die Idee – wie in Hamburg bereits umgesetzt – die Bahnsteige in Bargteheide abschnittsweise zu erhöhen, damit Behinderte mit ihren E-Mobilen in die Züge gelangen können, habe die Bahn abgelehnt.
Sie ist für den barrierefreien Umbau des Bahnhofes zuständig. Zur Begründung heißt es, der Bahnsteig sei zu schmal. In einem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, äußert sich die Bahn so: „Die Situation ist für mobilitätseingeschränkte Reisende unbefriedigend, eine Verbesserung der Situation ist mit Fertigstellung der S 4 erforderlich. Bis dahin können wir aus wirtschaftlichen Erwägungen keine weiteren Investitionen vornehmen.“
„Wann werden die Politiker endlich aktiv?“
Doch für den Bau der S 4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe gibt es noch kein verlässliches Datum. Für Menschen, die wie Andreas Reigbert auf einen E-Scooter angewiesen sind, bedeutet das einen zusätzlichen Verlust an Lebensqualität. Er sagt: „Behinderte haben im Unterschied zu einem großen Unternehmen wie der Bahn keine Lobby. In Bargteheide ist sie nicht bereit, den Bahnhof barrierefrei und behindertengerecht umzubauen. Das ist ein politischer Skandal. Wann werden die Politiker endlich aktiv?“